Berufsleben Schüler wissen nicht, worauf sie sich einlassen

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Zu theoretisch, zu wenig Praxisbezug

So zeigt der Report zwar, dass die Mehrheit der Befragten grundsätzlich mit der Ausbildung und dem ausbildenden Unternehmen zufrieden ist. Schaut man sich aber einzelne Gruppen genauer an, fällt auf, dass Hauptschüler am unzufriedensten sind, wenn es um den Lehrbetrieb geht. Der Grund: Mehr als der Hälfte von ihnen gefallen die Aufgaben im Arbeitsalltag nicht. Nun könnte man sagen: Wer keine Haare schneiden möchte, sollte nicht Frisör lernen. Und für einen chronischen Langschläfer ist das Bäckerhandwerk ungeeignet.

Aber: Vielen Azubis ist vor Beginn der Ausbildung schlichtweg nicht bewusst, was im Unternehmen verlangt wird und welche Aufgaben erledigt werden müssen.

So sagen 91 Prozent der befragten Berufsschullehrer: "Die Schüler wissen nicht, worauf sie sich eingelassen haben." Das liege zum einen daran, dass sie von der Schule nicht auf die Zeit nach der zehnten Klasse vorbereitet werden, aber auch daran, dass die Schüler selbst nicht wissen, wo sie sich über einzelne Berufe informieren können.

Mehr als 65 Prozent der Berufsschullehrer finden, dass die Lehrpläne in den Schulen zu wenig auf die Bedürfnisse der zukünftigen Bewerber eingehen. Wer die Schule verlässt, um eine Ausbildung zu machen, könne keine Bewerbung schreiben, habe keine Ahnung vom existierenden Berufsangebot und den Anforderungen in einzelnen Berufen. Mehr als die Hälfte der Lehrer wünscht sich daher mehrere Schnupperpraktika in der Sekundarstufe I. Das sehen auch die Schüler so: Egal ob Gymnasiast, Real- oder Hauptschüler, knapp die Hälfte aller befragten Berufsschüler gibt an, nicht richtig im Bilde zu sein.

Das betrifft sowohl das Schreiben einer Bewerbung als auch grundlegende Schritte wie die Suche nach dem passenden Ausbildungsberuf. Lediglich Fachabiturienten sind mit ihren Unterrichtsinhalten in Bezug auf die spätere Berufswelt zufrieden. Bei den Hauptschülern sagten mehr als zehn Prozent, dass man sie überhaupt nicht auf das Arbeitsleben vorbereitet habe. Aber auch mit der Berufsschule sind nicht alle happy: Zu theoretisch, zu wenig Praxisbezug, zu wenig Betreuung durch die Lehrer.

Das viele auch bezüglich ihres eigenen Lehrberufs bis zum ersten Arbeitstag im Dunkeln tappen, ist aber auch die Schuld der Unternehmen, wie der Report zeigt. In den Stellenanzeigen stehe nur selten, um was es in einem Job überhaupt geht.

Teamfähig sollen alle sein. Spaß an der Arbeit muss man auch haben - und Flexibilität mitbringen. Von Nachtschichten, körperlicher Arbeit, Lärm oder sonstigen Anforderungen, die ein Job tatsächlich mit sich bringen kann, ist selten die Rede. Entsprechend sagt ein Drittel der befragten Lehrlinge, dass die Angaben in den Stellenausschreibungen nur teilweise mit den täglichen Aufgaben im Beruf übereinstimmen.

Was Azubis von ihrer Ausbildung erwarten

So kann es passieren, dass sie während der Ausbildung mit Aufgaben konfrontiert werden, die sie so nicht erwartet hätten. Das kann im schlimmsten Fall zu einem Abbruch der Ausbildung führen. 40 Prozent derer, die die Lehre hinschmeißen, tun dies, weil sie andere Vorstellung vom Job gehabt haben. Und fast alle Auszubildenden, die finden, dass die Aufgaben im Unternehmen überhaupt nicht mit der Ausschreibung übereinstimmen, wollen nach Beendigung der Ausbildung den Beruf wechseln.

Wenn schon die Schulen nicht auf das Berufsleben vorbereiten, müssen Arbeitgeber unbedingt transparent machen, welche Anforderungen sie an die zukünftigen Azubis haben. Nur so können Auszubildende und Unternehmen miteinander glücklich werden.

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