Eineinhalb Stunden dauert eine Zugfahrt von Berlin nach Cottbus. Das sind 90 Minuten durchs Nichts: Feld, Wald, Feld, Wald. Wer zwischendurch einen Blick auf ein Haus erhaschen möchte, darf das Fenster nicht aus den Augen lassen. In Cottbus angekommen, fallen besonders die vielen jungen Menschen am Bahnhof auf. Was wollen sie bloß hier?
Cottbus, das ist eine 100.000 Einwohner-Stadt im tiefsten Osten Deutschlands. Das Aushängeschild: Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg. Wer hier studiert, betrachtet die Stadt nicht als langweiliges Provinzkaff, sondern als willkommene Abwechslung zum Hauptstadt-Trubel.
„Wissen Sie, warum ich hierher gekommen bin?“, fragt Informatik-Professor Jörg Nolte. „Weil Cottbus dicht an Berlin ist.“ Er war der festen Überzeugung, Berlin sei die einzige Stadt in Deutschland, in der man gut leben könne. Als Nolte einen Job an der Uni Cottbus bekam, stand ein Umzug erst nicht zur Debatte. „Irgendwann bin ich doch hergezogen“, gibt er zu. „Und siehe da: Cottbus ist eine richtig nette Stadt.“ An Noltes Jacket blitzt ein kleiner runder Anstecker mit der Aufschrift „I love BTU“.
Die Universität liegt zehn Gehminuten von der Altstadt mit ihren bunten Häuschen entfernt. Die Studentenwohnheime neben der Universität sind ebenfalls abwechslungsreich gestrichen: eines ist blau, eines rosa, ein anderes gelb. Die Bauweise: Wohnblock. Ein Fenster neben dem anderen, eine Tür in der Mitte des Erdgeschosses. Die Chance, als Student einen Wohnheimplatz zu bekommen, ist hier vergleichsweise hoch. Einer Erhebung des Deutschen Studentenwerkes zufolge gibt es Zimmer für fast ein Viertel der Studierendenschaft. Zum Vergleich: In Potsdam liegt die Unterbringungsquote bei acht Prozent, in Berlin bei fünf.
Cottbus ist nicht die einzige Stadt mit einer guten Unterbringungsquote, das gilt für viele kleine Universitätsstädte. In Freising kommt zum Beispiel ebenfalls ein Viertel der Studierendenschaft im Wohnheim unter. Doch in Sachen-Preis-Leistung kann kein Uni-Standort mit Cottbus mithalten: Laut einer Studie des Moses Mendelssohn Institutes ist Cottbus gemessen an den Mietpreisen auf dem freien Markt (Wohnheimzimmer wurden in der Erhebung nicht berücksichtigt) der günstigste Studienort Deutschlands. Ein WG-Zimmer kostet durchschnittlich 208 Euro. Zum Vergleich: In München zahlen Studenten im Schnitt 580 Euro für ein WG-Zimmer.
Wenige Meter von den Wohnheimen entfernt steht das Hauptgebäude der Uni Cottbus: Ein moderner Bau mit großen Fenstern, weiß gestrichenen Wänden und Betonboden. Dass es einmal ein Plattenbau war, ist nicht mehr zu erkennen. Im ersten Stock des Hauptgebäudes hat Informatik-Professor Nolte sein Büro. Im Raum nebenan sitzen drei Informatik-Studentinnen vor ihren Computern. Sie alle antworten ähnlich auf die Frage, warum sie in Cottbus studieren. Die Universität sei schön und nicht so anonym: Hier kennen die Professoren die Namen ihrer Studenten. „Und das Essen in der Mensa ist super - was will man mehr?“, wirft eine der Studentinnen ein.
An der Fakultät für Informatik umfasst ein Jahrgang nicht einmal 50 Studenten, aufgeteilt auf drei Studienrichtungen. Alle Fakultäten zusammengenommen studieren an der BTU aktuell rund 7600 Menschen. „Für die Informatik wünsche ich mir, dass wir in den nächsten Jahren doppelt so viele Studienanfänger haben“, sagt Claus Lewerentz, Sprecher des Instituts für Informatik. „Wir haben ein Standort-Image-Problem“, gibt er zu. Worauf er anspielt, sind die Demonstrationen von Rechtspopulisten und Klischees über die östliche Einöde.