Die einzige Rettung vor der Plagiatsparanoia ist daher wohl eine gute wissenschaftliche Ausbildung. Dazu gehört vor allem der kritische Umgang mit Sekundärliteratur und schriftlichen Quellen. Und dazu gehört das Schreiben eigener Texte, an denen die Technik wissenschaftlichen Arbeitens unter Anleitung erprobt wird. Es reicht jedenfalls nicht, den Studenten ein Buch über Zitiertechniken zu empfehlen, um zu verstehen was wissenschaftliches Arbeiten heißt.
Wissenschaftsberaterin Natascha Miljković hält die bisherigen Maßnahmen der Hochschulen – etwa durch Einführung von Plagiatssoftware und Erneuerung ihrer „Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis“ – nicht für ausreichend. „Als präventive Plagiatsprüferin stelle ich fest – diese Umsetzungen alleine nützen so nicht viel“, so Miljković. „Wissenschaftliches Schreiben muss man einüben!“ Verhindern könne man jedoch ein „Zuviel an fehlenden Zitaten“, indem man Studierende schon während des Studiums schreiben lasse und ihnen entsprechende Rückmeldung gebe. „Studierenden muss aufgezeigt werden, warum man zitieren muss“, so Miljković. „Das wird häufig nicht verstanden, da man fast ausschließlich lehrt, wie man zitieren soll.“
Andrea Bausch versucht ihren Kunden in der Schreibberatung „zu erklären, dass so gut wie jedes Thema, das die Studierenden bearbeiten, eine lange wissenschaftliche Vorgeschichte hat, weswegen sie in ihren Hausarbeiten auch nicht bei null beginnen müssen“, so Bausch. Diese Vorgeschichte vergleicht sie mit einem Flickenteppich: „Da gibt es ältere und neuere Flicken, größere und kleinere – will heißen: Es gibt ältere und neuere Forschung zu dem Thema, es gibt einerseits bedeutsame, gesicherte, tragfähige Erkenntnisse und andererseits noch ungesichertes Wissen, Hypothesen oder Diskussionsbeiträge.“ Sie mache den Studierenden dann klar, dass sie in ihren Arbeiten die Flicken nutzen müssen – wie ausführlich, das hänge von der Art der Arbeit ab. Und ganz wichtig: „Ich versuche zu vermitteln, dass die Studierenden mit ihren Arbeiten diesem Flickenteppich spätestens ab der Bachelorarbeit, garantiert aber ab der Masterarbeit, auch selbst einen kleinen Teil hinzufügen.“ Außerdem lasse sie Studierende in anderen Texten selbst nach absichtlich eingebauten Plagiaten suchen. „Und: Die Studierenden finden in der Regel die Plagiate!“, so Bausch.
Schreibberaterin Christine Braun empfiehlt Studenten, Ausschnitte aus fremden Texten zu lesen und herauszufinden, was daran eine Eigenleistung des Autors ist, und wie er zitiert. In der Beratung selbst arbeitet sie dann – wie auch ihre Kolleginnen – konkret an den mitgebrachten Texten. Monika Beck nimmt den Studenten, die sich vor dem „versehentlichen Plagiat“ fürchten, die Angst: „Wenn Prüfer eine Abschlussarbeit lesen, geht es darum, dass der Student das Prinzip verstanden hat.“ Wer die Grundlagen beherrscht und selbst formuliert, aber auch sicher mit den Zitiertechniken umgeht, der müsse sich keine Sorgen machen, so die Schreibberaterin. Wer in seiner Arbeit einen eigenen Gedanken aufschreibt, den zufälligerweise bereits ein anderer in einem Buch veröffentlichte, muss den Plagiatsvorwurf nicht fürchten. Wenn die entsprechende Passage selbst formuliert wurde, wird der Gedanke nicht als absichtliches Plagiat gewertet werden. „Der Dozent erkennt schon, ob der Text selbst formuliert ist."