Ökonom Malcolm Schauf „Wir brauchen keine Fachidioten“

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„Raus aus dem Elfenbeinturm“

Ist das nicht eher ein Vorteil? Strömungen wie die Plurale Ökonomik fordern doch genau diese Vielfalt.
Die Grundidee der Pluralen Ökonomik finde ich gut, nämlich: Raus aus dem Elfenbeinturm, auch mal zu den Sozial- oder Geisteswissenschaften schauen und von denen lernen. Es geht um Interdisziplinarität, die wurde in der Wirtschaftswissenschaft durchaus vernachlässigt. Nur ist mir da oft zu viel Ideologie im Spiel. Es ist ja nicht so, als wäre die VWL in den letzten Jahren einfach stehen geblieben. Schwarz-weiß-Denken halte ich für falsch. Es sollte entscheidend sein: Wie kommen wir zu der Erkenntnis, die wir brauchen?

Wie findet man als Arbeitgeber in dieser Masse denn die guten Absolventen?
Zuerst muss man sich die Fächer genau anschauen, die ein Bewerber belegt hat. Und auch das wird schwieriger, weil die Vergleichbarkeit einzelner Module nicht mehr gegeben ist. Im Zuge allgemeiner Noteninflation sind auch Noten ein immer schlechterer Prädiktor. Deshalb wird die Reputation einer Hochschule wichtiger. Wenn man sonst keine Anhaltspunkte hat, dann zumindest das Prestige der Institution. Und auch das ist natürlich nur ein Indikator, der die Vergangenheit bewertet und nicht die aktuellste Absolventengeneration.

Aus der Wirtschaft hört man gerne die Forderung, Studenten würden zu theoretisch ausgebildet werden. Stimmt das?
Die Diskussion gibt es schon lange. Für mich ist Praxisnähe ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Kriterium. Dafür alleine ist ein Studium nicht da. Ein Studium soll natürlich das Fachliche vermitteln, aber es geht um viel mehr. Wir brauchen keine Fachidioten, sondern Absolventen, deren Fähigkeiten die Lösung komplexer und neuartiger Probleme ermöglichen, die konzeptualisieren, analysieren und synthetisieren können.

Wenn man mit Unternehmen spricht, wird immer wieder deutlich, dass es vor allem an Menschen mit tiefgehenden IT-Kenntnissen mangelt. Sollte man also als Wirtschaftswissenschaftler programmieren lernen?
Wer das in Deutschland fordert, hat von BWL leider nichts verstanden. Das reine Programmieren ist heute eine Standarddienstleistung, die man für wenige Dollar im Ausland einkauft. Aber natürlich muss man als Betriebswirt wissen, wie IT-Prozesse laufen und welche Lösungen mit Software möglich sind.

Was bedeuten die wachsenden Studierendenzahlen für die Berufschancen junger Wirtschaftswissenschaftler?
Am Ende gibt es mehr Konkurrenz. Wenn man einer von vielen ist und notentechnisch nicht der Beste, kann man seine Chancen durch außeruniversitäres Engagement verbessern. Es ist auch eigentlich egal wofür, Hauptsache, man macht es mit Interesse. Die Studierenden stehen so stark unter Druck, dass sie kaum nach links und rechts schauen können. Wenn Arbeitgeber dann sehen, dass man das neben dem verschulten Studium auch noch geschafft hat, sind die begeistert.

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