Bildungspolitik Akademisierung gefährdet duale Berufsbildung

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Bachelor ersetzt Facharbeiter

Das sind die besten deutschen Unis
Rang 1: Universität von Oxford Quelle: Creative Commons/Bill Tyne
Platz zehn: Uni Bonn Quelle: Universität Bonn, Dr. Thomas Mauersberg
Platz neun: Universität in Tübingen Quelle: dpa
Platz acht: Technische Uni Berlin Quelle: dpa
Platz sieben: Freie Universität Berlin Quelle: dpa/dpaweb
Platz sechs: Universität Freiburg Quelle: dpa/dpaweb
Platz fünf: Rheinisch-Westfaelische Technische Hochschule (RWTH) Aachen Quelle: dpa

Wenn man den Akademisierungstrend anhalten will, wäre da nicht die Wirtschaft der entscheidende Adressat? Schließlich kam aus ihr auch der Impuls dazu.

Ja. Aus der mittelständischen Wirtschaft, von den Handelskammern und aus der IG Metall erhalte ich Zuspruch. Das Bundesinstitut für berufliche Bildung hat kürzlich errechnet, dass wir bis 2030 im Bereich der "mittleren" Qualifikationen 11,5 Millionen Arbeitskräfte ausscheiden und nur 7 Millionen nachfolgen werden. Im akademischen Bereich werden 3,2 Millionen ausscheiden und 4,9 Millionen neu dazu kommen. Also ein Überschuss. Die Studie schließt daraus, dass der Bachelor-Abschluss die Facharbeiter-Ausbildung teilweise ersetzen wird. Aber haben wir darüber mal eine Diskussion geführt? Sind die Universitäten in der Lage die Ausbildung der Facharbeiter zu übernehmen? Bedeutet das nicht zwangsläufig einen Qualitätsverlust?

Bundesbildungsministerin Wanka und andere halten dagegen, dass die Arbeitslosigkeit unter Akademikern besonders niedrig ist.

Es ist ein Denkfehler, wenn Frau Wanka, die ich noch aus meiner Zeit als Staatsminister schätze, sagt: Solange die Akademiker ein niedrigeres Arbeitslosigkeitsrisiko haben, sollten wir diesen Bereich ausbauen. Sie übersieht den Effekt des Downgrading. Es ist klar, dass immer die, die etwas höher qualifiziert sind oder scheinen, die Jobs bekommen. Das heißt aber nicht, dass die Gesamtarbeitslosigkeit sinkt, wenn immer mehr die so genannten höheren Abschlüsse haben.

Sie gehören zur immer seltener werdenden Schar der politisch aktiven Intellektuellen. Sind Sie als Philosoph nicht ein Fremdkörper in der Politik?

Als ich damals von der Wissenschaft in die Politik wechselte – drei Jahre als Kulturreferent in München und dann zwei Jahre als Kulturstaatsminister bei Schröder – habe ich das nicht als Kulturschock erlebt. Auch weil ich Philosophie so betreibe, dass klar ist, dass das auch mit realen Problemen zu tun hat. Wer über Gerechtigkeitstheorien nachdenkt, sollte auch sagen, was das für die praktische Politik, also zum Beispiel die Steuern, bedeutet. Sonst würde sich die Philosophie überflüssig machen. Umgekehrt finde ich eine Politik, die nur an unmittelbaren Reaktionen auf Probleme ausgerichtet ist – also an der Frage, wie man als Politiker da unbeschadet durchkommt – demokratieunverträglich. Politiker sind aufgefordert, ihr Handeln zu begründen und in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Wie soll sonst Demokratie funktionieren? 

Diesen größeren Zusammenhang sucht man in der real existierenden Politik vergeblich.

Ja. Was wir heute erleben, nenne ich Hyperpragmatismus. Politiker sind sich einig, nicht über Grundsätzliches zu reden. Die politischen Grundsatzfragen werden als irrelevant empfunden.

Zum Beispiel?

Wir erleben die größte Bildungsreform seit Humboldt. Aber was das Ziel ist, bleibt völlig offen. Employability, Beschäftigungsfähigkeit, okay, aber sonst? Wenn man das vergleicht mit den intensiven Debatten zu Humboldts Zeiten anfangs des 19. Jahrhunderts – wissenschaftsintern, politisch, auch in der Öffentlichkeit! Ich mache mir große Sorgen. Wenn es in solchen Debatten nicht mehr um Grundwerte geht, dann dünnt die Demokratie in der Praxis aus.

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