Leistungsdruck an der Uni Wie Studenten Stress bewältigen können
Viele Studenten werden dem Leistungsdruck nicht gerecht oder haben Motivationsprobleme. Jeder Fünfte ist Studienabbrecher. Zehn Tipps von Experten, wie Sie den Unistress meistern.
Ruhepausen einlegen und ausreichend schlafen
Das Gehirn ist nicht dauerhaft leistungsfähig, auch seine Aufnahme- und Speicherkapazität ist nach etwa zehn Stunden ausgereizt. Daher rät Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz in seinem Beitrag in dem Ratgeber „Was Studis gegen Stress tun können“ davon ab, diese Zeit beim Lernen zu überschreiten. Außerdem sei gerade in intensiven Prüfungsphasen ausreichend Schlaf unerlässlich. „Auch wenn das Schlafbedürfnis individuell unterschiedlich ist, sollte man gerade in intensiven Lernphasen mindestens 7 Stunden pro Nacht schlafen. Und im Schlaf ist unser Gehirn nicht inaktiv: Das Gelernte wird im Schlaf dauerhaft abgespeichert („konsolidiert“)“, erklärt Lieb weiter.
Quellen: KIT-Broschüre 2011, „Lässig statt stressig durchs Studium“, Studentenwerk Heidelberg
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Sportliche Aktivität als Ausgleich
Birte von Haaren, akademische Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie im Bereich Sportwissenschaft, empfiehlt Studierenden, die oftmals sehr kostbare Freizeit unbedingt für körperliche Betätigung zu nutzen. Auf die Menge kommt es laut Haaren nicht an. Eine halbe bis dreiviertel Stunde täglich reiche völlig aus. „Man weiß, dass bereits moderate körperliche Aktivität die Gehirndurchblutung steigert und dadurch die Wachstumsfaktoren erhöht werden, die für das Bilden neuer Nervenzellen verantwortlich sind. Funktion und Leistungsfähigkeit des Gehirns werden so verbessert und das Hirn wird widerstandsfähiger gegen Stress.“ Besonders gut eignen sich laut der Sportwissenschaftlerin Ausdauersportarten wie zum Beispiel Fahrradfahren oder Joggen, denn sie fördern die Herztätigkeit und steigern die Sauerstoffversorgung. Auch frische Luft gibt neue Energie. Wer Probleme hat, runterzukommen, sollte Entspannungssportarten wie zum Beispiel Yoga oder Tai Chi ausprobieren. Diese lösen Spannungen und sorgen für Ausgeglichenheit.
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Routinen schaffen
Besonders im Studium wird eine selbstständige Arbeitsweise gefordert. Vielen Studenten fällt die Motivation unter diesen Umständen jedoch besonders schwer. Rituale und Routinen können helfen, den Lernalltag zu strukturieren. 32 Studierende der Hochschule Schwäbisch Gmünd haben im Zuge einer Lehrveranstaltung das Antistress-Handbuch „Lässig statt stressig durchs Studium“ veröffentlicht, das wertvolle Tipps für das effektive Selbststudium enthält. Die Autoren empfehlen, den Lernalltag ähnlich wie einen Arbeitstag zu strukturieren. Durch frühzeitiges Aufstehen, regelmäßige Pausen und ein vorher festgesetztes Arbeitsende. Außerdem spielt die Wahl des Arbeitsortes eine entscheidende Rolle: Wer sich leicht von alltäglichen Dingen ablenken lässt, ist effektiver außer Haus, zum Beispiel in der Bibliothek, heißt es im Ratgeber.
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Sich auch mal was gönnen
Genauso wichtig wie das effektive Lernen ist die Entspannung zwischendurch. Verzicht auf Freizeitaktivitäten trägt nicht zur Produktivität bei. Ganz im Gegenteil: Es verstärkt das Gefühl von Energielosigkeit. Das Studentenwerk der Universität Heidelberg rät zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Damit gemeint sind Hobbies, wie zum Beispiel Freunde treffen, Shoppen, Sport oder Besuche beim Friseur. Von wahllosem Fernsehgucken, Surfen im Internet, Alkohol und Drogen rät das Studentenwerk dagegen ab. Dies seien „Kreativitätskiller“.
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Übungen zur Atmung und Herz-Kreislauf-Aktivierung
Unter dem Motto „bewegtes Lernen“ gibt die interdisziplinäre Arbeitsgruppe am House of Competence in Karlsruhe Anstöße für Bewegungspausen an der Hochschule. Simone-Nadine Löffler, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gruppe, betont den Nutzen, den Übungen zwischen Vorlesungen und Seminaren haben könnten: „Wenn man sieht, dass die Konzentrationsfähigkeit dank einer kurzen Übung bis zum Vorlesungsschluss auf Anfangsniveau bleibt, ist das fast jedem Dozenten die fünf bis zehn Minuten wert.“ Wichtig ist, das sogenannte „kompensatorische Potenzial“ der Übungen auszuschöpfen, das heißt beim Schreiben einer Hausarbeit am PC sollte als Ausgleich eine Aktivität im Freien gewählt werden. Eine empfehlenswerte Übung zur Herz-Kreislauf-Aktivierung ist das sogenannte „Schattenboxen“, bei dem gegen einen fiktiven Gegner gekämpft wird. Auch Entspannungsübungen und bewusstes Atmen können sich positiv auf das Wohlbefinden und die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken. Der gesamte Katalog ist unter diesem Link abrufbar.
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Stressbewältigung durch Achtsamkeit
Diplom-Sozialpädagogin Bettina Werner von der Durlacher Schule rät zur Entspannung durch Meditation nach Dr. Jon Kabat-Zinn, der 1979 die sogenannte MBSR-Methode entwickelte, eine Lebensweise, die von Achtsamkeit lebt und damit die Bewältigung von Stresssituationen erleichtern kann. Durch systematische, alltagsbegleitende Übungen, die Meditationen im Liegen, Sitzen und Gehen miteinschließen. Im Gegensatz zu klassischen Entspannungstechniken liegt der Fokus bei der Mindfulness Based Stress Reduction aber nicht auf Regeneration, sondern Achtsamkeit. „Man übt sich darin, das Leben wahrzunehmen, wie es ist und mit ihm wirklich in Kontakt zu sein. Es geht darum, die Wirklichkeit ehrlich anzugucken, sie nicht zu bewerten und ihr gegenüber eine akzeptierende innere Haltung zu entwickeln“, so Werner. Die diplomierte Sozialpädagogin, die während ihrer Studienzeit selbst unter Depressionen litt, schwört auf die Wirksamkeit von MBSR und ist überzeugt, dass Sie Studenten zu Zentriertheit, Gelassenheit, Bewusstheit und zu einem Zugang zu ihrem wahren Selbst führt. Beispielübungen finden Sie auf Seite 21 von „Rückenwind“.
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Euthyme Einheiten in den Tag integrieren
Das verhaltenstherapeutische Konzept der „Kleinen Schule des Genießens“ nutzt die Erkenntnis, dass eine Erhöhung der Genussfähigkeit dem negativen Stresserleben entgegenwirkt. Sogenanntes „euthymes Verhalten“ hilft, bewusstes, genussvolles Erleben zu gewährleisten. Abgeleitet wird der Begriff aus dem Griechischen und bedeutet „was der Seele gut tut“. Die Diplompsychologin Eva Koppenhöfer erklärt, wie Studenten ihr Wohlbefinden im Alltag steigern können: „eine genussvolle Wahrnehmung für die Dauer von einigen Minuten: Bewusst am Duft einer Tasse heißer Schokolade schnuppern (Riechen), in spielerischem Rhythmus eine Büroklammer auf- und zu biegen (Tasten), ein Eis / eine Brezel mit Bedacht essen (Schmecken), sich in das Landschaftsbild des Bildschirm-Schoners hineinversetzen (Schauen), auf das Geräusch beim Durchblättern eines Buches, beim Zerschneiden eines Blatts Papier achten (Horchen).“ All diese Kleinigkeiten vermindern den Leistungsdruck, der unsere Gedanken vereinnahmt, so Koppenhöfer.
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Beratungsstellen in Anspruch nehmen
Gerade die Studienzeit birgt etliche neue Situationen, für die es noch keine bewährten Lösungsstrategen gibt. Gefühle von Überforderung, Einsamkeit, Prüfungs- und Zukunftsängste, sowie private Probleme müssen Studenten nicht mit sich selbst ausmachen. Professionelle Hilfe ist eine effektive Möglichkeit, Ursachen für Stress frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Psychotherapeutische Beratungsstellen bieten an Hochschulen Gesprächstermine an, so zum Beispiel auch an der Universität in Karlsruhe. Nach Angaben von Diplom-Psychologin Sabine Köster werden an der Hochschule über die Einzelberatung hinaus in einer fortlaufenden, offenen Gruppe Entspannungs- und Stressbewältigungsstrategien vermittelt. Andere bieten Kurse zur Redeangst, Zeitmanagement und früheren Lernerfahrungen in der Familie an. „Jedes persönliche Problem ist ein Grund hierher zu kommen – je frühzeitiger, desto besser“, erklärt Köster, die die psychotherapeutische Beratungsstelle leitet.
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Die Zeit richtig managen
Auch das Zeitmanagement spielt eine entscheidende Rolle bei der Stressprävention. Diplom- Psychologin Susanne Koudela-Hamila hält die ALPEN-Methode für ein besonders effektives Modell. Es gliedert sich in folgende Punkte: Als erstes sollten zu erledigende Aufgaben und Aktivitäten notiert werden. Im nächsten Schritt sollte deren Länge geschätzt werden. Danach sollten Pufferzeiten eingeplant und Entscheidungen über Prioritäten getroffen werden. Im letzten Schritt sollte die Planung der zu erledigenden Punkte noch einmal nachkontrolliert werden. Das bewusste Setzen von Zielen – so Hamila – ob kurz-, lang- oder mittelfristiger Natur, schafft Prioritäten und ermöglicht eine langfristige Planung. Durch kontinuierliches Lernen nach Plan können Studenten also dem Zeitdruck in der Schlussphase entgegenwirken.
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Seien Sie sich selbst am nächsten
So gut wie nichts ist belastender, als sich selbst ständig mit anderen zu messen. Studenten können den Leistungsdruck deutlich reduzieren, indem sie ihren eigenen Weg gehen und auf diesen vertrauen. „Orientieren Sie sich nicht allzu sehr daran, was die anderen, was die „meisten“ machen. Das, was die meisten machen, muss nicht unbedingt richtig sein und es ist vielleicht gerade nicht der richtige Weg für Sie“, erklärt Monika Sieverding, die den Arbeitsbereich Genderforschung und Gesundheitspsychologie am Institut für Psychologie an der Universität in Heidelberg leitet. „Das Studium ist auch eine Zeit, in der die Möglichkeit besteht, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Theoretisch bietet die Zeit zwischen Schule und Beruf die meisten Freiräume, um den eigenen Horizont zu erweitern“, so Sieverding weiter. Nutzen Sie also die Freiräume, die Sie sich selbst schaffen können.
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