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Der Bluff des Zentralabiturs Abitur auch ohne Wissen möglich

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Studierunfähige Abiturienten

Die empirische Bildungsforschung will, dass die Politik noch mehr Geld ins Testen statt ins Lernen steckt. Dabei sind ihre Methoden mehr als zweifelhaft. Ein Gastbeitrag des Didaktik-Professors Hans Peter Klein.

Selbst in der Hamburger Behörde müssten den Verantwortlichen Zweifel gekommen sein, ob diese Aufgabe für Grundschüler oder für Abiturienten erstellt wurde. Willkommen in der virtuellen Scheinwelt der "Kompetenzorientierung"! Frei nach dem Motto „Mehr Schein als Sein“. Wie unsere weiteren Untersuchungen zeigen, betrifft diese Nivellierung in gleicher Weise auch die Leistungskurse, die in den letzten Jahren in immer mehr Bundesländern gegenüber dem „grundlegenden Niveau“ der Grundkurse als Kurse auf „erhöhtem Niveau“ betitelt werden.

Das bloße Bestehen der von uns in Mathematik untersuchten Klausuren mit einer bescheidenen Note war beim grundlegenden und erhöhten Niveau annähernd äquivalent. Das wurde 2013 durch wörtlich gleiche Aufgabenteile bewirkt, deren Punkte in der Summe bereits zum Bestehen ausreichten. Somit ist das ”erhöhte Niveau“ zunehmend nur als eine Worthülse zu betrachten. Das Ergebnis des Vergleichs der Aufgaben von 2005 und 2010 weist den eindeutigen Niveauverfall im Hamburger Zentralabitur entgegen den Aussagen von KESS 12 nach.

Wie unsere laufenden Vergleiche zeigen, findet die Nivellierung fachlicher Ansprüche längst nicht nur in Hamburg statt, sondern insbesondere in den alten Bundesländern. Überraschenderweise gibt es in dem ein oder anderen neuen Bundesland, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, durchaus fachlich anspruchsvolle Aufgabenformate, die mit den hier beschriebenen nicht annähernd etwas zu tun haben. Auch werden hier in Biologie Themenbereiche wie Zellbiologie und Stoffwechselphysiologie geprüft, die in den alten Bundesländern wegen ihres deutlich höheren Schwierigkeitsgrades längst aus dem Zentralabiturkanon gestrichen sind.

Man muss fragen, ob solche Aufgabenformate den Ansprüchen des Faches und den Anforderungen der Universitäten gerecht werden und ob solche lesekompetenzorientierten Aufgabenformate an den Hochschulen überhaupt vorkommen. Alle drei Fragen können klar verneint werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das dieses Bildungskonzept auf der einen Seite mit Millionenbeträgen aus Steuergeldern unterstützt, stellt auf der anderen Seite den Universitäten eben solche Beträge zur Verfügung, um nicht studierfähige Abiturienten in Brückenkursen insbesondere wegen ihrer fachlichen Mängel studierfähig zu machen.

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