Der BAföG-Betrug ist in den letzten Jahren tendenziell rückläufig. Das behauptet auf eine Anfrage hin das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium. So mancher habe sich vielleicht von den immer öfter angestellten Untersuchungen der Ämter abschrecken lassen. Die werden immer dann durchgeführt, wenn das Bafög-Amt beim automatischen Datenabgleich mit den Finanz-Ämtern auf Ungereimtheiten stößt. Eine Anfrage der Links Partei hat ergeben, dass sich die automatisierten Kontodaten-Abgleiche seit der Einführung im Jahr 2005 um circa 700 Prozent erhöht haben.
Wer beim Ausfüllen des Bafög-Antrags gemogelt hat oder auch aus Unwissenheit falsche Angaben gemacht hat, gerät automatisch ins Visier der Behörden. Die Folgen können schwerwiegend sein. Sie reichen von einer Geldstrafe bis zum Eintrag ins Strafzentralregister. Und liegt der erstmal vor, kann er den Einstieg in den Berufsalltag erheblich erschweren oder sogar unmöglich machen. Zwar führt nicht jeder Eintrag im Zentralregister automatisch zu einem Eintrag ins Führungszeugnis, sollte die betroffene Person aber später im Staatsdienst arbeiten wollen, schützt sie das nicht. Wer zum Beispiel Lehrer werden möchte, muss sich darauf einstellen, dass der Staat ein erweitertes Führungszeugnis einholt. Ist das nicht einwandfrei, hat der Kandidat schlechte Karten.
Aber ist dieses harte Vorgehen der Ämter angebracht?
„Das meiste Fehlverhalten ist auf Irrtümer oder Fehlvorstellungen zurückzuführen. Viele gehen in dem Alter noch sehr naiv mit ihren Finanzen um. Zu deren Glück würdigen die Richter das auch in der Regel“, beobachtet Peter Deutschmann, Rechtsanwalt für Sozial- und Strafrecht, der sich auf die Vertretung von Empfängern von Sozialleistungen, wie BAföG, spezialisiert hat.
Zeigt sich der Beschuldigte reuevoll und kann glaubhaft machen, dass er ohne Vorsatz gehandelt hat, haben die Verantwortlichen die Möglichkeit die Untersuchung mit oder ohne Zahlung einer Geldbuße einzustellen.
Die Verwaltungen mancher Bundesländer haben für Verdachtsfälle jedoch einen Automatismus entwickelt, wodurch ohne vorherige verwaltungsrechtliche Schritte und ohne eingehende Prüfung der vorliegenden Sachlage Strafverfahren eingeleitet werden. „Diese bescheren den Beschuldigten losgelöst von der Schuldfrage erhebliche Belastungen wie Anwaltskosten oder einen Eintrag in das Ermittlungsregister“, weiß Deutschmann.
Und dann stellt sich doch die Frage, ob es gerecht und sinnvoll ist, jemandem die Zukunft zu verbauen, weil er beim Ausfüllen des BAföG-Antrags vergessen hat, den Bauspartvertrag anzugeben, den die Großeltern auf den Namen des Enkels angelegt haben.
Studenten durchzufüttern, die keine Unterstützung brauchen, ist gegenüber den wirklich Bedürftigen ungerecht. Jungen, ausgebildeten Menschen den Berufseinstieg aufgrund ihrer Naivität oder ihres Leichtsinns, durch eine Freiheitsstrafe auf Bewährung zu verbauen, kann aber auch nicht im Interesse des Steuerzahlers sein. Ob die rückläufigen Zahlen auf die Angst vor der Höhe der Strafe zurückzuführen sind ist nicht klar festzustellen, aber ob es das Wert ist fraglich. Ein gesunder Mittelweg könnte sein, erst die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen auszuschöpfen, bevor eine Strafverfolgung eingeleitet wird.
Eine „echte rechtswidrige Bereicherungsabsicht“ – umgangssprachlich schlicht Betrug - sieht der spezialisierte Rechtsanwalt übrigens bei den wenigsten Mandanten. Beruhigend.