




Vor rund 15 Jahren wurde in der italienischen Universitätsstadt Bologna die gleichnamige Erklärung für eine Europäische Studienreform unterzeichnet. Seitdem haben sich die Hochschulsysteme grundlegend verändert: Der tiefste Einschnitt in Deutschland war die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse, die sowohl von Studenten und Hochschulen als auch von Unternehmen im Vorfeld stark kritisiert wurde. Nachdem die ersten Akademiker mit den neuen Abschlüssen auf den Arbeitsmarkt drängten, gaben die Unternehmen zunächst Entwarnung: So schlimm sei es gar nicht mit den neuen Absolventen. Auch 2011 war die Mehrheit der deutschen Führungskräfte noch ganz zufrieden.
Doch je mehr Unternehmen Erfahrung mit Bachelor- und Masterstudenten machen, desto größer wird die Unzufriedenheit, wie eine Unternehmensbefragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und den IHKs unter mehr als 2000 deutschen Betrieben zeigt. 55 Prozent der Befragten haben bereits Erfahrungen mit Bachelor-Absolventen gemacht, ein knappes Drittel hat Absolventen von Master-Studiengängen im betrieblichen Umfeld kennengelernt.
Jobchancen für Arbeitslose: So stehen die Chancen in den einzelnen Bundesländern
Zu Jahresbeginn ist der Arbeitsmarkt im Aufwind. Laut der Arbeitsmarktstudie einer Job-Suchmaschine kommen in Deutschland dennoch auf eine offene Stelle 5,96 Arbeitslose. Es gibt jedoch große regionale Unterschiede, was die Konkurrenz um vakante Jobs angeht.
Baden-Württemberg ist das Bundesland mit den besten Jobchancen für Arbeitslosen. Mit lediglich 1,81 Arbeitslosen pro offener Stelle ist hier die Konkurrenz um einen Job deutschlandweit am niedrigsten.
In Bayern konkurrieren zwei Arbeitslose (1,91) um einen Job.
Hamburg belegt mit durchschnittlich 1,95 Arbeitslosen pro offener Stelle Platz drei unter den Top-Bundesländern. Insgesamt kommen im Stadtstaat 71.935 gemeldete Arbeitslose auf 36.836 offene Stellen.
In Hessen sind 179.124 Menschen arbeitslos gemeldet. Demgegenüber stehen 61.110 offene Stellen. Auf einen Job kommen also fast drei mögliche Bewerber (2,93). Damit liegt Hessen immer noch auf Platz vier der Bundesländer, die die besten Jobchancen für Arbeitslose bieten.
Berlin schafft es mit 3,5 Arbeitslosen pro Stelle gerade noch in die Top 5. Verglichen mit dem Spitzenreiter Baden-Württemberg ist es in der Hauptstadt fast doppelt so schwer, einen Job zu finden.
In Bremen stehen 36.679 arbeitslos gemeldete Personen 8.352 vakanten Stellen gegenüber. Auf jeden Job kommen also 4,39 potentielle Bewerber.
In NRW kommen auf eine offene Stelle 5,32 Arbeitssuchende. Damit belegt das Bundesland Platz sieben im Ländervergleich.
Mit 5,77 Jobsuchern pro offener Stelle ist Rheinland-Pfalz auf Platz acht.
161.544 Menschen sind in Sachsen arbeitslos gemeldet. Demgegenüber stehen 26.847 offene Stellen. Auf einen Job kommen also 6,02 Bewerber.
Noch etwas größer ist die Konkurrenz in Thüringen: Hier kommen 79.514 Arbeitslose auf 12.948 Stellen. Um einen Job konkurrieren also statistisch gesehen 6,14 Menschen.
Im Norden Deutschlands kommen auf eine offene Stelle 6,3 Bewerber. Jedenfalls stehen 100.271 Arbeitslosen 15.909 offene Stellen gegenüber.
Das Saarland kommt mit 9,53 Arbeitslosen pro offener Stelle unter die Flop 5 der deutschen Bundesländer.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind die Aussichten für arbeitslose, einen Job zu finden, eher gering. Hier kommen 11,27 Arbeitslose auf eine offene Stelle.
In Brandenburg stehen 108.034 Arbeitslose 9.424 offenen Stellen gegenüber. Damit kommen 11,46 Arbeitslose auf eine Stelle.
Am schlechtesten sind die Jobchancen in Sachsen-Anhalt: Hier kommen 11,54 arbeitslose Menschen auf eine offene Stelle. Im bundesweiten Vergleich kann es für Bewerber daher doppelt so schwer sein, einen Job zu finden. Verglichen mit dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg,
Bayern oder Hamburg sogar sechsmal so schwer.
Haben im Jahr 2011 noch 63 Prozent der Befragten gesagt, sie seien mit den Hochschulabsolventen zufrieden, so gaben 2015 nur noch 47 Prozent an, dass die Qualifikationen der Jobeinsteiger zufriedenstellend seien. Gleichzeitig können nur rund 16 Prozent der Betriebe der Aussage zustimmen, dass Bachelor-Absolventen gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet sind, heißt es in der Studie.
Besonders unzufrieden sind Unternehmensberatungen oder Gesundheitsdienstleister und Betriebe aus der Tourismuswirtschaft. Sie beschweren sich über das rein theoretische Wissen der vermeintlichen Fachkräfte, denen aber jegliche Anwendungsorientierung fehle. Deutlich zufriedener sind die Branchen Verkehr und Logistik sowie Banken und Versicherungen mit ihren Jobeinsteigern.
Viele überleben die Probezeit nicht
Doch trotz der Unzufriedenheit der Arbeitgeber haben die Bachelorabsolventen kein Problem, einen Job zu finden - 69 Prozent der Unternehmen haben in den letzten beiden Jahren ihre offenen Bachelor-Stellen besetzen können. "Allerdings ist es für die Unternehmen nicht selten erforderlich, Bachelor-Absolventen „On-the-Job“ passgenau nachzuqualifizieren, um Defizite auszugleichen", wie es bei der DIHK heißt. Schwierig bis unmöglich ist das für kleine Betriebe, die nicht das Budget oder das Personal haben, um die Uniabsolventen noch entsprechend auf den Beruf vorzubereiten. Deshalb überstehen 20 Prozent der jungen Arbeitskräfte ihre Probezeit nicht.
Die Gründe variieren nach Branchen und Unternehmensgrößen: Im Produzierenden Gewerbe und der IT- und Medienwirtschaft sind ungenügende fachlich-methodische Kompetenzen mit 58 Prozent der häufigste Grund, einen Bachelorabsolventen nicht weiter zu beschäftigen. In der Logistikbranche beschweren sich Unternehmer über mangelnde persönliche Kompetenzen der jungen Kräfte. 63 Prozent müssen wegen der fehlenden Soft Skills gehen. Im Handel sind es 57 Prozent.
Die Einstiegsgehälter der High Potentials
Deutschland und die Schweiz zahlen ihren Top-Talenten deutlich mehr als die Arbeitgeber in Österreich, dort sind die Jahresgehälter deutlich niedriger: Ein High Potential in Deutschland bekommt bei gleicher Qualifikation und identischen Aufgaben rund 10.000 Euro mehr pro Jahr als sein Kollege in Österreich. „Das geringere Niveau bei den Einstiegsgehältern macht es vielen österreichischen Unternehmen schwer, High Potentials aus den Nachbarländern Deutschland und Schweiz zu rekrutieren“, so Christoph Dovits von Kienbaum in Wien. Auch zwischen Fachhochschul- und Uniabsolventen gibt es Gehaltsunterschiede. Studenten von Universitäten verdienen pro Jahr bis zu 3000 Euro mehr. Aber auch bei den Absolventen einer Universität gibt es Differenzen.
...beim Einstieg in ein Unternehmen im Mittel rund 44.000 Euro pro Jahr.
...nur 400 Euro mehr als die Bachelor-Absolventen. 44.400 Euro Einstiegsgehalt winkt den Studenten mit Diplom. Macht Platz drei im Ranking. Und das, obwohl sie in Deutschland die gefragtesten Kräfte sind.
Die Absolventen mit einem Master kommen mit 46.500 Euro Einstiegsgehalt auf Platz zwei.
Die laut Studie gar nicht so beliebten Doktoren verdienen am meisten: Wer die Universität mit Promotion verlässt, bekommt in Deutschland ein durchschnittliches Jahresbruttogehalt von 52.200 Euro. Und das zum Einstieg.
Dabei erwarten die Unternehmen keine Wunder: Zu den wichtigsten Kompetenzen, die die Befragten nannten, gehören Teamfähigkeit, selbständiges Arbeiten, Einsatzbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit. Doch daran mangelt es offenbar. Die vielgelobten Auslandserfahrungen und interkulturelle Kompetenzen spielen für die Mehrheit der Unternehmen keine herausragende Rolle.
Immerhin: Die Trennungsrate ist gesunken. 2011 setzten die Unternehmen noch 34 Prozent der Absolventen vor Ablauf der Probezeit wieder vor die Tür. Der Rückgang liegt allerdings auch daran, dass die Unternehmer wegen des demographischen Wandels immer weniger Bewerbungen bekommen. Da behält man lieber, was man hat - auch wenn man mit dem Mitarbeiter unzufrieden ist. Jedenfalls dann, wenn er nicht allzu teuer ist. Unternehmen, die Bachelor-Absolventen als Bewerber ablehnen, tun dies nicht nur wegen der mangelnden fachlichen und sozialen Kompetenzen. Jeder Zehnte beschwert sich über überzogene Gehaltsvorstellungen der Jung-Akademiker.
Mittlerweile reagieren auch die europäischen Bildungsminister auf die Kritik aus der Wirtschaft: Das Bachelor-Studium soll stärker auf den Arbeitsmarkt zugeschnitten werden. Bei einer zweitägigen Konferenz im armenischen Eriwan Mitte Mai vereinbarten die Bildungsminister als konkretes Ziel, Hochschulen sollten mehr mit Firmen kooperieren und praxisnähere Studiengänge anbieten. Absolventen, auch bereits diejenigen mit einem Bachelor nach nur sechs Semestern, müssten „arbeitsmarktfähig werden für sich rasch verändernde Arbeitsmärkte, die von technischer Entwicklung und neuen Berufsbildern geprägt sind“.
Das kommt auch den Forderungen der vom DIHK befragten Unternehmen entgegen. 40 Prozent sehen es nicht als ihre Aufgabe, die jungen Menschen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Sie wollen fertige Fachkräfte, die für sie arbeiten und niemanden, dem sie erst erklären müssen, wie der Job funktioniert.