Studium Die härtesten Auswahlverfahren an deutschen Universitäten

Praxistests, Argumentieren, logisches Denken - die Übungen in den Auswahlverfahren sind vielfältig. Drei Beispiele zeigen, wie hart die besonders gefragten Universitäten heute ihre Bewerber aussieben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Leuphana Universität Lüneburg

Jugend-Nationalspieler im Handball? Fünf Punkte. Strahlender Sieger bei „Jugend forscht“? Sieben Punkte.

„Studienrelevante außerschulische Leistungen“ heißt der Katalog, mit dem die Leuphana Universität in Lüneburg ihre Bewerber vermisst. Die Liste lässt ahnen, welche Studenten man hier über den makellosen Rasen wandeln sehen möchte. Denn die Zusatzpunkte werden auf das Abitur angerechnet: Die 20 Zähler für ein anständiges 2,0-Abitur beispielsweise können so zu einer sehr guten Bewerbung veredelt werden.

Leuphana Universität. An den Namen – lateinisch für Lüneburg – müssen sich viele noch gewöhnen. Hervorgangen aus einer Hochschulfusion, firmiert die Uni seit 2005 als unabhängige Stiftung, eine der ersten öffentlichen in Deutschland.

Die Leuphana Universität testet Auffassungsgabe, logisches Denken, Sprachgefühl

Zum Aufbruch gehört auch das harte Aussieben der Studenten in spe, das die Uni seit 2007 durchführt. Knapp 1000 Bewerber erscheinen jedes Jahr für die Tests in Lüneburg, um sich für etwa 500 Studienplätze in fünf Studiengängen zu empfehlen.

Die intensive Betreuung der Bewerber vor Ort täuscht kaum über das harte Tagesprogramm hinweg. Er suche die „Bereitschaft, sich selbst zu fordern“, sagt Leuphana-Präsident Sascha Spoun.

Eine halbe Stunde müssen die Kandidaten vor einer Jury Rede und Antwort stehen. Hier müssen viele Einser-Abiturienten dann erst beweisen, dass sie auch über Eigenschaften wie Teamfähigkeit verfügen. Das gilt auch für die Gruppendiskussion: Die Bewerber halten Kurzreferate und müssen die Diskussion ihrer Gruppe leiten. Die Forschung an embryonalen Stammzellen wird dann diskutiert oder die Erweiterung der Europäischen Union. Eine Stunde lang.

Zur Bewertung der Persönlichkeit gehört darüber hinaus ein schriftlicher Zulassungstest. Er prüft die Eigenschaften, die die zukünftigen Studenten brauchen werden: Auffassungsgabe, logisches Denken, Sprachgefühl.

Die Einschreibquote ist der Lohn für den Aufwand: Sie liegt regelmäßig um die 70 Prozent, deutlich über der anderer staatlicher Unis. Sie überbuchen ihre Studienplätze in der Regel zu 100 Prozent, weil zu viele wieder abspringen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum das Auswahlverfahren der Zeppelin Universität eines der härtesten in Deutschland ist.

Zeppelin Universität

Ihre Milch kauft Christina Veldhoen am liebsten beim Bauern. Der Spaziergang dorthin führt sie im Winter über schneebedeckte Hügel mit Blick auf die Alpen. Die winterliche Studentenidylle trügt jedoch. Wer am Nordufer des Bodensees studieren möchte, muss sich anstrengen. Das Auswahlverfahren der 2003 gegründeten privaten Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen gehört zu den schwierigsten in Deutschland.

Veldhoen schickte zunächst Lebenslauf und Zeugnisse. Gefordert war außerdem ein Fragebogen. Zehn Fragen sollten mit jeweils einem Satz beantwortet werden. Auszug: Glauben Sie, dass es heute einen ähnlichen Irrtum gibt wie die Vorstellung der Welt als Scheibe? Manche verzweifeln bereits an solchen Aufgaben.

Am Auswahltag selbst wartete auf die Bewerber dann bereits ein Bus am Campus. Die Gruppe wurde zum Werksgelände der Zeppelin Luftschifftechnik gefahren. Zu fünft bekamen damals Veldhoen und ihre Mitstreiter eine Aufgabe gestellt: Wie kann der Medienauftritt der Luftschiffe intelligenter und vor allem effektiver gemacht werden?

Zeit: eine Stunde. Während sie berieten, schauten ihnen die Mitglieder der Auswahlkommission ständig über die Schulter. Am Ende mussten sie noch schnell eine Stegreif-Präsentation halten – auch vor leitenden Mitarbeitern des Unternehmens. Blenden unmöglich.

"Hammerharte" Auswahlgespräche an der Zeppelin Universität

Individuell und persönlich sei der Ansatz, sagt ZU-Sprecher Rainer Böhme. Man könnte auch sagen: hart und fordernd.

Besonders stolz ist die Uni darauf, die Bewerber mit der Wirklichkeit zu konfrontieren: In den vergangenen Jahren wurden sie etwa zum Molkereiunternehmen Hochland oder den Katamaran-Werften geschickt. Festgelegte Prüfkriterien gibt es bei der Auswahl nicht. Die ZU will vor allem eines nicht sein: erwartbar.

Der Tag für Christina Veldhoen war nach der Zeppelin-Analyse noch nicht beendet. Es folgten Prüfungen in Englisch, Deutsch und Mathe, dann zwei Auswahlgespräche. Stundenlang. „Hammerhart“ sei das gewesen. Veldhoen meisterte die Übungen aber souverän. Ihre Belohnung: ein Studienplatz. Inklusive Idyllischer Wanderungen zum Bauernhof.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Bucerius Law School ihre Bewerber auswählt.

Wer sich an der Bucerius Law School bewirbt, braucht Ausdauer. Allein schon für die Vorbereitung: 43 Seiten lang ist die Informationsbroschüre, mit der sich Bewerber auf die Aufnahmeprüfung an Deutschlands erster privater Jura-Hochschule vorbereiten.

Knapp 600 Anwärter kämpfen Jahr für Jahr um die 100 Studienplätze, die trotz der Kosten von insgesamt fast 40.000 Euro extrem begehrt sind. Für die Hamburger Uni ist das eine Verpflichtung: Sie sucht die besten Abiturienten, um sich von der traditionsreichen Konkurrenz in Freiburg oder Heidelberg abzusetzen.

Dementsprechend streng wird gesiebt. Ein sehr gutes Abitur und ebensolche Englisch-Zeugnisse? Bringen hier fast alle mit. Beim schriftlichen Auswahltest am ersten Tag sind erst mal andere Fähigkeiten gefragt: Diagramme und Grafiken auswerten, Textzusammenhänge erkennen, logisches Denken demonstrieren, Rechtsfälle entscheiden.

Bewerber an der Bucerius Law School absolvieren zwei Einzelgespräche

Die Taktung ist knapp: 126 Aufgaben in 200 Minuten. Danach noch ein Essay schreiben, etwa zum Thema: Sollten die Olympischen Spiele in Peking boykottiert werden? Da ist weniger die Meinung, sondern die Form gefragt. Wie wird argumentiert, auf welchem sprachlichen Niveau? Nicht ganz einfach, wenn nur 45 Minuten Zeit bleiben.

Natürlich sei das Verfahren anstrengend, sagt Hariolf Wenzler, Geschäftsführer der Law School: „Unsere Bewerber sind aber auch auf dem Höhepunkt ihrer intellektuellen Fähigkeiten.“ Ein gutes Drittel der 600 Angereisten erreicht die mündliche Schlussrunde. Alle haben bereits im Vorfeld einen 15-minütigen Vortrag vorbereitet, der in Gruppen diskutiert wird. Alles wird beobachtet, alles bewertet. Zwei Einzelgespräche müssen sie absolvieren, zuletzt eine Gruppenarbeit mit abschließender Präsentation. „Die sollen brennen, für das, was wir hier tun“, sagt Wenzler.

Wer es geschafft hat, hilft später seinen künftigen Kommilitonen bei der Vorbereitung. Über eine zentrale Hotline stehen die Studenten der Law School für Fragen neuer Bewerber zur Verfügung. Davon gibt es immer genug, vor allem, wenn die Test-Tage näher rücken. 43 Seiten beantworten eben nicht alles.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%