
Der Weg zu einem attraktiven Studienplatz in Jura oder Medizin ist ohnehin oft mit Wartezeit und Enttäuschungen gepflastert. Dass es schon seit langem im System der Hochschulzulassung knirscht, macht die Sache umso ärgerlicher. Und das könnte noch auf Jahre so bleiben, wie ein Lagebericht der Kultusministerkonferenz der 16 Bundesländer (KMK) jetzt aufzeigt. Die Situation sei „nicht zufriedenstellend“, heißt es dort. Keine gute Ausgangslage für viele Abiturienten während der im Juli endenden Bewerbungszeit fürs Wintersemester 2016/17.
Die Verteilung von Studienplätzen mit Numerus Clausus (NC) läuft auch nach sechsjähriger Anlaufphase noch nicht rund. Nur 100 von 180 staatlichen Universitäten und Fachhochschulen, die NC-beschränkte Bachelor-Studiengänge anbieten, beteiligten sich im Wintersemester 2015/16 an der eigens dafür eingerichteten bundesweiten Studienplatzbörse, dem „Dialogorientierten Vergabeverfahren“ (DoSV). Ein Jahr zuvor waren es sogar erst 89 gewesen. Der Positivtrend im Vergleich der Sommersemester 2015 und 2016 fiel ähnlich bescheiden aus.
Am Ende blieben im vorigen Wintersemester von 252.000 Bachelor-Plätzen mit örtlichem NC gut 11.500 unbesetzt - Frustpotenzial für Studierende, die vorher Absagen für ihr Traumfach erhalten hatten. Das entsprach einer Quote von 4,6 Prozent, immerhin weniger als im Jahr zuvor (6,3 Prozent). Dennoch bewertet die KMK das Online-Verfahren der zuständigen „Stiftung für Hochschulzulassung“ als problematisch. Dieser Eindruck gelte „im Hinblick auf die Planungsunsicherheiten, den erheblichen Aufwand sowie die Belastungen des Studienbetriebs im ersten Semester sowohl für die Studierenden als auch für die Hochschulen“.
Wo die Hürden für Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften besonders hoch sind - und wo nicht
Zum Wintersemester 2016/2017 sind deutschlandweit 52,9 Prozent aller Studiengänge aus dem Fachbereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zulassungsbeschränkt. Heißt: Ohne einen bestimmten NC wird es mit dem Jura- oder BWL-Studium nichts.
Wer in Baden-Württemberg ein Fach aus dem Bereich Ingenieurswissenschaften studieren möchte, braucht ein gutes Abiturzeugnis: 65,9 Prozent der Fächer haben einen NC.
Im Freistaat sind die Universitäten schon deutlich entspannter, wie die Daten des CHE zeigen: Nur 40,4 Prozent der Fächer haben einen NC.
Überdurchschnittlich hoch sind die Zulassungsbeschränkungen für angehende Juristen, Wirtschafts- oder Sozialwissenschaftler in der Bundeshauptstadt. In Berlin haben 55 Prozent der entsprechenden Studienfächer einen NC.
In Brandenburg ist NC-Quote mit 52,2 Prozent nur unwesentlich geringer.
Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil an Fächern mit NC in Bremen: 80,8 Prozent sind zulassungsbeschränkt. Einen höheren Anteil gibt es nur noch im Saarland.
In Hamburg müssen angehende Juristen & Co. bei 51,6 Prozent der Fächer mit einem Numerus Clausus rechnen.
Wer in Hessen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studieren möchte, sollte wissen, dass an den dortigen Unis 50 Prozent der entsprechenden Fächer zulassungsbeschränkt sind.
In Mecklenburg-Vorpommern ist die NC-Quote in diesem Fachbereich bundesweit am niedrigsten: 28,8 Prozent der Fächer haben einen NC.
75,6 Prozent der Fächer aus dem Bereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind in Niedersachsen zulassungsbeschränkt.
An den Unis in Nordrhein-Westfalen haben 45,2 Prozent der Fächer einen Numerus Clausus.
In Rheinland-Pfalz ist der Zugang zu einem entsprechenden Studienfach etwas höher. Der Anteil an Zulassungsbeschränkungen liegt bei 49 Prozent.
Am größten sind die Hürden im Saarland: Hier gibt es auf 81,3 Prozent der Fächer einen NC.
In Sachsen beträgt der Anteil dagegen 49,1 Prozent.
Auch Sachsen-Anhalt ist mit 46,1 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.
In Schleswig-Holstein beträgt der Anteil zulassungsbeschränkter Fächer 59,6 Prozent.
In Thüringen haben 37,2 Prozent der Fächer einen NC.
Laut KMK-Bericht ans Bundesbildungsministerium, der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt, sind die derzeitigen Möglichkeiten des Zulassungsmanagements „ausgereizt“. Nötig sei eine flächendeckende Einführung des DoSV, um Bewerbungen in einer gemeinsamen Datenbank zu erfassen und abzugleichen.
Die Stiftung für Hochschulzulassung hatte sich im Mai 2010 als Rechtsnachfolger der ebenfalls umstrittenen „Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen“ (ZVS) konstituiert. Die Kritik am DoSV konzentriert sich vor allem auf zwei Mängel: zum einen die stets zögerliche Teilnahme staatlicher Hochschulen an der Datenbank - zum anderen Mehrfachbewerbungen von Studienberechtigten, die auf Nummer sicher gehen wollen und so letztlich begehrte Plätze etwa in Rechtswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre oder Humanmedizin blockieren.
Das Bundesbildungsministerium hatte schon Mitte April einräumen müssen, das DoSV werde mit seiner Bewerbungswebseite „hochschulstart.de“ noch bis 2018 unzureichend funktionieren. „Um volle Wirksamkeit entfalten zu können, müssen möglichst alle der rund 180 Hochschulen mit örtlich zulassungsbeschränkten grundständigen Studiengängen an das DoSV angebunden sein“, hieß es in einer Stellungnahme auf Anfrage der Linken im Bundestag.
Bewerber erfahren zu spät, ob sie einen Platz bekommen
Die Linke-Hochschulexpertin Nicole Gohlke sagte der dpa: „Jahr für Jahr erleben wir durch willkürliche Zugangsbeschränkungen und unnötige Mehrfachbewerbungen das reinste Chaos bei der Studienplatzvergabe.“ Leidtragende seien alle Bewerber, die wertvolle Zeit verlören, „weil sie oftmals zu spät von Zu- oder Absagen erfahren und dann nicht mehr die Möglichkeit haben, sich zum Beispiel noch rechtzeitig auf einen Ausbildungsplatz zu bewerben“. Die Linke will schon länger ein „Bundeshochschulzulassungsgesetz“ zur besseren zentralen Steuerung des Verfahrens. Dafür sieht das Bundesbildungsministerium aber „keinen Regulierungsbedarf“. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) warnt derweil davor, zusätzliche Kosten für das DoSV auf die Unis abzuwälzen, und sieht die Länder in der Verantwortung. Außerdem sei die Anzahl der teilnehmenden Hochschulen in den Vorjahren doch schon kontinuierlich gestiegen.
Von Bundesland zu Bundesland ist die Zahl der Hochschulen, die bei der Studienplatzbörse mitmachen, jedoch sehr unterschiedlich. So beteiligte sich laut KMK-Bericht in Mecklenburg-Vorpommern von vier Hochschulen keine einzige, in Schleswig-Holstein nur eine von sieben, in Hamburg eine von fünf, in Hessen drei von zehn. Unterdurchschnittlich war die Teilnahme auch in Niedersachsen (37,5 Prozent) und Baden-Württemberg (39,39). Über dem Bundesschnitt von 55,5 Prozent lagen Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt - sowie Thüringen und Bremen mit satten 100 Prozent DoSV-Beteiligung.