




Das "Upgrading" der Abschlüsse ist zum Großteil daher eine Bildungsillusion. Junge Menschen absolvieren heute Business- oder Management-Studiengänge - und machen dann Jobs, für die ihren Vätern ein Realschulabschluss mit kaufmännischer Lehre reichte. Wie sollte es auch anders sein: Wenn alle höhere Abschlüsse schaffen, dann landen die vermeintlichen Aufsteiger eben doch wieder im Mittelmaß.
Bei Bildungsabschlüssen verhalten sich Quantität und Qualität reziprok. Steigt das eine an, muss das andere sinken. Konkret: Wenn durch bildungspolitische Taschenspielertricks wie die schleichende Aufweichung der Benotungskriterien immer mehr Schüler Abitur machen und an die Universitäten strömen, heißt das nicht, dass sie alle reif sind für ein Studium, das diesen Namen verdient. Man kann die Abiturientenzahlen steigern, aber nicht die Bildungsfähigkeit der Menschen.
Die beliebtesten Abschlüsse
Auch wenn die Bachelor-Abschlüsse in Deutschland eingeführt wurden, um der Wirtschaft besser spezialisierte Arbeitskräfte zuzuführen - als High Potentials gelten die Bachelor-Studenten nicht. Zumindest nicht bei den Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Erstaunlicherweise sind auch die Uniabgänger mit Doktortitel nicht Arbeitgebers Darling. Ähnlich wie die Bachelor-Studenten rangieren Promovierte eher unter ferner liefen, wenn es um die Suche nach High Potentials geht.
Der Master-Abschluss ist besonders in Österreich beliebt. In der Schweiz gelten auch Fachhochschulabsolventen mit Master-Qualifikation als begehrte High Potentials.
In Deutschland ist das Diplom immer noch der am meisten angesehene Abschluss - Bologna-Reform hin oder her. 99 Prozent der befragten deutschen Chefs suchen Uniabsolventen mit Diplom.
Quantitative Erfolgsmeldungen - steigende Abiturienten- und Studentenzahlen - sind nur scheinbar aussagekräftig, weil sie sich fast nach Belieben produzieren lassen, wenn man an den passenden Schrauben dreht. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann mag glauben, dass der Anstieg der Abiturientenzahlen bei gleichzeitig verbesserter Durchschnittsnote "nicht auf eine Senkung der Anforderungen im Abitur" zurückzuführen ist. Die nordrhein-westfälischen Lehrer wissen es besser, denn sie setzen die Benotungsrichtlinien aus Löhrmanns Ministerium um, wonach die Note "fünf" fast nicht mehr vergeben werden kann. Eine Bildungspolitik, die nur noch nach Kennziffern arbeitet, wird leicht zur Einbildungspolitik, der die wirklichen Probleme von Schulen und Hochschulen fremd bleiben.
Hochschule
Nun könnte man sich darüber, dass die alte und ur-europäische Idee der Universität vor die Hunde geht, damit hinwegtrösten, dass vielleicht immerhin das ökonomische Versprechen der totalen Akademisierung unserer Gesellschaft aufginge. Daran sind, allen Bildungsökonomen und OECD-Studien zum Trotz, große Zweifel angebracht. Denn dort wo die Abiturientenquoten am niedrigsten sind in Europa, ist der wirtschaftliche Erfolg besonders hoch: In Bayern, Baden-Württemberg, Österreich und der Schweiz. Wo die Expansion von Bildungsabschlüssen durch deren Inflationierung am weitesten vorangeschritten ist, wie zum Beispiel durch die "präventive Sozialpolitik" der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, sind die ökonomischen Erfolge seltener - und die sozialen Gegensätze nicht geringer.