Ökonomie Bessere Nobelpreisträger verzweifelt gesucht

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Heftige Kritik am Nobelpreis

Erste heftige Kritik am Nobelpreis hagelte es, kaum dass er ins Leben gerufen war. Der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek, der 1974 mit dem Preis ausgezeichnet wurde, fürchtete, dieser verleihe den Laureaten „eine Autorität, die in den Wirtschaftswissenschaften niemand haben sollte“. Denn die Ökonomie sei eine Sozialwissenschaft, eine Lehre vom Handeln der Menschen. Dieses Handeln lasse sich nicht aggregieren, nicht in Modelle pressen und entziehe sich einer exakten empirischen Überprüfung und Prognose, so Hayek. In seiner Preisrede warnte er die Ökonomen vor der „Anmaßung von Wissen“. Das Versagen der Ökonomen in der Politikberatung, so Hayek, sei „eng verbunden mit ihrer Neigung, die erfolgreichen Methoden der Physik auf die Ökonomie zu übertragen“.

Spätestens mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 zeigte sich, dass Hayek recht hatte. Kaum einer der hochdekorierten Nobelpreisträger hatte die Krise kommen sehen. Statt sich zu fragen, ob die Kredit- und Immobilienexzesse, die der Krise vorausgingen, eine Gefahr für die Weltwirtschaft bedeuteten, kalibrierten die Ökonomen lieber ihre Gleichgewichtsmodelle und drehten dabei eine mathematische Pirouette nach der anderen, um möglichst viele Veröffentlichungen in den angesehenen Fachzeitschriften der Zunft zu platzieren. „Die Wirtschaftswissenschaften sind zu einer Publikationsmaschinerie verkommen“, sagt McCloskey.

Vielen Ökonomen gehe es nur noch darum, „quantitative Ergebnisse zu produzieren, um diese karrieresteigernd in Fachzeitschriften zu veröffentlichen“.

Die Vergabepraxis des Nobelpreises fördert diesen Prozess und begünstigt so die formalisiert-mathematische Mainstream-Ökonomie. Das Vorschlagsrecht für die Vergabe des Nobelpreises haben neben den Mitgliedern der Schwedischen Akademie der Wissenschaften und den Mitgliedern des Preiskomitees zum einen die bisherigen Nobelpreisträger. Die aber dürften kaum Kollegen vorschlagen, deren Arbeiten methodisch den eigenen entgehenstehen.

Weitere Vorschläge kommen von Professoren skandinavischer Universitäten, etwa aus Island, sofern sie in „relevanten Themengebieten“ forschen. Aus dem Rest der Welt werden jedes Jahr maximal sechs Universitäten ausgewählt, deren Ökonomen ebenfalls Vorschläge einreichen dürfen.

Das Preiskomitee trifft dann zunächst aus bis zu 300 Nominierungen eine Vorauswahl. Dann bittet es Ökonomen, die auf denselben oder verwandten Fachgebieten arbeiten, um eine wissenschaftliche Begutachtung der Vorschläge. Übermäßige Transparenz gibt es bei all dem nicht: Das genaue Abstimmungsergebnis, mögliche Kontroversen und die Protokolle der Treffen dürfen laut Statut erst nach 50 Jahren veröffentlicht werden.

Weil bei dem Auswahl- und Evaluierungsprozess die Publikationen der Kandidaten in wissenschaftlichen Fachzeitschriften im Vordergrund stehen, die wiederum vom Mainstream dominiert werden, „kommen inhaltliche und methodische Querdenker kaum zum Zuge“, sagt Gunther Schnabl, Ökonomie-Professor an der Uni Leipzig. Hätten bei der Auswahl der Preisträger früher die großen Ideen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme im Vordergrund gestanden, so gehe es heute fast nur noch um methodische Finessen.

Dass das zuweilen skurrile Folgen hat, zeigt das Beispiel Eugene Fama und Robert Shiller. Die beiden Ökonomen erhielten 2013 den Preis gemeinsam mit Peter Hansen für ihre Arbeiten zur Erforschung von Vermögenspreisen. Während Fama herausgefunden hatte, dass die Finanzmärkte effizient seien, weil die Marktpreise alle Informationen enthielten, behauptete Shiller das Gegenteil. Auf den Märkten herrsche irrationales Verhalten und Herdentrieb, so Shiller. Die Vergabe des Nobelpreises an zwei Wissenschaftler, die sich widersprechen – in den Naturwissenschaften undenkbar –, hat das Renommee des Wirtschaftspreises nicht gerade gefördert.

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