Studium So wird das Auslandssemester zum Karrierevorteil

Ein Studiensemester im Ausland ist heute die Regel. Um sich heute noch mit Auslandserfahrungen bei Arbeitgebern hervorzutun, muss man sich schon was besonderes einfallen lassen.

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In diesen Ländern studieren die Deutschen am liebsten
Zuhause zu pauken ist langweilig, denken sich immer mehr deutsche Studenten und gehen zum lernen ins Ausland. Was sie dort studieren, ist von Land zu Land verschieden. In Australien studieren fast sechs von zehn deutschen Studenten Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, in Ungarn dagegen fast drei Viertel Humanmedizin. In Frankreich beschäftigt sich die Hälfte der deutschen Studenten mit der Fächergruppe „Sprach- und Kulturwissenschaften, Sport“. Quelle: dpa
Platz 10. Dänemark 2,200 deutsche Studenten schrieben sich 2010 in dänischen Hochschulen ein. Quelle: dpa
Platz 9. Spanien Auch ins sonnige Spanien zieht es die deutschen Studierenden. 2010 haben 2,700 deutsche Studenten spanische Hochschulen besucht, im Vergleich zum Vorjahr ist deren Zahl allerdings kaum gestiegen. Quelle: dpa
Platz 8. Schweden In Schweden studierten nach Angaben des statistischen Bundesamtes 2010 4000 Deutsche. Zehn Jahre zuvor waren es nur halb so viele. Quelle: dpa
Platz 7. China Auf der Beliebtheitsskala deutscher Studenten liegt China auf dem 7. Platz. 4800 Studierende entschieden sich für ein Studium an einer der Hochschulen der aufstrebenden Wirtschaftsmacht. Seine Beliebtheit ist rasant gestiegen - im Jahr 2000 hat das statistische Bundesamt nicht einmal Daten zu deutschen Studierenden in China erhoben. Quelle: REUTERS
Platz 6. Frankreich Auch nach Frankreich zieht es die deutschen Studenten. 6252 von ihnen waren 2010 dort eingeschrieben. Quelle: Reuters
Platz 5. USA 9,458 Studierende entschieden sich für ein Studium in den vereinigten Staaten. Im Jahr 2000 waren es noch knapp 10,000. Quelle: dpa

An deutschen Unis genügt meist das Ausfüllen eines Formblatts und ein kurzes Motivationsschreiben, schon steht dem Studienaufenthalt im Ausland nichts mehr im Wege. Erasmus macht es möglich. Im Januar vergangenen Jahres feierte das Austauschprogramm der Europäischen Union 25. Geburtstag. Teilnehmer können für maximal zwei Jahre an einer Universität im europäischen Ausland studieren. Die Vorteile des Programms: Keine Studiengebühren an der Hochschule im Ausland, eine finanzielle Unterstützung für den Studenten und ein relativ geringer Organisationsaufwand für die Teilnahme an dem Austauschprogramm.

Gerade diese unkomplizierte Organisation dürfte eine der Hauptgründe für die Popularität des Erasmusprogramms sein. Doch auch einige Zeit im außereuropäischen Ausland zu studieren ist leichter denn je. Viele Studenten sind sich bewusst: Selten ist es so unkompliziert für einige Zeit im Ausland zu leben, neue Leute und ein anderes Land kennen zu lernen, wie während des Studiums. Das zeigen auch Zahlen des statistischen Bundesamtes: Während im Jahre 2000 noch rund 50.000 deutsche Studenten an Hochschulen im Ausland unterwegs waren lag diese Zahl 2011 fast dreimal so hoch, bei rund 134.000.

Das wirft im Hinblick auf das spätere Berufsleben vor allem eine Frage auf: Ist ein Auslandssemester noch ein möglicher Vorteil gegenüber Mitbewerbern in meinem Traumjob? Oder gehe ich in der Masse der Studenten, die im Ausland waren einfach unter? Denn eines ist klar: So exotisch wie vor Jahrzehnten ist ein Semester in Südspanien heute sicherlich nicht mehr.

Dennoch sind sich viele Hochschulen wie Arbeitgeber einig: Ein Auslandsaufenthalt bringt immer noch Vorteile mit sich, allerdings sollte man sich bewusst manchen, wohin es gehen soll und was man während seiner Zeit im Ausland machen will. Die Frage ist also weniger: Ist ein Auslandsaufenthalt noch ein Karrierevorteil?, sondern: Wie mache ich meinen Auslandsaufenthalt zu einem Karrierevorteil?

Denn auch wenn die steigenden Studentenzahlen im Ausland eine Art „Massenphänomen Auslandssemester“ vermitteln, sieht die Realität anders aus, wie Hans van Ess erklärt: „Es trifft nicht zu, dass heutzutage nahezu jeder Studierende während seines Studiums ein Auslandssemester absolviert.“ Van Ess ist Vizepräsident für Internationales an der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU). Ähnlich sieht das Anke Kohl, Leiterin des International Office an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster: „Ein Auslandsaufenthalt ist heute nach wie vor etwas Besonderes und sehr wichtig.“ Denn auch wenn die Anzahl der Studenten, die ins Ausland gehen aktuell auf einem Spitzenwert liegt, sind es insgesamt lediglich 6,4 Prozent der deutschen Studentenschaft die den Schritt in die Ferne wagen.

"Nach wie vor etwas Besonderes"

Und auch bei den Arbeitgebern in Deutschland herrscht die Meinung: Auslandssemester, ja bitte. So erklärt Roman Dykta, Head of Employer Branding bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG: „Neben den persönlichen Erfahrungen und Eindrücken stärkt ein Auslandsaufenthalt natürlich die entsprechenden Sprachkenntnisse.“ Diese Sprachkenntnisse seien für manche Positionen sogar unabdingbar. Er ergänzt zwar, dass Auslandserfahrungen kein Muss seien, allerdings seien diese bei internationalen Einsätzen durchaus von Vorteil. Bei Daimler und der Lufthansa sieht die Sache strikter aus: Wer dort in ein Traineeprogramm aufgenommen werden will, für den sind Auslandserfahrungen Pflicht. „Mit Absolventen, die während ihres Studiums über den Tellerrand geschaut haben, haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, fasst Peter Berg, Leiter Global Talent Acquisition & Development bei Daimler seine Erkenntnisse mit Auslandsaufenthalten von Studenten zusammen.

Doch worauf sollten Studenten achten, wenn sie ihren Auslandsaufenthalt planen: Welches Land, welche Universität und welche Fächer sollten sie belegen? Dazu gibt es sicherlich kein Patentrezept, jedoch scheint ein Aufenthalt in einem ungewöhnlichen Land beim Arbeitgeber beliebt zu sein. „Asien und Südamerika sind aktuell die Top Shots. Aber auch Osteuropa und Russland bringen Aufmerksamkeit“, erklärt Frank Schmith, Leiter Personalmarketing bei der Deutschen Lufthansa. Von einem Semester in Gegenden, die mehr nach Sommer, Sonne und Strand klingen rät er hingegen eher ab: „Urlaubsdestinationen erregen weniger Interesse.“

Ähnlich sieht das bei KPMG aus, wie Roman Dykta erklärt: „Eventuell sollte ich mir die Frage stellen, welche Länder mich interessieren, die ich nicht schon durch andere Reisen oder längere Urlaube kenne, um eine Horizonterweiterung zu bekommen.“ Jedoch gäbe es bei KPMG keine Liste mit Ländern, die bevorzugt werden.

Die angesprochene Horizonterweiterung dürfte auch das Stichwort für ein erfolgreiches Auslandssemester im Hinblick auf die spätere Berufstätigkeit sein. Denn wer einige Zeit im Ausland lebt, zeigt vor allem eines: Dass er fähig ist sich an eine neue Umgebung anzupassen. „Die Erfahrung, in einem fremden Land mit fremder Kultur zurechtzukommen, fördert selbstverständlich die persönliche Entwicklung“, sagt van Ess von der LMU. Daneben sei es der Erwerb oder die Verbesserung einer fremden Sprache, das Hauptmotiv der meisten Studenten ins Ausland zu gehen, glaubt van Ess. So sei es Studenten heute zunehmend bewusst, „dass in einer globalisierten Arbeitswelt interkulturelle Kompetenzen gefragt sind und ein Auslandsemester eine gute Möglichkeit ist, diese zu stärken oder weiter zu entwickeln.“

Doch dieser Erwerb von „interkulturellen Kompetenzen“ klingt leichter als er wirklich ist. Denn gerade die Beliebtheit unter deutschen Studenten, ein Semester in der Ferne zu verbringen, kann gleichzeitig zum Hinderniss werden andere Kulturen besser kennen zu lernen. So studierten beispielsweise 2010  insgesamt rund 20.000 Deutsche an Unis in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Dass es da mitunter schwer werden kann, nicht auf andere Deutsche zu treffen, ist klar. Gleichzeitig steigt die Verlockung, einfach die Zeit im Ausland mit Menschen aus der Heimat zu verbringen. Die Gründe dafür sind einleuchtend: Man spricht die gleiche Sprache, hat einen ähnlichen kulturellen Hintergrund und findet damit schnell gemeinsame Vorlieben und Gesprächsthemen.

Dass man dabei weniger in Kontakt mit anderen Kulturen kommt und auch die Fremdsprachen weniger trainiert werden, ist ein Nachteil. Deswegen gibt Roman Dykta von KPMG einen klaren Rat: „Sinnlos wäre ein Aufenthalt im Ausland mit Fokussierung auf eine deutschsprachige Community.“ Er empfiehlt dagegen eher eine Orientierung an Einheimischen als an anderen Austauschstudenten: „Man sollte gegenüber den Menschen im Land offen sein und möglichst viele Eindrücke und Erkenntnisse ‚aufsaugen‘.“

Über das Angebot an der Uni informieren

In diesen Ländern ist Studieren richtig teuer
Platz 13: DeutschlandEine Studie der britischen Bank HSBC zeigt, welche Länder für Gaststudenten richtig kostspielig werden. Deutschland landet unter den bewerteten 13 Ländern auf dem letzten Platz. Studenten, die ein Jahr in Deutschland leben und studieren wollen, müssen demnach für das Studium an sich 635 Dollar (etwa 470 Euro) pro Jahr rechnen. Für Miete und Lebenshaltungskosten kommen durchschnittlich noch einmal 5650 Dollar oder 4200 Euro pro Jahr hinzu. Quelle: dpa
Platz 12: SpanienIn Spanien fallen für ausländische Studenten laut der Studie durchschnittliche Kosten in Höhe von 7006 Dollar (5212 Euro) pro Jahr an. Studiengebühren machen davon rund 1000 Dollar aus, der Rest entfällt auf Lebensmittel, Miete oder Kleidung. Wer dagegen zum Studieren für ein Jahr nach Taiwan geht (Platz 11) , muss schon etwas mehr Geld zur Verfügung haben. 8257 Dollar oder 6143 Euro kostet das Studium dort pro Jahr. An Studiengebühren fallen durchschnittlich 3270 Dollar an. Quelle: dpa
Platz 10: ChinaEbenfalls ein beliebtes Ziel für ausländische Studenten ist China. Wer dort zwei Semester an der Uni verbringen möchte, muss mit 3983 Dollar (2963 Euro) Studiengebühren und 4783 Dollar (3559 Euro) Lebenshaltungskosten rechnen. Quelle: AP
Platz 9: RusslandIn Russland kostet das Studium pro Jahr durchschnittlich 3131 Dollar. Hinzu kommen noch einmal gut 6310 Dollar an Lebenshaltungskosten. Insgesamt kostet ein Jahr in Russland Studenten also 9441 Dollar oder 7024 Euro. Quelle: dpa
Platz 8: JapanDeutlich teurer ist das Auslandsstudium in Japan: 19.164 Dollar (14.258 Euro) kostet ein Jahr wohnen, essen und studieren im Land des Lächelns. 6522 Dollar davon sind Studiengebühren, 12.642 Dollar fallen für Lebenshaltungskosten an. Quelle: REUTERS
Platz 7: HongkongNoch einmal fast 3000 Dollar teurer ist das Studium in Hongkong. 22.443 Dollar (16.698 Euro) kostet das Jahr in der Sonderverwaltungszone an der Südküste Chinas. Quelle: REUTERS
Platz 6: SingapurIn Singapur zahlen ausländische Studenten rund 14.885 Dollar Studiengebühren und 9363 Dollar für Miete, Essen und Kleidung. Insgesamt kostet der Aufenthalt also 24.248 Dollar (18.041 Euro) im Jahr. Quelle: dpa

Doch wie erreicht ein Student, möglichst viel vom Auslandssemester mitzunehmen, sei es kulturell als auch sprachlich? Da empfiehlt es sich zunächst das passende Land zu finden, das eventuell unter Deutschen nicht auf Rang Eins der Beliebtheitsskala rangiert. Das verringert die Wahrscheinlichkeit, auf seinesgleichen zu treffen und damit auch die Verlockung, in bekannten Gefilden zu bleiben. „Die Ideen, auf die alle kommen, bringen am Ende am wenigsten“, sagt Hans van Ess von der LMU. Daher sind beispielsweise Länder wie Island, Portugal oder Finnland empfehlenswert. Dort studieren regelmäßig nur wenige Deutsche, hier muss man sich auf Land und Leute einlassen und kann nicht in der „Erasmus-Blase“ die Zeit verbringen. Dieser Begriff bezeichnet das Phänomen, dass man während seines Auslandsaufenthalts zwar Studenten aus unterschiedlichen Ländern kennen lernt, ein Kontakt zu Einheimischen jedoch so gut wie gar nicht entsteht.

Daneben ist es sinnvoll, sich über das Angebot an der Uni zu informieren: Welche Sportkurse gibt es oder welche Hochschulgruppen könnten mich interessieren? Denn an solchen Angeboten nehmen viele einheimische Studenten teil und es ist wesentlich leichter beim gemeinsamen Sport neue Leute kennen zu lernen. Daneben kann auch ein WG-Zimmer in einer Wohnung mit einheimischen Studenten den Anschluss erleichtern. Oftmals bieten viele Unis zwar Wohnheimsplätze für Austauschstudenten an, jedoch dann meist getrennt von Einheimischen. Das sorgt zwar für ein internationales Flair, doch der vom Arbeitgeber geschätzte Kontakt zu den „Locals“ bleibt meist aus.

Neue Freunde finden im Austauschland, sich an der Universität und der Stadt einleben, das alles benötigt Zeit. Deswegen raten Arbeitgeber wie auch Hochschulexperten, sich für das Studium in der Ferne genügend Zeit zu nehmen. „Der Auslandsaufenthalt sollte mindestens drei, besser sechs Monate andauern“, sagt Frank Schmith von der Lufthansa.

So sollten sich Studenten für ihren Auslandsaufenthalt genügend Zeit lassen und ein Land wählen, das ihren Interessen entspricht, aber vielleicht nicht das Topziel für Studenten aus ganz Deutschland ist. Daneben ist es sinnvoll, möglichst viel an der neuen Universität auszuprobieren: Sei es Sportclub, Hochschulgruppe oder Kurssprecher für eine Veranstaltung – Das alles hilft, sich im neuen Land schneller zu Recht zu finden und neue Menschen zu treffen. Außerdem sind dies Erfahrungen, die später im Bewerbungsgespräch helfen können. Denn kaum einer will dort auf die Frage „Was haben sie im Ausland so gemacht“ mit „Viel gefeiert“ antworten.

Dennoch sollte man bei der Planung des perfekten Auslandssemester für den späteren Karrierestart eines nicht aus dem Auge verlieren: Wer nur möglichen Wünschen des Traumarbeitgebers hinterher läuft und versucht, sie möglichst perfekt zu erfüllen, wird wenig Freude während dieser Zeit haben. Wer sich stattdessen vorher überlegt was er persönlich machen möchte wird zufriedener mit dem Auslandsaufenthalt sein, was schlussendlich auch der Arbeitgeber merkt. „Nicht wenige legen bei ihrem Aufenthalt den Grundstein für ein berufliches oder freundschaftliches internationales Netzwerk“, fasst Hans van Ess die Vorteile, die man persönlich aus einem Auslandsstudium zieht, zusammen.

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