Ökonom Malcolm Schauf „Wir brauchen keine Fachidioten“

ARCHIV - Studenten des ersten Semesters sitzen am 15.04.2015 bei der Begrüßung in einem Hörsaal der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (Rheinland-Pfalz). Foto: Fredrik von Erichsen/dpa (zu: 

Malcolm Schauf ist besorgt um die Zukunft deutscher Wirtschaftsstudenten. Im Interview erklärt der Präsident des Bundesverbands Deutscher Volks- und Betriebswirte, warum die steigenden Studierendenzahlen nicht nur positiv sind und wie man sich als Absolvent trotzdem von der Masse abheben kann.

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Herr Schauf, wie gut sind deutsche Wirtschaftsstudenten?
Insgesamt bringen wir fachlich gute Absolventen hervor. Aber ich hege auch eine gewisse Befürchtung, dass die Ausbildung in Teilen zum Schmalspurstudium verkommt.

Das müssen sie erklären.
Die Politik will, dass jeder die Möglichkeit hat, zu studieren. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Es führt nur mittlerweile dazu, dass die alternativen Wege ins Berufsleben in der Gesellschaft weniger gelten als ein Studium. Es gibt einen größeren Druck, eine Hochschulausbildung zu absolvieren. Und deshalb steigen die Studierendenzahlen von Semester zu Semester.

Und das ist ein Problem?
Einige junge Leute studieren heute, auch wenn sie es eigentlich nicht wollen. Sie wollen vielleicht etwas Handwerkliches lernen, aber machen dann trotzdem etwas an der Uni, weil man das fast schon muss.

Malcolm Schauf ist Professor für Unternehmensführung an der privaten FOM Hochschule für Oekonomie & Management, er berät außerdem Unternehmen und ist derzeit Präsident des Bundesverbands Deutscher Volks- und Betriebswirte (bdvb). Quelle: Patrick Schuch für WirtschaftsWoche

Und diese Studierenden landen dann vor allem in den Wirtschaftswissenschaften?
Am ehesten in der BWL. Viele denken, wenn sie schon studieren müssen, dann wenigstens Betriebswirtschaftslehre. Sie hoffen, damit schon irgendwo unterzukommen. Das höre ich bei Volkswirtschaftslehre eher selten.

Sie sind auch Professor an der Fachhochschule FOM. Wie spürt man diese Entwicklung in den Hörsälen?
Die Erstsemester sind sehr heterogen. Und diese Heterogenität nimmt weiter zu. Man findet dort alles von Nichtstudierfähigen bis zu Top-Leuten. Einige haben Abitur und kennen die höheren mathematischen Grundlagen, die man braucht. Andere kommen direkt nach einer Berufsausbildung zu uns und haben diese Voraussetzungen eben nicht. Deshalb müssen die Hochschulen didaktisch „aufrüsten“ und versuchen, die Schwächeren so zu fördern, dass sie den Anschluss halten können. Das ist aber leichter gesagt als getan. Nicht jeder gute Professor ist auch ein guter Lehrer.

Wie gehen Sie selbst damit um?
An der FOM versuchen wir, das allgemeine Niveau des Studiums nicht zu senken, aber trotzdem jeden mitzunehmen. Zum Beispiel durch E-Learning-Angebote vor dem Studium können die Studierenden zumindest teilweise herausfinden, welches Wissen ihnen fehlt, und es sich nachträglich aneignen. Unsere Professoren werden auch didaktisch geschult, damit sie besser erkennen können, wer in einem Kurs welche Unterstützung braucht. Wir wollen nicht Faulen das Leben leichtmachen. Aber: Wer will, der soll auch können. Wir machen das Angebot, aber es ist eine Holschuld der Studierenden.

Schaffen Sie es damit, die Studierenden am Ende auf ein gleiches Niveau zu heben?
Das ist zumindest das Ziel. Und nach ein, zwei Semestern haben wir es meistens geschafft, einen Großteil auf ein ähnliches Niveau zu heben. Das erfordert aber einen erheblichen Zusatzaufwand in der Lehre. Letztlich müssen die Hochschulen die mangelhafte Bildungs- und Schulpolitik ausbaden. Ohne zusätzliche Ressourcen wird das nur eingeschränkt gelingen.

Was heißt das für Absolventen auf dem Arbeitsmarkt? Wissen diejenigen, die sie einstellen wollen, überhaupt, was die Wirtschaftswissenschaftler können?
Das wird schwieriger, denn es gibt nicht nur immer mehr Studierende. Sondern mittlerweile auch zigtausende Studiengänge, die inhaltlich zum Teil sehr unterschiedlich sind. Die Ausdifferenzierung von Ökonomiestudiengängen war noch nie so groß wie heute. Das ist per se kein Nachteil, Absolventen von Kombinationsstudiengängen wie Wirtschaftsingenieurwesen oder Wirtschaftsinformatik werden gebraucht. Aber es gibt auch ein paar ganz abenteuerliche Variationen, bei denen man als Personaler anhand des Abschlusses nicht mehr erkennt, was genau jemand kann.

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