Eliteinternat in St. Gallen „Teure Handtaschen oder Luxusuhren sind eher der oberen Mittelschicht wichtig“

Das Institut auf dem Rosenberg verlangt 150.000 Franken für ein Schuljahr – also um die 154.000 Euro. Quelle: PR

Eltern müssen über 150.000 Euro auf den Tisch legen – pro Schuljahr: Der Institutsleiter eines Schweizer Eliteinternats über Unternehmerkinder und ihre Ausbildung, Statussymbole und Drogentests.

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Dieses Interview mit Bernhard Gademann, Leiter des Schweizer Eliteinternats St. Gallen, wurde im Mai 2023 geführt. Wir zeigen es aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

WirtschaftsWoche: Herr Gademann, Sie leiten das wohl teuerste Internat der Welt. Wie viele Luxuslimousinen reihen sich bei Ihnen auf dem Rosenberg, wenn ein neues Schuljahr beginnt – samt Designerkleidung, teuren Handtaschen, Pelzmänteln?
Bernhard Gademann: Das ist natürlich eine Klischeevorstellung. Die meisten unserer Schülerinnen und Schüler kommen mit dem Zug vom Flughafen. Ich will es vorneweg nehmen: Wer bei uns mit dem Wohlstand und den Errungenschaften seiner Familien angibt, der ist, das sage ich auch den Schülern knallhart, ein Loser. Teure Handtaschen oder Luxusuhren, sowas ist eher der oberen Mittelschicht wichtig. Unsere Familien sind auf einem Level, wo Statussymbole egal sind.

Weil sie alle so reich sind, dass es keine Abgrenzung mehr wäre?
Die Schüler bekommen bei uns und bei ihren Freunden nicht mehr Anerkennung dadurch.

Also kein Privatjet mit diskretem Landeplatz; kein Chauffeurdienst zum Internat?
Auch diese Form der Anreise kann es geben. Aber es interessiert niemanden.

Bernhard Gademann

Was zahlen Eltern bei Ihnen für die Ausbildung ihrer Kinder?
Eltern können pro Schuljahr mit 150.000 Franken rechnen. Unser System besteht aus Grundgebühren und individuellen Gebühren: Fährt das Kind Ski, belegt es bestimmte Zusatzkurse – je nachdem variieren die Gebühren. So oder so erhalten die Kinder dafür ein exzellentes Programm.

An teuren Privatschulen gibt es oft Wartelisten. Auch bei Ihnen?
Ja. Grob gilt: Auf vier Anmeldungen gibt es einen Internatsplatz. Gerade in den Klassen 11 und 12 nehmen wir zu diesem Zeitpunkt im Jahr eigentlich niemanden mehr auf. Wir achten bei der Zulassung auch auf Diversität, unser Internat besuchen Kinder aus 55 verschiedenen Nationen und wir wollen eine gute Mischung in den Klassen.

Wohnen

Dann bekommt ein Italiener in Klasse 8 vielleicht keinen Platz mehr, aber eine Kubanerin?
Richtig. 

Gibt es auch Stipendien?
Eine ganz geringe Zahl, wir haben nicht mehr als fünf pro Jahr – wir erhalten keine staatliche oder andere Unterstützung dafür. Die Plätze sind alle belegt und auch schon den Vorjahren vorgemerkt. Die Nachfrage ist hoch, aber wir können sie nicht erfüllen.

Sie sagten eingangs, Statussymbole spielen bei Ihnen keine Rolle mehr, sie sind überwunden. Was bedeutet für Sie der Begriff Elite?
Die Elite ist eine Gruppe von Personen, die über Erfahrungen, Wissen und die richtigen Tugenden verfügen, mit denen sie Führungspositionen übernehmen können. Das ist nicht verwerflich, denn sie können so einen positiven Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft haben. Wir möchten alle, dass das Flugzeug von einem Piloten geflogen wird, nicht von einem Mechaniker.

Wissen Ihre Schülerinnen und Schüler um ihre Privilegien?
Das ist ein wichtiger Punkt – privilegiert zu sein, ist per se nicht das Problem. Das Problem ist, privilegiert zu sein und sich dessen nicht bewusst zu sein. Auf der einen Seite sind die unglaublichen Chancen, auf der anderen Seite die Verantwortung, die damit einhergeht – das kann problematisch sein. Wir setzen uns damit viel auseinander, das ist Teil unserer Schulkultur. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich untereinander für ihre Persönlichkeiten respektieren, für ihre Freundschaften und eigenen Errungenschaften.

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Sie bieten verschiedene Abschlüsse. Welche stehen bei den Familien am höchsten im Kurs? 
Beliebt sind das International Baccalaureate Diploma, die britischen A-Levels und auch die Advanced Placements, die an den Top-Unis in den USA sehr beliebt sind, aber auch in Deutschland oder der Schweiz Zugang zu guten Hochschulen ermöglichen. Das Institut auf dem Rosenberg bietet jedem Schüler ein individuelles Lehrprogramm. Wir nehmen die Ziele des Schülers und arbeiten von da an rückwärts: Wo will er oder sie studieren? Welche Prüfungen müssen dafür bestanden, welche Praktika absolviert werden? Welche Enrichtmentkurse zahlen auf dieses Ziel ein?

Bildungsangebot auf dem Campus

Dafür bezahlen die Familien viel Geld. Wer sind Ihre Kunden?
Meistens kommen die Kinder aus Unternehmerfamilien. Auch da haben wir eine Vielfalt – von der achten Generation eines Familienunternehmens bis zur ersten Generation der Gründer eines Tech-Konzerns aus dem Silicon Valley. Wir haben viel Einsicht in die Wirtschaft durch die Eltern. Wohin entwickelt sich der Arbeitsmarkt, wie entwickeln sich Geschäftsmodelle? Solche Inhalte können wir dann in einen Kurs einfließen lassen. Das ist eines der Probleme, die andere Schulen haben: Realität und Schulstoff klaffen massiv auseinander.

„Keiner unserer Schüler muss CEO werden“

Ist das den öffentlichen, häufig klammen Schulen gegenüber fair? Viele sind angesichts des Lehrermangels schon froh, wenn sie ihren Unterricht regulär durchführen können.
Ich meine damit sowohl öffentliche als auch private Schulen. Wichtig ist es, neue Dinge auszuprobieren. Viele unserer Errungenschaften sind nicht unbedingt von den Finanzen abhängig, sondern eine Einstellungssache. Wir haben das Privileg, Dinge ausprobieren und Innovationen vorantreiben zu können. Vieles könnte man aber auch an einer öffentlichen Schule umsetzen.

Zum Beispiel?
Es ist doch so: Die Eltern sind unglücklich, die Lehrer sind unglücklich, die Schüler auch. Man sollte zurück zum Ursprung gehen: Die Einrichtung hat beispielsweise 700 Schüler, einen Auftrag – und limitierte Ressourcen. Künstliche Intelligenz beispielsweise kann jetzt schon in der Lehre unterstützen. Und bei uns kann beispielsweise ein Neuntklässler mit den Zwölftklässlern im Mathekurs sitzen. Und umgekehrt geht es genauso. Es ist kein Wunder, dass sich Schüler an traditionellen Schulen nicht für den Stoff interessieren – der ist oft langweilig und veraltet. In einem Kursbuch, das nur fünf Jahre alt ist, stimmt schon vieles nicht mehr!

Mutmaßlich landen viele Ihrer Schüler in einflussreichen Positionen. Wie bereiten Sie ein Kind darauf vor, CEO zu werden?
Keiner unserer Schüler muss CEO werden. Er kann. Das ist mir wichtig. Unserer Eltern bewegen sich in Sphären, wo dieser Druck weg ist. Die Philosophie der Eltern, aber auch bei uns geht in eine andere Richtung: Es ist egal, was der Schüler oder die Schülerin macht, ob sie Ingenieurin oder Designer werden wollen. Der Anspruch ist aber, dass der- oder diejenige versucht, so viel Wert wie möglich in dem Bereich zu generieren, das Beste zu geben, zu Hundertprozent dahinterzustehen.

Kursangebot

Ist das nicht illusorisch, wenn man in den Kreisen eines Familienunternehmens aufwächst und im Subtext das Thema Nachfolge von klein auf mitschwingt?
Ich habe mal das Zitat einer Mutter gehört, die dazu sagte: Es ist ein goldener Käfig, aber das Türchen ist offen. Es besteht kein Zwang. Und man kann Literaturwissenschaften studieren und danach immer noch Chefin eines Tech-Unternehmens werden. Eltern, die ihre Kinder zu uns schicken, suchen sich diese Philosophie auch bewusst aus Wir wollen, dass unsere Schüler Leidenschaften finden und verfolgen. Unsere Schüler haben einen riesigen Vorsprung im Leben – und sie haben Eltern, die ihnen die Wahl des Berufs überlassen. Der einzige Druck ist, selbst etwa zu kreieren. Wir wollen keine Durchschnittlichkeit. Das muss aber nicht heißen, dass Erfolg nicht auch auf kleinem Level stattfinden kann – als Künstlerin, als Architekt oder eben als CEO, die eine Konzernstruktur baut und Aktionäre managt.  

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Sie bieten genau das auch in Ihren Kursen an: Geldanlage, Unternehmensnachfolge. 
Wir wollen dieses Angebot machen und finden es wichtig, dass sich auch Kinder mit diesen Themen beschäftigen. Auch ein Siebtklässler kann eine tolle Meinung und Ideen dazu haben, wie eine Unternehmensnachfolge geplant werden kann. Aber: Wir haben viele spezifische Kurse, die den Schülern ein umfängliches Bild vermitteln sollen. Ein CEO muss die Geschichte der Menschheit verstehen, muss wissen, wie Politik und Naturwissenschaften funktionieren, wie sich Gesellschaften entwickeln, muss Zusammenhänge verstehen. Als Spezialist hat man keine Chance, erfolgreich zu sein.

Dem Institut auf dem Rosenberg gegenüber gibt es auch einige Vorbehalte. Immer noch gibt es das Image einer abgehobenen Super-Schule für Reiche, verschlossen gegenüber der Außenwelt. Stört Sie das?
Zu unserer Kultur auf dem Rosenberg gehört es, Menschen nicht vorzuverurteilen – dazu gehört auch, ob jemand arm oder reich ist. Wir beschäftigen uns damit, die absolut beste Ausbildung der Welt zur Verfügung zu stellen. Wir teilen unsere Expertise gerne. Wir haben ein Ziel und arbeiten konstant an uns, deshalb ist nicht so wichtig, was andere über uns sagen. Davon lassen wir uns nicht ablenken.

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Absolut, diese Drogentests gibt es. Da darf man auch nicht naiv sein, die und auch Alkoholtests ziehen wir durch. Wie sagt man: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Alles andere wäre unverantwortlich.  

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