Dekan Paul Danos im Interview "Kurzfristig sicher mehr Bewerber"

Der Dekan der renommierten MBA-Schule Tuck, Paul Danos, über die Folgen der Finanzkrise für die Business Schools und notwendige Änderungen im Lehrplan.

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Danos, 65, ist Chef der ersten Business School der Welt: Die Tuck School, im US-Bundesstaat New Hampshire

WirtschaftsWoche: Herr Danos, ist die Finanzkrise für die Business Schools eher Fluch oder Segen?

Danos: Ein Segen ist sie sicher nicht. Natürlich wird die Nachfrage nach Absolventen vor allem im Bereich Investmentbanking sinken – aber in nächster Zeit werden die Bewerberzahlen erst mal steigen ...

... weil sich die MBA-Studenten so weiterbilden und gleichzeitig die Krise aussitzen können?

Das kommt auf die Perspektive an. Kurzfristig erwarte ich definitiv mehr MBA-Interessenten. An unserer Schule haben wir in diesem Jahr 15 Prozent mehr Bewerber als 2007 – und das war schon ein Rekordjahr. Langfristig sieht das etwas anders aus, das wissen wir seit dem Platzen der Internet-Blase 2001: Im ersten Jahr nach der Krise stiegen die Bewerberzahlen, im zweiten Jahr sanken sie.

Bisher setzen die meisten Business Schools auf eine praxisorientierte Ausbildung mit vielen Fallstudien und wenig Theorie. Wird diese Ausrichtung so bestehen bleiben?

Definitiv nicht. Die Finanzkrise hat eindrucksvoll gezeigt, dass viele Banker und Manager ihre eigenen Produkte überhaupt nicht mehr verstanden haben. Vielen mangelte es an theoretischen Kenntnissen.

Werden sich deshalb die Lehrpläne der Schulen ändern?

Davon gehe ich aus. Nach der Insolvenz des US-Konzerns Enron im Jahr 2001, dem haarsträubende Management-Fehler vorausgingen, riefen viele Schulen Ethik-Kurse ins Leben. Auch jetzt müssen alle Business Schools reagieren...

... und dann welche Schwerpunkte setzen?

Ganz oben auf der Liste stehen sicher die Bereiche Finanz- und Geldpolitik sowie die Regulierung von Finanzmärkten.

"Vielen fehlen theoretische Kenntnisse“

Das klingt aber weniger nach MBA-typischer Praxisorientierung, sondern mehr nach theoretischer Ökonomie.

Aber genau diese Themen sind jetzt enorm wichtig. Bisher spielten Theorien und ökonomische Modelle im MBA-Studium nur eine untergeordnete Rolle.

Warum?

In der Ära des früheren US-Notenbankchefs Alan Greenspan wurde der Regulierung von Finanzmärkten keine Beachtung geschenkt. Man glaubte, alles werde gut, so lange man den Märkten freie Hand lasse. Die Erfahrung der vergangenen Monate hat uns auf bittere Weise das Gegenteil gelehrt.

Also müssen MBA-Studenten in Zukunft vermehrt Theorien büffeln?

Wenn die Business Schools weiterhin erstklassige und verantwortungsbewusste Manager ausbilden wollen, führt daran im Studium kein Weg vorbei. Die klassischen Fallstudien bleiben zwar weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Aber allein mit deren Hilfe lernt man noch nichts über das Funktionieren von Finanzmärkten

Was haben Sie an der Tuck School of Business denn schon unternommen?

Wir haben bereits Kurse ins MBA-Programm aufgenommen, die sich mit der Subprime-Krise, ihren Ursachen und Auswirkungen beschäftigen. Außerdem lehren wir unseren Studenten jetzt mehr über Geldpolitik.

Bisher richten sich die Business Schools sehr stark an Studenten, die Karriere in der Finanzbranche machen wollen. Dort werden derzeit aber eher Leute entlassen als eingestellt. Müssen die Schulen ihre Zielgruppe überdenken?

Das sehe ich nicht so. Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass alle MBA-Absolventen Investmentbanker werden wollen. Von uns gehen in diesen Bereich aber nur 20 Prozent, an vielen anderen Schulen ist es ähnlich. Der überwiegende Teil will ins Marketing, zu Unternehmensberatungen oder in die Finanzabteilungen von Konzernen. Und diese Jobs wird es ja auch weiterhin geben.

Also werden die Business Schools die Krise unbeschadet überstehen?

Die großen, renommierten Schulen auf jeden Fall. Kurzfristig werden vor allem diejenigen Probleme bekommen, die stark auf die Finanzbranche ausgerichtet sind. Langfristig können die Schulen aber gestärkt aus der Krise herausgehen – wenn sie ihre Lehrpläne entsprechend anpassen.

Aber mit den exorbitanten Einstiegsgehältern ist es erst einmal vorbei ...

... ja. Es wird vor allem in der Finanzbranche sicher eine stärkere Regulierung der Vorstandsgehälter geben. Das halte ich auch für sinnvoll. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass diese Branche auch in fünf Jahren immer noch die höchsten Gehälter zahlt – wenn auch auf einem niedrigeren Niveau als heute.

Wie wichtig sind in Zeiten der Krise und der Stellenkürzungen die großen Alumni-Netzwerke der Business Schools?

Die Netzwerke waren immer wichtig, jetzt steigt ihre Bedeutung noch mehr. Wenn ein Absolvent seinen Job verliert, kann er im Intranet Adressen und Telefonnummern der Alumnis nachschlagen.

Und die verschaffen ihm dann einen neuen Arbeitsplatz?

Das ist natürlich der Optimalfall. Die Business Schools haben dafür außerdem eigene Karriere-Abteilungen, die in Krisensituationen helfen können. Die Verbindungen der MBA-Absolventen untereinander bleiben ein Leben lang bestehen.

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