Podcast Chefgespräch Kein Studium und trotzdem Chef – geht das heute noch?

Von den Vorständen der Dax-Konzerne haben rund 90 Prozent einen Universitätsabschluss, 5 Prozent einen FH-Abschluss – und 5 Prozent haben keinen akademischen Abschluss. Quelle: imago images

Wer Unternehmenschef werden will, so heißt es, hat heutzutage ohne Hochschul-Abschluss keine Chance mehr. Dabei zeigen Untersuchungen und Karrieren wie die von Schüco-Chef Andreas Engelhardt das Gegenteil.

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Andreas Engelhardt ist sich seiner Sache sicher. „Auf jeden Fall!“, antwortet er im Podcast „Chefgespräch“ auf die Frage von WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli, ob ein Aufstieg wie seiner heutzutage noch genauso möglich wäre.

Eine überraschende Aussage. Denn Engelhardt fehlt formell ein entscheidendes Detail in der Karriere eines Konzernvorstandes. Nach der mittleren Reife machte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann, stieg dann über diverse Jobwechsel immer weiter auf, bis er 2012 seinen Posten bei Schüco antrat, dem auf Fenster und Fassaden spezialisierten Bauzulieferer mit fast 1,7 Milliarden Euro Umsatz. Kein Abitur, kein Universitätsabschluss, keine Promotion, keine Business School.

All die typischen Stationen, mit denen Top-Manager für gewöhnlich assoziiert werden, sie kommen in Engelhardts Lebenslauf nicht vor. „Mir hat das nicht gefehlt“, erzählt er. „Natürlich konnte ich als junger Mensch nicht mit akademischem Wissen glänzen, dafür hatte ich da schon Erfahrungswissen, konnte bei Business-Beispielen punkten. Das hat mir sogar mehr gebracht, glaube ich.“

Tatsächlich ist der Lebenslauf des Managers zwar eine Seltenheit, aber keineswegs die völlige Ausnahme. Auch in der Riege der aktuellen Dax-Chefs finden sich immerhin zwei Manager, die beim Berufseinstieg keine Campuserfahrung hatten. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing begann seine Karriere mit einer Banklehre, seine akademische Ausbildung absolvierte er berufsbegleitend an der Bankakademie. Auch SAP-Chef Christian Klein stieg gleich nach der Schule im Softwarekonzern ein, absolvierte parallel zum Job ein Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Insgesamt, so ergaben es Untersuchungen in den vergangenen Jahren, haben von den Vorständen der Dax-Konzerne ungefähr 90 Prozent einen Universitätsabschluss, 5 Prozent wie Sewing und Klein einen FH-Abschluss, 5 Prozent haben keinen akademischen Abschluss. Zu dieser Gruppe zählt etwa Jan-Dirk Auris, der die Klebstoffsparte bei Henkel leitet und einst als Außendienstmitarbeiter bei dem Konzern begann.

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von Jutta Boenig

Diese Übermacht der Uni-Abschlüsse ist also erdrückend, aber das scheint vor allem für die Riege der Großkonzerne zu gelten. Zwar dominieren auch bei kleineren Unternehmen die Akademiker und Abiturienten in den Führungsetagen, das allein ist aufgrund der Bildungsexpansion jedoch kein Wunder: So machen heute rund 50 Prozent aller Schulabgänger Abitur. Nach Jahrzehnten des starken Wachstums stagniert diese Quote jedoch seit einigen Jahren, was auch daran liegen dürfte, dass die Karrierechancen jenseits von Siemens oder Volkswagen auch ohne Abitur gut sind.

Das dokumentiert etwa eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Darin verglichen die Forscher die Karrierepfade von Akademikern und Nichtakademikern mit höherer Bildung, also etwa Meistern und Technikern. Und stellten fest: Unter den weitergebildeten Nichtakademikern lag der Anteil von Führungskräften (47 Prozent) sogar höher als unter den Akademikern, von denen 39 Prozent angaben, als direkter Vorgesetzter anderer tätig zu sein.

Auch in den Führungsetagen der Unternehmen finden Nichtakademiker jenseits der Dax-Konzerne offenbar breite Beachtung, wie das Papier offenbart. So gaben 59 Prozent der insgesamt mehr als 1000 befragten Firmen an, dass in ihrer Unternehmensführung auch Nichtakademiker mit Weiterbildung tätig seien. Zwar waren die Akademiker (75 Prozent) noch häufiger an der Spitze vertreten, der Abstand ist jedoch wesentlich geringer, als gemeinhin vermutet werden mag.

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