Entwicklung von Pisa-Ergebnissen Gegen schlechte Lehrer kann das beste Schulsystem nichts ausrichten

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Angehende Lehrer stellen sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus

Dafür braucht es allerdings Rückgrat und Autorität. Das befürwortet auch Bernhard Bueb, der dreißig Jahre lang das Elite-Internat Schloss Salem geleitet hat. In seiner Streitschrift "Lob der Disziplin“ heißt es, dass es ohne Disziplin und die Anerkennung von Autoritäten kein selbstbestimmtes, glückliches Leben geben könne. Darüber darf man getrost verschiedener Meinung sein, aber dass Lehrer ihren Schülern Orientierung geben und deshalb von ihnen respektiert werden müssen, ist unstrittig.

Luxemburger Forscher haben außerdem festgestellt, dass ein autoritärer - will sagen: strenger, strukturierter, Grenzen aufzeigender - Lehrer gerade schwachen Schülern zu besseren Zensuren verhelfen kann, als einer, der sich nicht durchsetzen kann oder will. "Lehrer mit einem autoritären Unterrichtsstil interessieren sich klar für ihre Schüler, lenken sie und sind bei Problemen für sie da", resümiert Andreas Hadjar von der Universität Luxemburg. Und Erziehungswissenschaftler Zierer ist überzeugt, dass es vor allem Lehrer braucht, die sich einschalten, wenn es nötig ist.

Schüler wollen strenge Lehrer

Was sich viele vielleicht nicht vorstellen können: Genau solche Lehrer wünschen sich Kinder und Jugendliche. Laut einer Befragungen unter Siebtklässlern durch die Pädagogen Michael Feiten und Wilfried Bröckelmann müssen Lehrer "den Unterricht mit einer gewissen Strenge führen, sonst "macht jeder, was er will" und "die ganze Klasse quatscht und man lernt nichts". Alle würden dann denken, "dem ist das doch egal« und sich zu wenig anstrengen." Dagegen machen die Schüler bei strengen Lehrern ihre Hausaufgaben auch dann, wenn sie keine Lust dazu haben - einfach, weil sie keinen Ärger wollen.

Auch in der neunten Klasse, wenn die Pubertät also bei allen voll zugeschlagen hat, werden strenge Lehrer gegenüber dem Kumpeltyp bevorzugt. So gab Bastian in dieser Umfrage an, dass er sich "stärker konzentriert, als wenn er (der Lehrer) auf nichts achtet, und man dann automatisch mehr Mist baut." Was die Schüler nicht wollen, ist "bei falschen Antworten heruntergemacht" oder "bei jeder Kleinigkeit angemotzt" werden. Dafür sollen Lehrer Grenzen setzen, Fehltritte fair sanktionieren, Mut machen und Enttäuschungen aushalten helfen.

Angehende Lehrer können nicht mit Kindern umgehen

Dafür müssen die Lehrer sich allerdings nicht nur mit ihrem Fach identifizieren, sie brauchen auch schlicht Spaß am Job und am Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Hattie spricht von einem intellektuellen und emotionalen Engagement. Leider mangelt es daran häufig, wie Studien zeigen. So hat sich der Hochschul-Bildungs-Report, ein Gemeinschaftsprojekt von Stifterverband und McKinsey angehende Pädagogen vorgenommen und herausgefunden, dass nur 47 Prozent der Abiturienten, die Lehrer werden wollen, von sich selbst behauptet, gut mit Kindern umgehen zu können.

Für empathisch hielten sich 43 Prozent, 31 Prozent sagten, sie könnten gut erklären. Nur gut 25 Prozent glaubten, andere motivieren oder begeistern zu können. Und nur 16 Prozent sagten von sich, sie seien selbstbewusst. Für durchsetzungsfähig hielten sich 13 Prozent. Doch auch die Lehramtsstudenten sind unzufrieden: 50,2 Prozent halten ihre Betreuung für nicht gut bis schlecht, nur 30,9 Prozent halten den Praxisbezug ihres Studiums für gut oder sehr gut. Dabei sagen 90 Prozent der Studierenden, dass ihnen die Praxis sehr wichtig sei.

Eine Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung der Telekom-Stiftung zeichnet ein ähnliches Bild: Innovieren, also die ständige Weiterentwicklung eigener Kompetenzen und der Schule als Organisation, werde im Studium am wenigsten behandelt. Auch auf aktuelle Herausforderungen wie etwa Inklusion fühlen sich 60 Prozent der Studenten nicht gut vorbereitet. 75 Prozent beschweren sich, dass es bei Prüfungen nur um auswendig gelerntes Wissen und nicht um Anwendung gehe. "Auf das Unterrichten des jeweiligen Faches fühlen sich circa 53 Prozent der Studierenden nicht oder eher nicht gut vorbereitet", heißt es in der Studie. Und etwas mehr als die Hälfte hat nicht gelernt, Kompetenzen von Schülern im jeweiligen Fach zu erfassen.

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