




In der vergangenen Woche schaffte Johanna Wanka, was ihr sonst höchst selten gelingt. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung kam in die Schlagzeilen. Sie verkündete eine „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“: ein großes Ausgabenprogramm des Bundes – rund fünf Milliarden jährlich - zur Anschaffung von Computern für Schulen.
Öffentlicher Zustimmung kann sich die Ministerin weitgehend sicher sein. 86 Prozent der Deutschen „wünschen sich, dass ein grundlegendes Verständnis digitaler Technologien in Zukunft fester Bestandteil in der Schul- und Berufsbildung ist“, wie das Bundesbildungsministerium am Freitag aus einer eigens in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage berichtet.
Damit allerdings ist noch lange nicht gesagt, dass die Digitalisierungsoffensive tatsächlich die Probleme des deutschen Bildungswesens löst. Das tut sie eindeutig nicht.
Subventionsmaschine für Hardware-Hersteller
Fehlende Computer sind angesichts fataler Fehlentwicklungen an deutschen Schulen ein eher nebensächliches Problem. Aber eben eines, das man mit Geld beseitigen kann, ohne unbequeme Kurskorrekturen vorzunehmen, also irgendjemandem wehzutun. Und nebenher wirft man noch eine neue Subventionsmaschinerie in Gang - sowohl für die Hersteller von Hardware, noch mehr aber für die Anbieter von Bildungs-Software. All das finanziert vom Steuerzahler.
Natürlich ist nichts dagegen zu sagen, wenn an allgemeinbildenden Schulen die Voraussetzungen verbessert werden, um Schüler auf ein Informatik-Studium oder Berufsausbildungen vorzubereiten, die vertiefte IT-Kenntnisse erfordern. Ganz im Gegenteil. Die Sprache der digitalen Welt zu erlernen, sollte ein Angebot für alle Schüler in Deutschland sein.
Aber den Nerds von morgen das Programmieren beizubringen, ist nicht der Hauptzweck von Wankas Offensive. Vielmehr soll letztlich alles Lernen in allen Fächern digitalisiert werden – zumindest potentiell. Die Entwickler von Lernsoftware versprechen dafür ein künftiges Schülerparadies. „Wir haben die Chance, Bildung 10.000-mal besser zu machen“, prahlt ganz unbescheiden Sebastian Thrum, Professor für Künstliche Intelligenz in Stanford, Google-Vordenker und nun Gründer von „Udacity“ gegenüber dem Magazin „Stern“. Das Unternehmen will Bildung mit entsprechender Software zu einem “lebenslangen Erlebnis” machen, und “weniger passives Zuhören, sondern mehr aktives Tun“ ermöglichen.
So wächst das Geschäft mit dem E-Learning
Umsatz der E-Learning-Unternehmen in Deutschland: 346,1 Millionen Euro
Quelle: Statista
Umsatz: 417,2 Millionen Euro
Quelle: Statista
Umsatz: 456,4 Millionen Euro
Quelle: Statista
Umsatz: 512,9 Millionen Euro
Quelle: Statista
Umsatz: 582,1 Millionen Euro
Quelle: Statista
Die digitale Zukunft der Schule sieht der „Stern“ so: „Irgendwann könnten es sich Tausende von Lehrern sparen, immer wieder den immer gleichen Stoff aufzubereiten. Reine Zeitverschwendung, wenn es stattdessen hochwertige Lernvideos gibt.“ Und Jörg Draeger, Chef der Bertelsmann-Stiftung schwärmt von der „Personalisierung für jeden“, die durch Lernsoftware möglich würde. Dass der Bertelsmann-Konzern unter anderem auch in Udacity investiert ist, sei nebenbei erwähnt.
Am Ende der Entwicklung stünde dann der vom Computer mehr oder weniger überwachte Schüler, der dessen Lernstand misst. Ein Ex-Google-Mitarbeiter hat in San Francisco und New York bereits „AltSchools“ gegründet, in denen die 400 Schüler dauernd von Kameras beobachtet und von Mikrofonen abgehört werden, damit ihr Lernverhalten analysiert werden kann.
Computer als bessere Lehrer? Man muss wahrlich kein Technikfeind sein, um solch eine Entwicklung mit größter Skepsis zu betrachten.