
Von wegen "Wissen ist Macht, nichts wissen macht nichts": Den Deutschen ist ihre Bildung wichtig. Das belegt das Bildungsbarometer des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Demnach wollen 68 Prozent der Deutschen eine Kindergartenpflicht, um schon die Kleinsten entsprechend zu fördern. Die Ganztagsschule bis 15 Uhr halten 60 Prozent der mehr als 4000 Befragten für sinnvoll. Außerdem wollen die Deutschen einheitliche Abschlussprüfungen im Abitur und finden es wichtig, dass das Land beim PISA-Test gut abschneidet.
Was Schüler in der neunten Klasse können sollen
Es ging um die Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik) – und zwar über alle Schulformen hinweg. In Mathematik wurden sechs Kompetenzformen aus dem gesamten Spektrum mathematischen Arbeitens untersucht, wie „Probleme mathematisch lösen“ aber auch „Raum und Form“ sowie „Daten und Zufall“. In den Naturwissenschaften ging es vor allem um Grundbildung, aber auch um fachübergreifendes Problemlösen.
Die Aufgaben wurden auf der Grundlage der von den Kultusministern für alle Bundesländern verbindlich eingeführten Bildungsstandards für diese Fächer entwickelt – unter Mitwirkung von Schulpraktikern. Bildungsstandards beschreiben, was ein Schüler am Ende einer Jahrgangsstufe können soll. Sie gelten für Lehrer als pädagogische Zielvorgabe und haben damit die zuvor in allen Bundesländern unterschiedlichen Lehrpläne abgelöst.
Die Untersuchung fand vormittags in der Schule statt und dauerte jeweils etwa dreieinhalb Zeitstunden (inklusive Pausen). Hinzu kamen anschließend Interviews mit Schülern, Fachlehrern und Schulleiter über die Lernbedingungen.
Der „Klassiker“ ist die weltweite PISA-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Des weiteren gibt es noch die internationale IGLU-Grundschulstudie und die internationale TIMSS-Untersuchung mit den Schwerpunkten Mathematik und Naturwissenschaften – sowohl für die Grundschule als auch für die achten Klassen. Allerdings haben die Kultusminister bei PISA und IGLU die zuvor üblichen Bundesländervergleiche gestoppt. Deutschland macht zwar bei den internationalen Studien weiter mit, aber nur noch mit einer kleineren nationalen Stichprobe – etwa 5000. Dies ermöglicht kein Bundesländer-Ranking.
Darüber lässt sich nur spekulieren: Die Kultusminister können die politisch brisanten Bundesländervergleiche auf der Basis ihrer eigenen vereinbarten Bildungsstandards sicherlich besser steuern. Auch das IQB arbeitet im Auftrag der Kultusministerkonferenz. Zuvor war es vor allem mit den internationalen PISA-Forschern der OECD wegen der ungünstigen deutschen Chancengleichheitswerte und der Schulstrukturfrage immer wieder zu Konflikten bei der Interpretation von Daten gekommen.
Überraschend ist, dass neben allen ostdeutschen Ländern diesmal aus dem Westen nur Bayern und Rheinland-Pfalz durchgängig gut abschneiden. Mathematik und Naturwissenschaften waren eine Domäne der DDR-Schulen. Auf die Fachlehrerausbildung legte man hier besonderen Wert. Auch spielen die Naturwissenschaften auf den Stundentafeln der ostdeutschen Schulen heute noch eine größere Rolle als im Westen.
Die Studie belegt erneut die erschreckend hohe Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft in Deutschland. Neuntklässler aus der Oberschicht haben gegenüber Gleichaltrigen aus bildungsfernen Schichten einen Lernvorsprung in Mathematik von fast drei Schuljahren.
Bildungsexperten raten seit Jahren, nicht ganze Bundesländer miteinander zu vergleichen, sondern besser Regionen mit ähnlichen Wirtschaftsstrukturen und Problemlagen. Also etwa Berlin mit dem Ruhrgebiet, wegen der hohen Ausländerquoten unter den Schülern, oder ländliche Gebiete im Osten Deutschlands mit denen im Westen, wegen Abwanderung und Bevölkerungsrückgang.
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist außerdem gegen die Abschaffung von Schulnoten und dafür, dass Schüler mit schlechten Leistungen eine Klasse wiederholen müssen. "Den meisten Deutschen ist offensichtlich eine klare Leistungsorientierung in den Schulen wichtig", sagt Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungs- und Innovationsökonomik und Initiator des ifo Bildungsbarometers.
Können Sie diese PISA-Aufgaben lösen?
An Manuelas Schule führt der Physiklehrer Tests durch, bei denen 100 Punkte zu erreichen sind. Manuela hat bei ihren ersten vier Physiktests durchschnittlich 60 Punkte erreicht. Beim fünften Test erreichte sie 80 Punkte. Was ist Manuelas Punktedurchschnitt in Physik nach allen fünf Tests?
a) 64 Punkte
b) 72 Punkte
c) 68 Punkte
Fünf Seiten eines Würfels von drei Zentimetern Kantenlänge werden rot angestrichen, die sechste Fläche bleibt ohne Anstrich. Wie viel Prozent der Würfeloberfläche sind rot?
a) Etwa 60 Prozent
b) Etwa 83 Prozent
Wie tief ist der Tschadsee heute?
a) Etwa 15 Meter
b) Etwa fünfzig Meter
c) Etwa zwei Meter
Wie verändert sich das Gewicht auf der Waage wenn man beim Wiegen schwungvoll in die Knie geht?
a) Es ändert sich gar nichts an der Gewichtsangabe
b) Das Gewicht wird für diesen Moment höher angezeigt
c) Das Gewicht wird kurzzeitig geringer angezeigt
Die Temperatur im Grand Canyon reicht von unter 0 Grad bis über 40 Grad. Obwohl es sich um eine Wüstengegend handelt, gibt es in einigen Felsspalten Wasser. Wie beschleunigen diese Temperaturschwankungen und das Wasser in den Felsspalten die Zersetzung des Gesteins?
a) Gefrierendes Wasser dehnt sich in Felsspalten aus
b) Gefrierendes Wasser löst warmes Gestein auf
c) Wasser kittet Gestein zusammen
Wie wirkt es sich aus, wenn Sie eine dunkle Sonnenbrille ohne UV-Schutz tragen?
a) Es gelangen mehr UV-Strahlen ins Auge als ohne Brille.
b) Es gelangen weniger UV-Strahlen ins Auge als ohne Brille.
c) Es gelangen genau so viele UV-Strahlen ins Auge wie ohne Brille.
Frage 1: a
Frage 2: b
Frage 3: c
Frage 4: c
Frage 5: a
Frage 6: a
Wenn es darum geht, wie die Bildung zu finanzieren ist, ist das Bild allerdings weniger klar: 84 Prozent der Deutschen sind für eine Abschaffung der Kindergartengebühren, außerdem sollen die staatlichen Ausgaben für Schulen erhöht werden. Wenn es um die Finanzierung eines Hochschulstudiums geht, sind die Deutschen mehrheitlich gegen Studiengebühren. Diese sollten nur dann erhoben werden, wenn wenn das Studium tatsächlich zu einem relativ hohen Einkommen geführt hat. "Für solch ein Reformmodell der nachgelagerten Studiengebühren würde sich eine deutliche Mehrheit finden", so Wößmann.
Dazu passt, dass nach Ansicht der meisten Deutschen Arbeitgeber und Staat mehr für Fort- und Weiterbildung ausgeben, nicht aber die Arbeitnehmer selbst. Diese Meinung erstreckt sich leider auf alle Bildungsbereiche: Zahlen sollen immer die anderen. Wenn nämlich die Steuern erhöht werden müssten, sind die Forderungen nach kostenlosem Studium und Kindergarten sowie mehr Geld für staatliche Schulen auf einmal vergessen und von Reformen und mehr Förderung war nie die Rede. Dabei sind nahezu alle Deutschen der Meinung, dass gute Schülerleistungen für den zukünftigen Wohlstand des Landes wichtig sind. Scheint so, als müsse man sich einmal darüber klar werden, dass es für weniger Geld nicht mehr Bildung geben wird.