Gute Nachrichten für Bafög-Empfänger: Im kommenden Jahr verspricht ihnen Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) mehr Geld. Das geht aus einem Eckpunktepapier des Ministeriums hervor. Ab Herbst 2019 zahlt der Staat einen Wohnzuschuss von 325 Euro statt nur 250 Euro.
Außerdem soll der Höchstsatz der gesamten Förderung von 735 Euro auf rund 850 Euro monatlich steigen. Durch die Reform sollen mehr Studenten vom Bafög profitieren, so der Anspruch der Ministerin.
Doch ein Papier der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt: Auch wenn die Anhebung der Förderung am wichtigsten ist, werden wesentliche Probleme ignoriert. Denn 81 Prozent der Studenten fallen durchs Förderungsraster. „Seit Jahren werden nicht mehr alle Bafög-Mittel abgerufen und doch müssen zwei Drittel der Studierenden arbeiten gehen, um ihr Studium zu finanzieren“, heißt es in einem 11-Punkte-Plan zur Reform des Bafög. Die Ursache ist schnell ausgemacht: Das Fördersystem geht – trotz zahlreicher Erneuerung – an den heutigen Bedürfnissen der Studenten vorbei. „Wir brauchen strukturelle Änderungen“, fordert daher Achim Meyer auf der Heyde, Mitautor der Reformideen.
Er ist Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks und sieht eine massive Lücke zwischen den formalen Bafög-Bestimmungen und der Realität der Studenten. „Die Politik fordert lebenslanges Lernen. Doch die Altersgrenze für das Erststudium liegt bei 30 Jahren. Das passt nicht zusammen“, sagt er.
Schulden nach 20 Jahren erlassen
Denn wer nach einer Zeit im Beruf nochmal in Vollzeit studieren will, muss sich in den meisten Fällen privat finanzieren. Denn Bafög gibt es in der Regel nur für die Erstausbildung von Studenten unter 30.
Ohne großes Vermögen, finanzieller Unterstützung der Familie oder einen Kredit platzt damit für viele der Traum vom Studium.
Die Altersgrenze müsse angehoben oder ganz außer Kraft gesetzt werden, fordert daher die FES. Das sieht das Ministerium in der kommenden Reform aber nicht vor.
Stattdessen plant die Regierung neben der Erhöhung der Bedarfssätze auch die Einkommensfreibeträge anzuheben. Ab 2019 sollen Studenten neun Prozent mehr hinzuverdienen dürfen, ohne dass es angerechnet wird. Auch der Vermögensfreibetrag steigt: Bafög-Empfänger dürfen dann sogar 8500 Euro statt wie zuvor 7600 Euro besitzen. Wer Kinder oder einen Ehepartner hat, der finanziert wird kann nochmal 2300 Euro (zuvor 2100 Euro) hinzurechnen. Das Ziel: die Förderung soll mehr Menschen erreichen, wie auf der Homepage des Ministeriums zu lesen ist.
Außerdem will Karliczek Studenten die Angst vor lebenslangen Schulden nehmen. Deswegen soll das Darlehen, der Bafög-Anteil den man zurückzahlen muss, bei nachgewiesen geringem Einkommen nach 20 Jahren erlassen werden. Im Koalitionsvertrag sind für alle Maßnahmen im Zeitraum von 2018 bis 2021 zusätzlich eine Milliarde Euro vorgesehen. „Das wird kaum ausreichen“, meint jedoch Meyer auf der Heyde. Von einer „Trendumkehr“, wie es im Koalitionsvertrag steht, könne keine Rede sein.
Nervenaufreibende Bürokratie
Laut Analyse der FES-Stiftung sind die Voraussetzungen für eine Förderung zu engmaschig. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Altersgrenze. Doch laut FES gibt es noch weitere Punkte, die bis Herbst 2020 durchgesetzt werden könnten, um das Bafög tatsächlich mehr Menschen zugänglich zu machen. Darunter fällt der Zuschlag für die Krankenversicherung. Für Studenten über 30 sind die Beiträge doppelt so hoch wie für die jüngeren. Das müsse geändert werden.
Problematisch sei auch die Förderungshöchstdauer, die sich nach der Regelstudienzeit richtet. Diese wird laut Statistischem Bundesamt von nur einem Drittel der Studenten eingehalten. Wer also länger studiert, muss sich selbst finanzieren. Bafög-Empfänger müssen zudem nach dem 4. Semester einen Leistungsnachweis erbringen, um weiterhin Geld zu erhalten. „Viele schaffen das gar nicht. Sie fallen dann aus dem Fördersystem und müssen mehr arbeiten. Das wiederum verlängert die gesamte Studiendauer“, erklärt Meyer auf der Heyde die Folgen.
Er kritisiert auch die Regelung, dass bei einem zweiten Fachwechsel das Bafög entfällt. Dabei orientiert sich das Amt an der Bezeichnung der Fächer. „Wir haben Deutschlandweit aber mittlerweile 17.000 Studiengänge. Das es da Überschneidungen gibt, ist logisch“, so der Studienautor. Das sollte berücksichtigt werden.
Nervig sei auch, dass die Anträge auf Papier ausgefüllt werden müssen. Das dauert bei der kleinteiligen Abfrage bis zu 5,5 Stunden, heißt es in dem Papier. Hinzu kommt, dass die Angaben in 99 Prozent der Fälle unvollständig sind. „Vermitteln Sie das den heute technisch affinen Studenten“, scherzt Meyer auf der Heyde. Eine Lösung wäre ein digitaler Antrag, der automatisch die Eingaben überprüft. Der würde zwar nicht unmittelbar die Kosten senken. „Aber das Warten auf einen Bescheid würde sich garantiert verkürzen.“ Heißt: Diejenigen, die Geld vom Staat bekommen, müssen weniger warten, bis das ohnehin knappe Geld auf ihrem Konto ist. Aber das ist auch im Jahr 2018 noch Zukunftsmusik.