
Andreas Schleicher ist ein einflussreicher Mann. Er ist Erfinder und Koordinator der PISA-Studien. Das „Programm for International Student Assessment“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist seit dem „ PISA-Schock“ von 2000 zur obersten Instanz der Bildungspolitik geworden. Damals bescheinigte Schleicher den deutschen Schulen, im internationalen Vergleich nur Mittelmaß zu sein. Seither herrscht in den Schulministerien der deutschen Länder alle drei Jahre höchste Aufregung, wenn Schleicher seine Testergebnisse präsentiert. Meist nimmt man dort brav die Watschen an, die Schleicher verteilt, und tut alles, um beim nächsten Mal ein bisschen weiter oben in den Ranglisten zu stehen.
Doch mittlerweile regt sich wachsender Widerstand gegen Schleicher und sein PISA-Imperium. Nicht in den Ministerien, aber bei Wissenschaftlern und Pädagogen aus Deutschland, den USA und anderen Staaten. In diesen Tagen fordern in einem Offenen Brief an Schleicher Hunderte von ihnen das vorläufige Ende der PISA-Tests.
„Das neue PISA-Regime mit seinen kontinuierlichen globalen Testzyklen schadet unseren Kindern und macht unsere Klassenzimmer bildungsärmer durch gehäufte Anwendung von Multiple-Choice-Testbatterien, vorgefertigen (und von Privatfirmen konzipierten) Unterrichtsmodulen, während sich die Autonomie unserer Lehrer weiter verringert“, heißt es in dem Brief. PISA drohe „Lernen in Pedanterie zu verwandeln.“
Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen die Testmethoden und pädagogischen Zielvorstellungen der OECD, sondern auch gegen die fehlende demokratische Legitimation und Kontrolle der Organisation.





Angeregt hat den Brief Heinz-Dieter Meyer. Der deutsche Bildungswissenschaftler lehrt an der State Universität in New York. Zu den Erstunterzeichnern gehören der renommierte Philosoph Konrad Paul Liessmann von der Universität Wien, der Erziehungswissenschaftler Andreas Gruschka und der Didaktik-Professor Hans-Peter Klein von der Universität Frankfurt. Mittlerweile haben weit über 500 Wissenschaftler und Pädagogen unterzeichnet.
Die Hauptkritik: Der dreijährige Testzyklus von PISA verlagere die Aufmerksamkeit der Politik „auf kurzfristige Maßnahmen, in der Absicht, schnell im Ranking aufzuholen, obwohl die Forschung zeigt, dass nachhaltige Veränderungen in der Bildungspraxis nicht Jahre, sondern Jahrzehnte benötigen, um fruchtbar zu werden“. Ignoriert werde dabei von den PISA-Machern zum Beispiel der große Einfluss, den das gesellschaftliche Ansehen des Lehrerberufs auf die Schulwirklichkeit habe. „Dieser Status ist aber von Kultur zu Kultur sehr verschieden und nicht leicht durch kurzfristige politische Maßnahmen veränderbar.“