Bildung Spanische Unis sind zersetzt von Korruption

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Spanische Akademiker sind Geringverdiener

Auch dank dieses Titel-Wahns setzen Spaniens Hochschulen gemäß der spanischen Wirtschaftszeitung "El Economista" knapp eine Milliarde Euro im Jahr um. Auf Platz 1 steht die Madrid Universidad Europea, eine Privathochschule. Sie alle profitieren davon, dass in Spanien fast jeder nach der Schule irgendetwas studiert, anders als in Deutschland, wo auch die Lehre angesehen ist und nicht jeder Abitur machen kann.

An spanischen Privatunis kommt dagegen jeder rein, wenn er nur zahlt - und das auch, ohne den an den öffentlichen Unis für viele Fächer notwendigen Numerus Clausus. Das führt zwangsläufig zu einer Akademikerschwemme, die wiederum die Einstiegslöhne drückt. In kaum einem anderen Land arbeiten so viele Diplomierte als Kellner. Die spanischen Bürger sehen mit zunehmendem Entsetzen, dass ein Uni-Titel kaum noch etwas wert ist. Das Durchschnittsnettogehalt für einen Uniabgänger liegt bei 1500 Euro im Monat; wenig mehr, als eine ungelernte Putzfrau in Spanien verdient.

Bis vor Kurzem war Schummeln an der Uni und im Lebenslauf regelrecht ein Volkssport in Spanien. Immer wieder kam es vor, dass die Mächtigen mit gefälschten Titeln und Lebensläufen durchkamen. Aber mit dem Skandal um Cristina Cifuentes, der Chefin der Madrider Regionalregierung, ändert sich das nun. Sie wird beschuldigt, Unterschriften bezüglich des Erwerbs eines Master an der Madrider Universidad Rey Juan Carlos gefälscht und die entsprechende Masterarbeit gar nicht geschrieben zu haben. Sie hat inzwischen auf den Titel verzichtet und ist auf Druck der politischen Opposition und der Medien zurückgetreten.

Bewundernd schauen die spanischen Medien bei Ausbildungsfragen und politischer Ethik nach Deutschland, wo zahlreiche Minister schon vor der Beweisführung zurücktraten, während die Regionalchefin Cifuentes wie viele andere in Spanien viel zu lange an ihrem Amt festhalten konnte.

Aber auch in Deutschland gibt es noch Verbesserungspotential: „Der Cifuentes-Fall findet in Deutschland am ehesten eine Parallele zu den Fällen Guttenberg und Schavan, die wegen Regelverstößen in ihren jeweiligen Dissertationen als Bundesverteidigungsminister beziehungsweise als Bundesbildungsministerin zurücktreten mussten. Ihre Doktortitel wurden von den betroffenen Universitäten aberkannt. Frau Schavan wurde aber mit dem schönen Botschafterposten im Vatikan getröstet“, sagt der deutsche Ökonom Juergen Donges, der in Spanien aufgewachsen ist.

Auch wenn derzeit alle über Cifuentes herfallen, hat die konservative Politikerin dem Land ungewollt einen Gefallen getan. „Endlich wird nicht nur über Korruption zwischen Unternehmen und Politik debattiert, sondern auch die Vetternwirtschaft an Unis offengelegt, was dem Land helfen wird, sich zu erneuern“, sagt Unternehmensberater Ignacio Sánchez-León.

Die dadurch initiierte Debatte hat dazu geführt, dass jeder Lebenslauf der führenden Politiker genau angeschaut wird und sich der Blick der spanischen Medien jetzt auf dem schon seit Langem von ausländischen und inländischen Bildungsexperten kritisierten verrotteten Ausbildungssystem gerichtet hat.

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