
Was wird nicht alles in Zeiten einer Digitalisierung revolutioniert: Industrie, Medizin, Mobilität und auch Lernen. Gerade der Bildungsbereich scheint besonders anfällig dafür zu sein, lässt der Glaube, den heiligen Gral des Lernen doch noch zu finden, nicht nach. Derzeit wird dies besonders augenscheinlich, wenn man die nach und nach erscheinenden Parteiprogramme zur Bundestagswahl unter die Lupe nimmt: Digitalisierung ist das Thema. Lernen 4.0 die Vision.
Dabei ist es schon längst empirisch erwiesen, dass eine Digitalisierung alleine wenig bringen wird und nahezu selbstverständlich die digitale Revolution vor dem Klassenzimmer aufhören wird – allein schon deswegen, weil es sie in der prophezeiten Form auch nicht geben kann. Lernen bleibt Lernen.

Damit soll nicht behauptet werden, dass eine Digitalisierung keinerlei positive Auswirkungen hat oder besser: haben kann. Aber entscheidend wird sein – wie bei jedem Medium – ob und wie es den Menschen gelingt, eine Digitalisierung in pädagogische Interaktionen sinnvoll und passend zu integrieren.
Die Frage nach dem Sinn und der Passung ist zentral und wird beispielsweise am SAMR-Model von Puentedura ersichtlich. Darin unterscheidet er vier Digitalisierungsebenen, die beschreiben, wie neue Medien im Vergleich zu traditionellen Medien eingesetzt werden können:
- Auf der Ebene Substitution (S) ersetzten neue Medien traditionelle Medien, ohne dass ein Mehr an Wissen oder Kommunikation auch nur angedacht ist.
- Auf der Ebene Augmentation (A) kommt es zu einer Erweiterung, indem neue Medien gleichsam mehrere traditionelle Medien in sich vereinen.
- Auf der Ebene Modification (M) kommt es zu einer Änderung der Aufgaben, bei der mithilfe neuer Medien andere Formen des Austauschen und der Kooperation ermöglicht werden.
- Und auf der Ebene der Redefinition (R) kommt es schließlich zu einer Neubelegung von Interaktionen durch neue Medien, so dass beispielsweise Formen der Zusammenarbeit eröffnet werden, die mit traditionellen Medien nicht realisierbar sind.
Ersichtlich wird aus dem SAMR-Modell, dass neue Medien das Potenzial haben, eine stärkere soziale und kognitive Vernetzung zwischen Menschen herbeizuführen und damit ein Lernen 4.0 ermöglichen können – wohlgemerkt: können.
Was lässt sich aber nun in Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten feststellen? Tablets ersetzen in der Vorschule Malkasten und Buntstifte. Smartboards verbannen Tafeln aus den Klassenzimmern. Und Studierende an Universitäten tippen heute, anstelle mit Papier und Bleistift mitzuschreiben. All das ist Digitalisierung. All das hat aber auf das Lernen keinen (nennenswerten) positiven Einfluss, ja kann sogar negativ wirken. Der Grund: Das so digital initiierte Lernen befindet sich ausschließlich auf der Ebene der Substitution und Augmentation und führt damit nicht zu einer stärkeren sozialen und kognitiven Vernetzung.