Wie unterschiedlich die Startbedingungen in der Grundschule sind, offenbart die Untersuchung: „Schulanfänger kommen mit Wissen über Mengen, Zahlen und Laute in die Schule – das Ausmaß an numerischem und phonologischem Vorwissen unterscheidet sich jedoch erheblich voneinander“, sagt Mähler. Welche Merkmale bedingen diese unterschiedliche Entwicklung bis zum Schulanfang? „Anders als früher angenommen hat weniger Intelligenz, sondern die Leistung des Arbeitsgedächtnisses Einfluss auf spätere Schulleistungen.“ Bereits 4- bis 6-Jährige mit hoher Arbeitsgedächtniskapazität zeigen in allen Bereichen bessere Leistungen und stärkere Entwicklungssprünge. Sie haben stärker entwickelte numerische und phonologische Fähigkeiten, beherrschen also den Umgang mit Zahlen und sprachlichen Klängen besser.
Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, vor allem diejenigen mit schwachen Deutschkenntnissen, schneiden schwächer ab als Kinder deutscher Herkunft. „Die Benachteiligung tritt nicht erst mit Schulbeginn ein, sondern beginnt in der Entwicklung schulrelevanter Vorläuferkompetenzen“, sagt Mähler. Die Forschergruppe hat die Entwicklungsverläufe von 115 deutschen Kindern mit 52 Kindern mit „Migrationshintergrund“ verglichen: „Trotz vergleichbarer Lernmöglichkeiten während der zwei Jahre im Kindergarten bleiben Kinder mit Zuwanderungsgeschichte in den schulischen Vorläuferkompetenzen hinter den deutschen Kindern zurück.“ Daraus schließen die Forscher: „Eine niedrige Arbeitsgedächtniskapazität und Migrationshintergrund sind Risikofaktoren." Der sozio-ökonomische Status der Familie und die häusliche Lernumwelt seien schon im Kindergartenalter für die Ausbildung von Vorläuferkompetenzen von Bedeutung.
Was heißt das für den Kindergartenalltag? Gewisse Vorhersagen über Probleme sind schon bei Vierjährigen möglich. Die Studienautoren raten daher, mit Diagnosen nicht bis zum Schulalter zu warten. "Risikokinder könnten bis zum Schuleintritt in ihren Arbeitsgedächtnisleistungen, phonologischen und numerischen Kompetenzen gefördert werden, um das Risiko von Schulversagen zu vermindern“, fordert Mähler. Wenn ein Kind deutliche Entwicklungsverzögerungen zeige, dies früh erkannt und mit Fördermaßnahmen kombiniert werde, stiegen die Entwicklungschancen beträchtlich. Die „phonologische Bewusstheit“ zu trainieren, könne mit Präventionsprogrammen gelingen. Dabei entwickeln die Kinder ihren Sinn für die Lautstruktur von Sprache, hören Melodien und Silben, erkennen zum Beispiel dass im Wort "Auto" kein "i" ist. Eine wichtige Voraussetzung, um die Schriftsprache zu erlernen.
Ob auch die möglicherweise angeborene Quelle für schwache Schulleistungen - Defizite im Arbeitsgedächtnis - durch spezielles Training auszutrocknen ist, können die Psychologen noch nicht sagen. Das wollen sie nun in einer zweiten Studie prüfen.