Covestro-Personalchefin „Kein Auslandssemester ist kein K.o.-Kriterium“

Wie findet Covestro geeignete Mitarbeiterinnen? Und vor allem: wo? Quelle: Getty Images

„Das eine ist die Ausbildung und das andere die berufliche Realität“: Covestro-Personalchefin Sophie von Saldern erklärt, worauf sie bei Bewerbern achtet und von welchen Unis sie diese besonders gerne rekrutiert.

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Selbst Dax-Konzernen wie Covestro fällt es nicht leicht, Nachwuchs zu finden. Sophie von Saldern sucht ihn – weltweit. Sie ist die globale Personalchefin des Leverkusener Chemieunternehmens mit 18.000 Mitarbeitern. 2015 aus dem Bayer-Konzern hervorgegangen, gehört Covestro seit 2018 zum Deutschen Aktienindex. Im Interview spricht von Saldern darüber, wie sie und ihre Kollegen potenzielle Kandidaten ansprechen, welche Voraussetzungen diese mitbringen müssen und mit welchen Unis Covestro zusammenarbeitet. Eine davon landet im WiWo-Hochschulranking 2022 gleich in mehreren Kategorien auf Platz 1.

WirtschaftsWoche: Frau von Saldern, wie viele Fachkräfte fehlen Ihnen aktuell? 
Sophie von Saldern: Das kann ich nicht mit einer Zahl beantworten. Denn es geht hierbei ja nicht nur um die Anzahl der offenen Stellenausschreibungen. Der Mangel macht sich dadurch bemerkbar, dass jede Stelle mehr und mehr Aufwand benötigt. Er bemisst sich also nicht so sehr daran, wie viele Stellen wir noch nicht besetzt haben, sondern dass es sehr aufwändig und zeitintensiv geworden ist, neue Kollegen zu finden. 

Welche Bereiche stehen bei Covestro besonders im Fokus? 
Das sind in erster Linie natürlich die, in denen wir zu Hause sind: Mint-Fächer und insbesondere Chemie.

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Worauf achten Sie bei Bewerbern? 
Das Fachwissen ist sehr wichtig. Natürlich haben Berufseinsteiger nicht die Tiefe im Wissen, aber das eignet man sich über die Jahre an. Bei ihnen spielt eine große Rolle, dass die Verbindung zum Unternehmen stimmt, dass sie sich mit unserer Kultur anfreunden. Das wird sonst keine freudvolle Zusammenarbeit über die Jahre.

Was ist wichtiger: Praxiserfahrung oder der Abschluss? 
Das ist nicht das eine oder das andere. Natürlich sehen wir es sehr gerne, wenn Menschen schon in Unternehmen reinschnuppern. Aber auch das lässt sich nachholen. Wenn sich jemand sehr engagiert hat, etwa für Praktika, zeigt das einfach ein Interesse. Daraus leiten wir ab, dass da jemand ist, der oder die weiß: Das eine ist die Ausbildung und das andere die berufliche Realität. Und mit der hat er oder sie sich schon beschäftigt. Während man studiert, ist einem oft nicht bewusst: Je mehr Berufserfahrung man hat, desto mehr treten das Studium und der Abschluss in den Hintergrund. 

Sophie von Saldern war früher Basketball-Nationalspielerin. Heute ist die Arbeits- und Organisationspsychologin Personalchefin des Chemiekonzerns Covestro. Quelle: PR

Interessiert Sie, was bei Bewerberinnen und Bewerbern vor dem Studium im Lebenslauf steht? 
Alles interessiert uns – nicht nur vor dem Studium, sondern auch währenddessen. Die Schulzeit vielleicht nicht ganz so stark, aber natürlich ist auch dieser Abschluss ein Meilenstein. Wir wollen einen realistischen Blick auf die Persönlichkeit: ob sie oder er sich sozial engagiert, wie sie oder er sich einbringt in die Welt. Dieses Wissen gibt uns ein Indiz, ob das eine gemeinsame Erfolgsgeschichte wird. Wir wollen wissen, ob jemand Lust auf Neues, Wachstum und Entwicklung hat. Über strukturierte Interviews als Teil des Einstellungsverfahrens schaffen wir eine Vergleichbarkeit zu anderen Bewerbern. 

Wie wichtig sind Ihnen Englischkenntnisse?  
Sie sind unabdingbar. Viele von uns arbeiten täglich mit Kollegen in China und den USA zusammen. Da reicht kein Small Talk, da muss man in den Fachthemen sicher sprechen können.  

Bereiten die Unis die Studenten ausreichend auf diese Anforderungen vor? 
Ich spüre zumindest eine deutliche Verbesserung. Viele Teilstudiengänge werden auf Englisch angeboten. Das System aus Bachelor und Master führt dazu, dass immer mehr Englisch in der Uni lernen. Das ist ein sehr anständiges Niveau.

Stellen Sie jemanden ohne Auslandsaufenthalt überhaupt noch ein? 
Doch, natürlich. Kein Auslandssemester ist kein K.o.-Kriterium. Uns geht es um eine interkulturelle Kompetenz. Dass der Mensch für andere Kulturen offen ist und auch bei uns im Unternehmen in der Lage ist, sich in andere Kulturen hineinzuversetzen. Ein Auslandsaufenthalt ist eine Möglichkeit, das zu erreichen.  

Nicht jeder kann sich so ein Semester woanders finanziell leisten. 
Absolut. Wir würden uns Kandidaten vorenthalten, wenn wir danach gingen. Das ist absolut nicht in unserem Sinn. Wir wollen den Bewerberpool möglichst groß halten. 

Von welchen Hochschulen rekrutieren Sie besonders gerne neue Mitarbeiter?  
In Deutschland haben wir Kooperationen mit der RWTH Aachen, der TH Köln, der Hochschule Esslingen und der Universität Münster. Dort ist unser Interesse zu rekrutieren natürlich besonders stark. Die räumliche Nähe ist immer noch ein relevanter Faktor – siehe Köln, Aachen, aber auch Münster. Unsere Partnerunis haben jeweils spezifische Schwerpunkte. Esslingen hat einen Studiengang „Chemieingenieurwesen Farbe und Lacke“. Das passt super. Wenn jemand einen solchen Schwerpunkt hat, bringt er schon eine richtige Tiefe mit.  

Wodurch zeichnen sich Aachen, Köln und Münster aus? 
Münster hat eine sehr gute Reputation in BWL. Die Universität hat ein spezielles Talentprogramm entwickelt, in das wir uns als Unternehmen einbringen können und so mit den Studierenden in Kontakt treten, zum Beispiel über Bewerbungstraining, Vermittlung von Werkstudententätigkeiten und Praktika. An der TH Köln sind es die Studiengänge Supply Chain & Logistik und die Verfahrenstechnik, mit denen wir zusammenarbeiten. Mit der RWTH Aachen haben wir das CAT Catalytic Center, ein Zentrum für Katalysechemie, ins Leben gerufen.

Was haben die Studenten von so einer Kooperation?  
Wir bieten ihnen den Vorteil, zum Beispiel durch ein Praktikum frühzeitig eine Bindung zu Covestro aufzubauen – bevor sie in das Bewerbungsverfahren kommen. Das verschafft ihnen einen Vorsprung. Und sie erhalten einen Einblick in die Denkweise der Industrie.

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Wie kommunizieren Sie mit Universitäten und FHs über mögliche Bewerber und Bewerberinnen? 
Wir haben Ansprechpartner im Personalbereich, aber auch in den Fachbereichen. Unsere Mitarbeitenden halten Gastvorträge und Vorlesungen, gehen zu Hochschulmessen, bieten Schnuppertage und Praktika an. Der Kampf um Talente ist kein Buzzword-Bingo, sondern Realität. Dem müssen wir uns stellen. Und da Covestro an den Hochschulen noch nicht so bekannt ist wie etwa die frühere Muttergesellschaft Bayer, fangen wir so früh es geht an: an den Schulen, mit dem Girls‘ Day und Mint-Angeboten. Wir sprechen die potentiellen Kandidaten auf Linkedin und anderswo konkret an und stellen uns vor.

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