Flickenteppich Senioren strömen an die Universitäten

Gasthörerstudium, ein Zertifikatsstudium oder ein Programm wie die Mittwochsakademie speziell für Senioren – die Bezeichnungen für ein Studium von Menschen über 50 sind vielfältig.

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Senioren im Hörsaal Quelle: dpa

Das Seniorenstudium in Deutschland ist ein „Flickenteppich“, sagt Jochen Schneider vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland (AVDS). „Wir wünschen uns da schon ein wenig mehr Einheit mit ein paar Eckpunkten, die an allen Universitäten gleich sind.“ Deutschlandweit studieren 55.000 Menschen über 50 an den Hochschulen, oft sind sie zwischen 60 und 70 Jahren alt. Zu den beliebtesten Fächern der Senioren zählen dabei die klassischen Geisteswissenschaften, wie Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte. Unbeliebte Fächer gibt es kaum, schließlich besteht keine Verpflichtung einen Kurs überhaupt zu suchen.

Die unterschiedlichen Bezeichnungen stiften Verwirrung: An der Universität Jena wird beispielsweise kein klassisches Seniorenstudium angeboten: Senioren, die über eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung verfügen, können sich in einen normal grundständigen Studiengang einschreiben. Einen gesonderten Studienplan oder -inhalt gibt es nicht, wohl aber eine Gebühr in Höhe von 250 Euro, sollte der Senior oder die Seniorin das 60. Lebensjahr vollendet haben. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena wird zusätzlich eine Gasthörerschaft sowie die Veranstaltungsreihen des „Seniorenkolleg“ und das „Studium Generale“ angeboten.

Die Leibniz-Universität in Hannover hingegen bietet ein Zertifikatsstudium, die es älteren Menschen die Möglichkeit bietet, auch ohne Abitur zur Universität zugehen. „Dabei handelt es um ein Mittelfing aus Gasthörer- und Vollzeitstudium,“ sagte Jochen Schneider vom ADVS in einem früheren Interview mit Nachrichtenagentur dpa. Die Besonderheit: Veranstaltungen bauen aufeinander auf und wie in einem „normalen“ Studium müssen die akademischen Senioren, dabei dabei auch Prüfungen absolvieren und Vorträge halten.

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In nordrhein-westfälischem Siegen besuchen 300 Menschen die sogenannte Mittwochsakademie, wie hier das Seniorenstudium heißt. Obwohl die Vorlesungen nicht speziell für ältere Menschen konzipiert werden, ist es selten so, dass die Senior-Studenten auf jüngere Menschen treffen. „Immer Mittwochs finden zwischen 9.30 und 20.00 Uhr teilweise bis zu 20 Veranstaltungen parallel statt“, sagt Ingo Broer, Professor für katholische Theologie an der Universität Siegen und Verantwortlicher für die Mittwochsakademie. Besonders beliebt seien dabei Fächer wie Literatur, Theologie und auch Mathematik. Manche Veranstaltungen sind Semesterübergreifend und bauen damit aufeinander auf – „Einsteiger sind aber zu jeder Zeit willkommen.“

Ebenso unterschiedlich wie die Bezeichnungen sind auch die Motivationen, warum ältere Menschen ein Studium beginnen. Karin Hager fährt seit drei Semestern, anderthalb Jahren jeden Mittwoch nach Siegen – von ihrem Wohnort in Hessen sind das immerhin mehr als anderthalb Stunden pro Fahrt. Die Universitäten in Frankfurt und Mainz wären viel näher. „In Frankfurt hat mir das Studienangebot nicht gefallen. Für Senioren wurden da vor allem Fächer wie Heimatkunde, gesunde Ernährung und Gerontologie angeboten – Informationen, die ich mir selbst aneignen kann.“

Mainz hat ihr besser gefallen. Aber: „Senioren dürfen dort normale Veranstaltungen besuchen und ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn Studierende auf dem Boden oder den Fensterbänken sitzen, weil nicht genug Platz ist. Diese Menschen brauchen das noch für ihr Leben, während ich es nur just for fun mache.“ Ein Bekannter gab ihr den Tipp mit Siegen, nun holt sie nach, was sie als junge Frau nicht machen konnte, weil es aus familiären Gründen nicht machen konnte und besucht Veranstaltungen in Geschichte und Philosophie.

Auch Helmut Hoffmann besucht in der Regel drei Veranstaltungen, die im Rahmen der Mittwochsakademie angeboten werden. Der 73- Jährige ist studierter Diplom-Handelslehrer und arbeitete bis 2005 als Berufsschullehrer. Hoffmann hat früher schon studiert und ist aus Interesse an die Universität zurückgekehrt: „Es hilft mir meinen eigenen Standpunkt kennenzulernen und immer wieder zu überdenken“, beschreibt er seine Motivation. „Ich sehe fast nur Vorteile für dieses Studium, weil wir den Studierenden keinen Platz wegnehmen und in den Genuss einer freien Diskussion mit den Dozenten kommen.“ Auch gefalle ihm der Gedankenaustausch mit den anderen Studenten.

Und die Universitäten brauchen – vor dem Hintergrund des demografischen Wandels - die älteren Studierenden. „An den Hochschulen ist ein Höhepunkt der Studierendenzahl erreicht und jetzt wird es wieder weniger werden“, sagt Schneider vom ADVS.

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