BWL-Ranking Jan Recker: Wie tickt der Jungstar der BWL?

Jan Recker von der Uni Köln ist der forschungsstärkste BWL-Professor unter 40 Jahren. Zu seinen Schwerpunkten zählen das Design von Informationssystemen und digitale Innovationen. Quelle: Lisa Beller

Beim Ranking der forschungsstärksten Betriebswirte im deutschsprachigen Raum holt Jan Recker von der Uni Köln den Titel in der Kategorie „Unter 40 Jahre“.

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Wenn Jan Recker vom Beginn seiner akademischen Karriere erzählt, klingt es wie eine Geschichte aus einem anderen Jahrhundert. Dabei ist es nur etwas mehr als zehn Jahre her, dass der Wirtschaftsinformatiker seine Promotion an der Queensland University of Technology im australischen Brisbane beendet hatte und nach einem Job suchte. Das Problem: Es gab keine Jobs. „Alle dachten, das Fach sei tot“, sagt Recker heute. Es sei „keine gute Zeit“ für Wirtschaftsinformatiker gewesen.

„IT doesn’t matter“, habe es damals in Fachkreisen geheißen. Informationstechnologie? Wofür? Eine Ursache dafür war das Scheitern der New Economy. Der E-Commerce-Boom und die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende hätten die entsprechenden Fakultäten stark anwachsen lassen. Die folgende IT-Ernüchterung habe dann dafür gesorgt, dass an den Hochschulen eher Personal abgebaut wurde.

Dass er doch noch recht schnell einen Fuß auf die wissenschaftliche Karriereleiter setzen konnte, verdankte Jan Recker auch einem glücklichen Zufall. Kurz vor Semesterstart verließ ein Professor die Universität in Brisbane, dessen thematischen Schwerpunkt er perfekt abdecken konnte. Recker ergriff die Gelegenheit. Und nach wenigen Jahren als Dozent schaffte er im Jahr 2010 den Sprung zum Associate Professor, 2012 dann zum Full Professor. Seit Januar 2018 hält er nun den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systementwicklung an der Universität zu Köln.

Aus heutiger Sicht klingen Reckers Startschwierigkeiten fast unvorstellbar. Im Jahr 2019 ist Informationstechnologie dank der Digitalisierung allgegenwärtig. Sie durchdringt das Arbeitsleben wie das Private, sie verändert die Art, wie Unternehmen wirtschaften und wie Gesellschaften funktionieren. Und sie macht Jan Reckers Expertise so relevant wie noch nie. Die liege nämlich da, „wo das Leben auf Informationstechnologie trifft.“ Also nahezu überall.

Die Sorgen von früher hört man ihm nicht mehr an: „Es ist eine schöne Zeit für unser Fach. Jeder interessiert sich für IT.“ Das erkennt man auch daran, dass der junge Forscher so viele wissenschaftliche Publikationen gesammelt hat wie kaum ein zweiter. Damit erreichte er den ersten Rang im WirtschaftsWoche-Ranking der forschungsstärksten Betriebswirte unter 40 Jahren.

In einer seiner jüngsten Veröffentlichungen beschäftigte er sich zum Beispiel mit der Verbindung von Digitalisierung und nachhaltiger Unternehmensentwicklung. „Das ist wichtig“, so Recker, „denn die IT ist einer der größten Ressourcenfresser unserer Zeit.“ Die Informations- und Kommunikationstechnologie könnte bis zum Jahr 2025 rund 20 Prozent der gesamten Elektrizität verbrauchen und mehr als fünf Prozent der globalen Kohlenstoffemissionen verursachen, schätzte kürzlich ein Analyst des chinesischen Technologiekonzerns Huawei. Für Recker ist es deshalb entscheidend, Menschen dazu zu bringen, sich gerade in Bezug auf IT ökologischer zu verhalten.

Öko-Nudging nennt Recker das. In seinem Experiment untersuchte er das anhand der Nutzung von Büro-Druckern. Konkret versuchte er, das Druckverhalten von Universitätsangestellten zugunsten der Umwelt zu beeinflussen. Dazu richtete er verschiedene Feedback-Systeme ein, etwa einen Newsletter und ein Online-Forum, die Mitarbeiter darüber informierten, wie verschwenderisch sie im Vergleich zu anderen mit dem Drucker umgingen und wie sie dieses Verhalten verändern konnten. Das Ergebnis war eindeutig: Wer digital informiert und unterstützt wurde, verbrauchte signifikant weniger Papier, als Kollegen, bei denen diese Verhaltensweisen nicht gefördert wurde.

Wichtig für seine Forschung sei dabei ein Grundsatz, so Recker: „Meiner Meinung nach muss ein digitales Artefakt immer eine Rolle spielen in der Forschung und auch ein Erklärungsansatz in der Theorie sein.“ Mit Artefakt meint er alle Ausprägungen der IT, seien es Laptops, Smartphones, Fitnessarmbänder oder auch Softwareprodukte. Im Druck-Experiment waren es der Newsletter und das Forum. Reckers Ziel ist dabei klar: „Wir versuchen, Mensch und Maschine gleichermaßen zu verstehen und sie in der Forschung zusammenzubringen.“ Denn viele Probleme in der Digitalisierung seien eben nicht nur technisch oder menschlich begründet, sondern entstünden insbesondere aus der Interaktion.

Dazu muss er allerdings beobachten, wie genau Menschen mit Informationstechnologie umgehen. Jan Recker ist ein Feldforscher der Wirtschaftsinformatik. In manchen Feldern ist er deshalb aktiver als in anderen. Zum Beispiel interessiert er sich zwar für die Blockchain-Technologie, allerdings kann er den Umgang mit ihr momentan noch kaum erforschen, weil sie zu selten praktisch eingesetzt wird und deshalb zu wenig belastbares Datenmaterial vorliegt. „Wenn man empirisch arbeitet, ist man zwar nicht ganz am Zahn der Zeit“, sagt Recker, „Aber man rennt auch nicht jedem Hype hinterher.“

In einem anderen Feld findet er derzeit dagegen besonders viel Anschauungsmaterial: Der Start-up-Szene. Gemeinsam mit Unternehmertums- und Managementforschern untersucht er dort, wie sich digitale Technologien auf den Gründungsprozess von Unternehmen auswirken. An der Uni Köln beobachten sie dazu angehende Unternehmer im hochschuleigenen Inkubator. Dort beobachten die Forscher mehrere klassische Software-Startups. Außerhalb der Hochschule schauen sie auch auf Hardware-Gründungen, die ihr Geschäft auf vernetzte und damit intelligente Geräte oder die Möglichkeiten des 3D-Druck aufbauen.

Offensichtlich ist, dass die Digitalisierung die Produkte und Dienstleistungen verändert. Aber sie betrifft auch die Prozesse innerhalb von Firmen. Prototypen können schneller getestet und angepasst werden, was die Entwicklung beschleunigt. Geld wird heute nicht mehr nur von der Bank geliehen, sondern auch von potenziellen Kunden via Crowdfunding. Marketing und Vertrieb können automatisiert werden. Die Zusammenarbeit via Skype, Google oder Slack ändert sich ebenso.

Was daraus folgt, bedeutet eine grundlegend neue Deutung des Unternehmerbegriffs. „Man muss heute nicht unbedingt dem klassischen Bild des Entrepreneurs entsprechen, mit viel Charisma und Persönlichkeit, um erfolgreich zu gründen“, sagt Recker. Das sei auch deshalb eine wichtige Erkenntnis, weil sich die Forschung bisher vor allem auf den genialen Gründer-Typ à la Elon Musk fokussiert habe. „Der Begriff des Unternehmers“, so Recker, „müsste heute aber weiter gefasst sein.

Welche Betriebswirtschaftler im deutschsprachigen Raum forschen besonders gut? Wer zählt zu den Altmeistern - und wer zu den Jungstars? Ein exklusives Ökonomen-Ranking der WirtschaftsWoche liefert Antworten. Die vollständige Übersicht finden Sie hier.

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