WirtschaftsWoche Online: Herr Gloger, in Ihrem kürzlich erschienen Buch “Betriebswirtschaftsleere” stellen Sie den Nutzen des Studienfachs Betriebswirtschaftslehre infrage. Was hat Sie dazu gebracht, die BWL so kritisch unter die Lupe zu nehmen?
Axel Gloger: Wir haben weit über 200.000 Studenten in diesem Fach. Kein Fach wird so häufig studiert wie die BWL. Sie reklamiert für sich, unsere Unternehmen mit Mitarbeitern zu versorgen, die zukunftsfit sind. Wir sprechen von Disruption, Automatisierung, Digitalisierung. Aber können Unternehmen diese Herausforderungen meistern mit Absolventen, die fünf Jahre nur Auswendiglern-Wissen gepaukt haben?
Was denken Sie? Können sie es?
Ich bezweifle das. Wir züchten akademische Sachbearbeiter heran, nicht Lösungsfinder für unsichere Zeiten.
Woran machen Sie diesen Eindruck fest?
Ich selbst bin Diplom-Volkswirt, ein Fünftel des Studiums Bestand aus BWL-Stoff. Die Klausuren habe ich durch stumpfes Auswendiglernen von Karteikarten bestritten und Bestnoten erzielt. Das hat mich nachhaltig geprägt.
Das ist bislang nur Ihre eigene Anschauung.
Das stimmt, aber meine persönliche Motivation sollte hier auch keine so große Rolle spielen. Ich habe für mein Buch mit Professoren und Unternehmern gesprochen, ich habe mir Vorlesungen zum Beispiel in Kosten- und Leistungsrechnung angehört. Und ich habe mir die Grundlagenwerke gekauft, darunter den “Wöhe”, das meistverkaufte BWL-Lehrbuch der Welt.
Was haben Sie an der “Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre”, deren Urfassung 1960 von Günter Wöhe verfasst wurde, zu beanstanden?
Da wäre zum einen die Form: Ich glaube nicht, dass man diese “Bibel der BWL”, wie sie gerne genannt wird, noch unbedingt in gedruckter Form braucht. Digital könnte das Wissen darin schöner und vor allem praktischer aufbereitet werden. Außerdem setzt das Buch auf reines Faktenwissen. Das wird dann vor den Klausuren in Stichpunktlisten zusammengefasst, danach auswendig gelernt und wenige Tage nach der Prüfung wieder vergessen.
Welche inhaltlichen Probleme sehen Sie darin?
Von Familienunternehmen, die den Kern des zweiten deutschen Wirtschaftswunders bilden, ist dort auf keiner Seite die Rede. Diese Unternehmen sind Primärkunden des Faches – etwa Würth, Kärcher, Trumpf oder Mennekes, eine Welt, in der es einen Unternehmerwillen gibt, die Bilanzen voller Eigenkapital stecken und Verträge noch mit Handschlag geschlossen werden. Das bildet die Wöhe-BWL überhaupt nicht ab.
BWL studieren aber immer noch viele, die gerne eine Unternehmenskarriere hinlegen würden. Welchen Einfluss hat das auf die Jobchancen der Betriebswirte?
In einer Wissenschaft sollte man lernen, wie man Muster erkennt, wie man neue Sachverhalte versteht und Dinge, die man noch nie gesehen hat richtig einordnet. Das lernt man im BWL-Studium nicht. Ich befürchte, dass diese akademischen Sachbearbeiter in den nächsten Jahren durch Roboter im weißen Kragen abgelöst werden.