Burkhard Wagner war verzweifelt. Der Chef der Strategieberatung Advyce und sein Team hatten „sich eine Riesenmühe gemacht“, um den 300 Führungskräften eines Klinikkonzerns mit 60 Häusern im Herbst des vergangenen Jahres die neue Managementstrategie beizubringen. Binnen vier Monaten sollten die leitenden Mitarbeiter in Onlinetrainings über die Grundlagen der wertorientierten Unternehmensführung unterrichtet werden, ein neues System von Leistungsanreizen sollte umgesetzt werden. Wichtigste Ziele der Übung: Die Auslastung der Betten sollte sich verbessern, weniger Material verwendet werden. Aber von den Führungskräften, die dies weitertragen sollten, zog kaum jemand mit. Niemand rief das Schulungsmaterial zu Aufklärung und Training der Teams ab, die Unterlagen mit Tipps zur Kommunikation mit den Kollegen holte sich nur jeder fünfte ab. Und gerade einmal zwei von 45 Führungskräften teilten die neuen Ziele und Zahlen ihren Teams mit, die neue Managementstrategie kam bei den meisten Mitarbeitern also gar nicht an. An die Umsetzung war somit nicht einmal zu denken. Was Wagner vor allem wunderte: Nur jeder zehnte Vorgesetzte hatte sich mit den neuen Kennzahlen beschäftigt, sie hinterfragt oder eine Anpassung für seinen Bereich gefordert. Und das, obwohl diese Zahlen auch die Basis für ihre persönlichen Boni waren.
Der Fall, das weiß Wagner inzwischen, ist typisch für die Probleme bei digitalen Weiterbildungsangeboten. Die kommen zwar immer häufiger zum Einsatz, weil Mitarbeiter inzwischen von überall aus arbeiten und somit nur auf digitalem Wege zuverlässig zu erreichen sind. Zugleich aber fehlt die soziale Kontrolle, wie sie bei Vor-Ort-Schulungen gegeben ist. Gerade dort, wo viele eigenständige kleine Teams auf ein übergeordnetes Ziel eingeschworen werden sollen, seien interne Plattformen, Teams-Tutorials und Sharepoint-Lösungen weniger nützlich als etwa bei einem konkreten Projekt mit nur einem einzelnen Ansprechpartner wie einem Werksleiter.
Ebenfalls gut funktionieren Schulungen, wenn sich die Teilnehmer ihre Schwerpunkte dafür selbst suchen und ihren eigenen Interessen folgen können. Das zeigt nicht zuletzt der Umsatzrekord, den der IT-Branchenverband Bitkom kürzlich vermeldet hat: 2,9 Milliarden Euro haben die Deutschen für Apps mit Spielen, aber eben auch Lernprogramme und Büroanwendungen ausgegeben.

24 Minuten Zeit pro Woche
Unternehmen kommen deshalb nicht darum herum, mehr Aufwand in die Motivation für digitale Fortbildungen zu stecken. Lennart Rother, Chef von Evelopme, der Coachingtochter des Beratungshauses Kienbaum, rät Arbeitgebern deshalb, auch den persönlichen Nutzen für die Teilnehmer herauszustellen. Wenn eine Schulung sowohl für das Unternehmen als auch für die eigene Karriere dienlich zu sein scheint, dann ist der Anreiz für die Teilnahme hoch. So lasse sich die „intrinsische Motivation der Mitarbeiter zur Entwicklung auch fürs Erreichen der Unternehmensziele einsetzen“.
Im besten Fall sollte es zudem einen aktuellen Anwendungsfall geben, ist Francesco Gerweck von der IT-Beratung Kobaltblau überzeugt. „Wird ein Training nicht angewandt, vergisst es das Gehirn schnell wieder.“ Zudem werde bei der Planung zu wenig Zeit darauf verwendet, ob eine Schulung in den Kalender des Mitarbeiters passt. „Im Schnitt haben Mitarbeiter nur 24 Minuten pro Woche Zeit zum Lernen“, weiß der Berater.
Methodik
Das Marktforschungsinstitut ServiceValue hat Nutzer von 132 Anbietern digitaler Weiterbildung befragt, wie zufrieden sie mit deren Leistung sind. Im September 2021 kamen auf diese Weise mehr als 12.000 Urteile in Form von Schulnoten zusammen. Daraus wurden die Durchschnittsnoten der Anbieter berechnet, auf denen die Rangfolge der folgenden Tabellen basiert. Zu jedem der gelisteten Anbieter gab es mindestens 35 Bewertungen.
Durch Trainings durch zu hetzen, weil man im Alltagsstress ist und die liegen bleibende Arbeit im Hinterkopf hat, sei sinnlos. Wenn man sich darauf nicht einlassen kann, bleibe das Erlernte nicht hängen. Des Weiteren sind für die Auswahl des Trainings persönliche Empfehlungen wichtig. Gerweck rät Führungskräften, entweder auf sozialen Netzwerken oder im Kollegenkreis Erfahrungen mit einem Training zu erfragen, bevor dieses für die ganze Mannschaft gebucht wird. Schlussendlich sollten Unternehmen sicherstellen, dass es Aufbaumodule zum jeweiligen Training gibt.
Berater Wagner veränderte das Coaching beim Klinikkonzern schließlich ganz grundsätzlich, um die gesteckten Ziele doch noch zu erreichen. Ohne direkten menschlichen Kontakt, so seine Einsicht, werde es nicht gehen. Die Advyce-Berater erklärten in drei Veranstaltungen am Bildschirm je 100 Führungskräften via Zoom, wie die neue Strategie aussehen solle. „Plötzlich war der Dialog zwischen Top-Management und Führungskräften möglich, endlich kamen kritische Fragen“, erzählt Wagner, aus dessen Sicht das Projekt danach fast von selbst lief – weil einige Führungskräften eine Vorbildfunktion übernahmen. Sie probierten Dinge aus, tauschten sich mit ihren Kollegen über erste Erfahrungen und erste Erfolge aus, berichteten anderen, wie sie die Sachkosten gesenkt hatten und Ressourcen effizienter nutzten.
Damit brachten sie auch die anderen Führungskräfte auf Ideen. „So trugen dann auch alle gemeinsam das Gesamtkonzept“, sagt Wagner. „Interaktion und die direkte Ansprache via Zoom am Bildschirm haben sich als der Schlüssel zum Erfolg erwiesen.“ Zumindest, wenn die Führungskräfte diese Einsicht nun auch in ihre Teams tragen – und dabei ebenfalls den persönlich Draht suchen, anstatt nur mit anonymen, digitalen Vehikeln zu arbeiten.
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