Entwicklung von Pisa-Ergebnissen Gegen schlechte Lehrer kann das beste Schulsystem nichts ausrichten

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Der Lehrer entscheidet über den Erfolg

Schließlich arbeiten und lernen auch Erwachsene effektiver, wenn sie sich wohl fühlen. Psychologen der Michigan State Universität beispielswiese haben mit einem Experiment bewiesen, dass Menschen Aufgaben deutlich besser und schneller lösen, wenn sie davon ausgehen, dass sie wichtig sind und Spaß machen. Um das herauszufinden, ließen die Forscher Studenten Rätsel lösen. Zuvor erzählten sie einer der Gruppen, dass das Rätseln Spaß machen und ihrer Konzentrationsfähigkeit nützen würde. Die Kontrollgruppe bekam diese Hinweise nicht.

Das Ergebnis: Die Gruppe, die sich Spaß und Nutzen von der Aufgabe versprach, löste die Rätsel schneller und mit weniger Anstrengung als die andere. Kindern zu vermitteln, dass Lernen Spaß macht und sie im Leben weiter bringt, kann also nicht ganz verkehrt sein. Genauso wenig schädlich dürfte es sein, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Schüler wohl fühlen und gerne lernen.

Und hiermit sind wir wieder bei Hattie beziehungsweise der Rolle des Lehrers. Rund 140 verschiedene Faktoren, die für den Lernerfolg verantwortlich sein sollen, hat Hattie analysiert. Von der finanziellen Situation einer Schule über den angeblichen Vorteil von Privatschulen bis zur die Klassengröße. Letztere landet im Ranking übrigens auf Platz 106 - von 136. Ausschlaggebender Punkt sei immer der Pädagoge, der das Wissen vermittelt, so Hatties Ergebnis. System- und Strukturfragen des Bildungssystems spielten keine Rolle.

Nur Kuschelkurs bringt auch nichts

Auch Unterrichtsmethoden sind laut dem Pädagogen kaum von Bedeutung: Ob die Klasse nun Plakate malt, Gruppenarbeiten macht oder von der Tafel abschreibt, tut nichts zur Sache. Allerdings beweist Hattie, dass der sogenannte "Offene Unterricht" und die anderen Modelle und Lernformen der Reformschule - die besagte Kuschelpädagogik - alleine nur eine vergleichsweise schwache Wirkungen auf die kognitiven Leistung haben. Wer nur spielt und tanzt, lernt also nicht mehr als bei einem anderen Modell. Damit ein Lernfortschritt eintritt, sollten sich die Lernformen ergänzen.

Hattie betont dabei, wie wichtig es ist, dass die Methode dem Thema angemessen ist. Chemische Formeln lassen sich vermutlich nur schwer in einer Gruppenarbeit pauken, eine Buchbesprechung muss dagegen nicht im Frontalunterricht erfolgen. Da darf es dann auch der kreative Ansatz sein.

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Auch Zierer sagt: "Der Ort der Bildung ist die Interaktion und damit gibt es glückliche und gute Schüler, wenn der Lehrer in der Lage ist, mit ihnen in einer wertschätzenden und herausfordernden Lernumgebung zu arbeiten. Ob das nun ein Frontalunterricht ist oder ein völlig offenes Setting, das ist nicht entscheidend. Wichtiger als das, was Lehrer machen, ist, wie und warum sie es machen. Soll heißen: Weder ist der Frontalunterricht oder der Gruppenunterricht per se gut oder schlecht, noch ist die Schulstruktur per se entscheidend, sondern wichtiger ist, wie die Akteure damit umgehen."

Ohne Feedback geht es nicht

Damit ein Lehrer das leisten kann, darf er laut Hattie seinen Stoff nicht einfach dem Lehrplan gemäß durchkauen und hoffen, dass die Mehrheit das Klassenziel schon irgendwie erreichen wird. Er müsse sich zum Einen in die Schüler hineinversetzen und zum anderen im Dialog mit ihnen herausfinden, mit welchen Lernformen und Lernprozessen die Inhalte am besten in den Köpfen hängen bleiben. Dazu Zierer: "Jeder kennt schlecht gemachten Frontalunterricht, in dem ein Lehrer labert, ohne die Kinder zu erreichen. Gleiches gilt für die völlig offenen Setting mit einem Lehrer als Begleiter."

Um so etwas zu verhindern, brauche es eine Feedback-Kultur im Klassenzimmer - auch auf die Gefahr hin, dass sich der Pädagoge Kritik stellen muss. Das von Hattie präferierte Feedback-Modell würde im deutschen Schulalltag zwar vermutlich wegen des Zeitaufwands nicht funktionieren, aber nachfragen, ob die Schüler alles verstanden haben, sollte auch ohne große Evaluation möglich sein. Genauso wie auch die Lehrer ihren Schülern Rückmeldung zu deren Lernfortschritten geben können.

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