Hochschulranking „Ich habe mich für Oxford entschieden, nicht für England“

Die University of Oxford ist eine der ältesten und renommiertesten Universitäten der Welt. Keine andere ausländische Hochschule verspricht so gute Karrierechancen. Quelle: Getty Images

Keine ausländische Hochschule verspricht so gute Karrierechancen wie Oxford. Alaa Baazaoui erleichtert deutschen Studenten dort den Einstieg. Im Interview spricht sie über schwierige Aufnahmeprüfungen, inspirierende Abendessen – und die Sehnsucht nach dem Karneval.

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Zur Person: Etwa 900 deutsche Studierende sind an der britischen Hochschule Oxford eingeschrieben. Eine von ihnen ist Alaa Baazaoui. Die Doktorandin führt gemeinsam mit Tor Walberg die German Society an der Universität.

WirtschaftsWoche: Frau Baazaoui, Sie haben Ihren Bachelor und Master an der Universität Köln gemacht, sind für Ihre Promotion nun aber nach Oxford gegangen. Was ist dort anders?
Alaa Baazaoui: Die Unterschiede fangen schon vor dem eigentlichen Studium an. Wer in Oxford studieren möchte, muss sich zunächst eines der 39 Colleges aussuchen...

Ein College? Ist das nicht die Station vor einem Studium?
In den USA schon, in Oxford und Cambridge, sind das kleine akademische Gemeinschaften. Man kann sich das vorstellen wie viele kleine Universitäten innerhalb der großen. Die Colleges sind verantwortlich für Unterkunft, Verpflegung und Unterricht der Bachelorstudierenden. In jedem College sind fast alle Fachbereiche vertreten.

Man wählt also ein College aus – und dann?
...bewirbt man sich dort für seinen Studiengang und muss eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Ist das geschafft, muss man bedenken, dass im Gegensatz zu Deutschland in Großbritannien Studiengebühren anfallen. Derzeit liegen die sowohl für einheimische Studierende als auch für Studierende aus der Europäischen Union bei 9.250 Pfund pro Jahr, also etwa 10.600 Euro.

Wer an England denkt, dem kommt schnell die Zauberschule Hogwarts aus den Harry Potter-Büchern in den Sinn. Tragen Sie auch solche Uniformen?
Zu allen offiziellen Hochschulveranstaltungen – also zum Beispiel zur jährlichen Immatrikulationszeremonie oder aber auch zu Prüfungen müssen wir den sogenannten Sub Fusc tragen: dunkler Anzug oder Rock und weißes Hemd. Darüber kommt ein Talar – hier nennen wir das Gown. Das kann schon ein bisschen an Harry Potter erinnern. Aber so oft kommt das nicht vor.

Das Studienjahr wird in Oxford nicht in Semester unterteilt, wie wir es in Deutschland kennen...
Richtig. Es gibt jedes Jahr drei Trimester – und die haben sogar Namen. Das erste Trimester heißt Michaelmas, das Zweite Hilary und das Dritte Trinity. Jedes Trimester dauert acht Wochen.

Alaa Baazaoui ist Doktorandin in Oxford und führt gemeinsam mit Tor Walberg die German Society an der Universität. Quelle: Presse

Die Vorlesungszeit ist also deutlich kürzer als in Deutschland. Wie wirkt sich das auf den Lernstoff aus?
Der Stundenplan eines Oxford-Studenten kann voller als der eines Studenten an einer deutschen Universität sein. Oxford und Cambridge sind dafür bekannt, dass viele Essays geschrieben werden. Sogar in den Naturwissenschaften und bei den Medizinern. Das gibt es so in Deutschland kaum. In Deutschland wird in den Klausuren Wissen eher punktuell abgefragt.

Wer so viel für seine Uni zahlt und so hohen Anforderungen gerecht werden muss, ist doch sicher viel engagierter als der durchschnittliche Student einer deutschen Universität. Oder?
Die Leute, die den Auswahlprozess durchgemacht haben, mussten da sehr viel Energie reinstecken. Es wird also schon vorab ausgesiebt. Alle Leute, die in Oxford anfangen, sprühen dementsprechend vor Begeisterung für das, was sie tun. So ist das im Optimalfall aber natürlich auch in Deutschland. Was in Oxford definitiv anders ist: Die Studierenden sprechen auch in ihrer Freizeit gerne und oft über ihre Fachrichtung. Hier wird dafür keiner als Streber abgestempelt. Wir bewegen uns in einer akademischen Blase, wo der eine dem anderen gerne zuhört und von ihm lernt.

An deutschen Unis sind die Hörsäle oft überfüllt. Wie ist das in Oxford?
Sicherlich gibt es in den großen Studiengängen wie Medizin oder Philosophie, Politik und Wirtschaft auch Vorlesungen, wo es mal etwas voller wird. Durch die Tutorien in den einzelnen Colleges gibt es aber auch den kleineren Rahmen. Oxford ist bekannt für eine gute Betreuung: Die Studierenden behalten ihre Tutoren teilweise über mehrere Jahre. So kann Vertrauen aufgebaut werden. Man lernt den Lehrenden ganz anders kennen und traut sich, Fragen zu stellen, die man im großen Hörsaal vielleicht nicht stellen würde.

Aus keinem anderen Ausland kommen so viele Studierende nach Oxford wie aus Deutschland. Woran liegt das?
Deutschland bietet seinen Studierenden sehr gute Finanzierungsmöglichkeiten. Es gibt viele Stipendien, zum Beispiel vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, der Studienstiftung oder politischen Stiftungen. Nur dank dieser Förderwerke können sich viele Studierende ein Studium in Oxford überhaupt erst leisten.

„Der Brexit ist derzeit die größte Schwierigkeit“

Aber warum Oxford? Das Geld könnten sie ja auch nehmen und in Yale oder Harvard studieren.
Sicherlich spielt die geografische Nähe eine Rolle. England ist nicht so weit von Deutschland entfernt, auch die Kulturen sind sich recht ähnlich. Hinzu kommt, dass die Studiengebühren immer noch günstiger sind als beispielsweise in den USA. Für mich war das schlagende Argument die Internationalität der Uni Oxford: Ich fühle mich in dieser enormen Vielfalt wohl, genieße es sehr, Freunde aus verschiedenen Ländern zu haben. Von ihnen zu lernen und ihre Kultur kennenzulernen. Deshalb kann ich sagen: Ich habe mich für Oxford entschieden, nicht für England.

Hören Sie viel Deutsch, wenn Sie über den Campus laufen?
Auf jeden Fall. Dafür muss ich nicht mal mein Zimmer verlassen. Meine Mitbewohnerin kommt aus Düsseldorf. In Oxford gibt es eine sehr große deutsche Community. Die besteht nicht nur aus Studierenden, sondern auch aus dem akademischen Personal. Bei der German Society wird sogar gemeinsam Karneval oder das Oktoberfest gefeiert.

Welche Schwierigkeiten haben deutsche Studierende in Oxford?
Der Brexit ist sicherlich die größte Schwierigkeit derzeit. Das gilt für deutsche Studierende, aber auch für solche aus anderen EU-Ländern – und eben für Wissenschaftler. Viele sprechen mittlerweile nur noch vom B-Wort. Sie haben dieses ständige Hin und Her einfach satt. Die Uni ist sehr darum bemüht, die Studierenden über die Entwicklungen und darüber aufzuklären, was sie unternimmt, um mögliche Schäden abzufedern.

So weit weg von der Familie, braucht man jemand anderen, mit dem man seine Sorgen teilen kann.
In Oxford gibt es Vertrauenspersonen auf ganz verschiedenen Ebenen. Da wären die Tutoren, die Dekane und eigens dafür eingerichtete Welfare-Teams. Selbst die Studierenden können sich zur Vertrauensperson ausbilden lassen. Sie lernen dann in Seminaren, richtig zuzuhören und Ratschläge zu geben. Zusätzlich dazu bietet die Uni die Möglichkeit, mit Psychotherapeuten und Seelsorgern zu sprechen. In Oxford bekommt jeder Hilfe, der danach fragt. Das schätzen wir als Studierende besonders.

Und was schätzen Sie persönlich am meisten?
Durch die Collegezugehörigkeit lernt man sehr schnell neue Leute kennen. Das sind oft Leute, die einen ganz anderen Fachhintergrund haben als man selbst. Das habe ich so in Köln nicht erlebt. Zwar hatte ich dort auch Freunde, die etwas anderes studiert haben – aber bei Weitem nicht so viele. Du setzt dich dort als Biochemie-Studentin in der Mensa normalerweise nicht einfach neben einen Juristen und fängst an, mit ihm zu plaudern. Im College hingegen ist das anders. Hier herrscht eine familiäre Atmosphäre. Wir essen alle gemeinsam zu Abend und kommen ins Gespräch. Hier hat man das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Es ist einfach schön, im wahrsten Sinne des Wortes über den Tellerrand.

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