
Seine ganz persönliche Abrechnung mit der Gesellschaft hat Marco Maurer mit „Du bleibst, was du bist“ überschrieben. In seinem Buch versucht der Journalist Antworten zu finden, warum in Deutschland die soziale Herkunft noch immer über den gesellschaftlichen Aufstieg entscheidet.
Obwohl die Problematik seit Langem bekannt ist, ändert sich nichts: Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien gehen 77 an die Hochschulen, während es von 100 Arbeiterkindern nur 23 schaffen. Marco Maurer ist eine dieser Ausnahmen: Das Abitur machte der Sohn einer Frisörin und eines Kaminkehrers auf dem zweiten Bildungsweg, nachdem ihm seine Grundschullehrer nur eine Empfehlung für die Hauptschule ausgesprochen hatten. Anschließend studierte er und besuchte die Deutsche Journalistenschule.
Die beliebtesten Abschlüsse
Auch wenn die Bachelor-Abschlüsse in Deutschland eingeführt wurden, um der Wirtschaft besser spezialisierte Arbeitskräfte zuzuführen - als High Potentials gelten die Bachelor-Studenten nicht. Zumindest nicht bei den Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Erstaunlicherweise sind auch die Uniabgänger mit Doktortitel nicht Arbeitgebers Darling. Ähnlich wie die Bachelor-Studenten rangieren Promovierte eher unter ferner liefen, wenn es um die Suche nach High Potentials geht.
Der Master-Abschluss ist besonders in Österreich beliebt. In der Schweiz gelten auch Fachhochschulabsolventen mit Master-Qualifikation als begehrte High Potentials.
In Deutschland ist das Diplom immer noch der am meisten angesehene Abschluss - Bologna-Reform hin oder her. 99 Prozent der befragten deutschen Chefs suchen Uniabsolventen mit Diplom.
In seinem Buch kommt er nun zu dem Ergebnis, dass die Chancen im deutschen Bildungssystem ungleich verteilt sind – und kritisiert vor allem die Trennung der Schüler bereits nach der vierten Klasse in leistungsstarke und eher leistungsschwächere Schüler, die oft auch eine Trennung entlang der sozialen Klassen bedeutet. Denn Kinder aus sozial bessergestellten Familien landen überproportional häufig auf Gymnasien, während Kinder aus eher bildungsfernen Familien oder sozialschwachem Umfeld deutlich seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten. Nur die wenigsten Eltern aus bildungsfernerem Milieu stellen Nachfragen, weil die Schule für sie keine Einrichtung ist, die Bildung vermittelt, sondern nicht selten ein notwendiges Übel darstellt. Für Kinder bedeutet das vor allem mangelnde Unterstützung – oftmals verbunden mit einem fehlenden emotionalem Halt und finanziellen Engpässen.





"Kinder aus bildungsferneren Familien haben gelernt, mit Knappheit umzugehen - und das in allen Bereichen", sagt Aladin El-Mafaalani, Professor für politische Soziologie an der Fachhochschule Münster. Ihren Alltag bewältigen sie, aber mit einer Handlungsroutine, die durch kurzfristiges Denken geprägt und eher anwendungs- und handlungsorientiert ist. Dieses Denkmuster lässt sich auch als Management von struktureller Knappheit bezeichnen. "Für diese Kinder ist es wichtig, dass sie wissen, wofür ihre Handlungen und eben auch die Wissensaufnahme gut sind."
In einer Studie, die 2013 mit dem Deutschen Studienpreis ausgezeichnet wurde, hat er mit 40 Extremaufsteigern gesprochen, also Menschen, die sich aus einfachsten Verhältnissen nach ganz oben durchgekämpft haben. Das Ergebnis: Besonders in Deutschland ist der berufliche und gesellschaftliche Erfolg – trotz des Wissens, wo die Fehler liegen - an die soziale Herkunft gebunden. Der Aufstieg ist fast unmöglich: "Wer aufsteigen will, muss sich von seinem Herkunftsmilieu lösen."