
Liebe Naina,
Sie sind bald 18, schreiben Sie, haben keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen - und empfinden das als Mangel. Heißt das, ich muss mir Sie als unglücklichen Menschen vorstellen?
Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen.
Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.
— Naina (@nainablabla) 10. Januar 2015
Ehrlich gesagt: Ich kann das nicht glauben. Sie flunkern doch, nicht wahr?
Albert Camus, ein französischer Schriftsteller, hat sich sogar Sisyphos als glücklichen Menschen vorgestellt. Sie haben gewiss davon gehört, von Albert Camus meine ich, und natürlich auch von Sisyphos, dem mythischen Helden der Antike, selbst wenn das Lateinische und Altgriechische nicht zu den vier Sprachen gehören, in denen Sie bewundernswerterweise Gedichte zu interpretieren vermögen.
Mühen ohne Lohn
Sisyphos jedenfalls, Sie kennen die Geschichte, wird ohne Angabe von Gründen dazu verdammt, einen Felsblock einen steilen Hang hinauf zu wälzen, wieder und wieder, ohne dass er dabei jemals den Gipfel erreichen, den Lohn seiner Arbeit ernten, an das Ziel seiner Mühen gelangen würde.
Wenigstens hat Homer dafür keine Gründe angegeben, Sie wissen schon, das literarische Urfossil des Abendlandes, der vor 2700 Jahren noch von einer Welt zu berichten wusste, die sich nicht auf Geld reimte.
Was junge Deutsche über unsere Geschichte zu wissen glauben
40 Prozent der Jugendlichen mussten diese Frage mit "nein" beantworten. Das ist das Ergebnis einer Studie des Forschungsverbundes SED-Staat von der Freien Universität Berlin.
Ebenfalls 50 Prozent glauben nicht, dass das Dritte Reich eine Diktatur war. Unter jugendlichen Migranten bewerten sogar 40 Prozent das damalige Regime positiv oder neutral.
50 Prozent der befragten Teilnehmer konnten diese Frage richtig beantworten: Der Beginn des Mauerbaus in Berlin. 31 Prozent dachten bei Nennung dieses Datums an ein anderes wichtiges politisches Ereignis der sechziger Jahre (bei der Fragestellung wurde zur Auswahl vorgegeben: Mauerbau, Kuba-Krise, Weltraumflug Juri Gagarins, Rücktritt Konrad Adenauers). Jeder fünfte Deutsche (19 Prozent) sieht sich nicht in der Lage, dem Datum "13. August 1961" eines der genannten Ereignisse zuzuordnen.
Mit dem Bau der der Berliner Mauer sollte die massenhafte Flucht in Richtung West unterbunden werden um so den Zusammenbruch des DDR-Systems zu verhindern. 22 Prozent der vom Forschungsverbund SED-Staat Befragten antwortete allerdings, dass die DDR-Führung mit dem Mauerbau die Einmischung des Westens in die Angelegenheiten der DDR unterbinden und damit den West-Ost-Konflikt entschärfen wollte. Einige Jugendliche hätten sogar behauptet, der Westen hätte die Mauer gebaut, um Armutsflüchtlinge aus dem Osten abzuwehren.
Zwar führte die Deutsche Demokratische Republik (DDR) das Wort Demokratie im Namen, demokratisch legitimiert war sie jedoch nicht. Laut Umfrage glaubte jedoch jeder dritte in Ostdeutsche, dass die DDR eine Demokratie gewesen sei. Im Westen dachte das jeder Vierte.
Immerhin 50 Prozent der Befragten sagten, dass es sich bei der alten Bundesrepublik um eine Demokratie gehandelt hat.
Damit will ich sagen, dass es diese Welt tatsächlich einmal gegeben hat: eine Welt ohne Geld, unglaublich, nicht wahr? Eine Welt, in der Glaukos und Diomedes ihre Rüstungen tauschen, um auf dem Schlachtfeld die Freundschaft ihrer ehrenhaften Väter zu erneuern. Wobei der eine dem anderen eine eherne Rüstung schenkt, die neun Rinder gekostet hat - und der andere dem einen eine goldene Rüstung, die 100 Rinder teuer war...
Neun gleich Hundert, stellen Sie sich vor: Das war damals noch eine Gleichung, die aufging!
Eine Welt ohne Geld
Eine Welt ohne Geld also, da waren wir stehen geblieben. In so einer Welt war damals auch Odysseus unterwegs, Sie wissen schon, der listenreiche Mann aus dem felsenreichen Ithaka, der seine Penelope verließ, um in den Trojanischen Krieg zu ziehen und erst nach 20 Jahren in seine geliebte Heimat zurückkehren konnte, weil Poseidon, der Meeresgott, zwischenzeitlich ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hatte...
Vielleicht hat man sich diesen Odysseus als ein Art antiken Backpacker vorzustellen. Als einen Menschen, der ziellos durch die Gegend streift, von Insel zu Insel, der es immer nimmt, wie's kommt, ausgestattet mit Lebensmut und Zuversicht.
Als Menschen, der keine Orientierung hat und keinen Halt, der ganz ohne Kalkül unterwegs ist, ohne Berechnung und Motiv, gewissermaßen vogelfrei den Zyklopen und Sirenen ausgeliefert: ein Mensch, der die Welt nicht erobert, weil er glaubt, sie gehöre ihm - sondern der die Welt auf sich zukommen lässt...
Was Schüler in der neunten Klasse können sollen
Es ging um die Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik) – und zwar über alle Schulformen hinweg. In Mathematik wurden sechs Kompetenzformen aus dem gesamten Spektrum mathematischen Arbeitens untersucht, wie „Probleme mathematisch lösen“ aber auch „Raum und Form“ sowie „Daten und Zufall“. In den Naturwissenschaften ging es vor allem um Grundbildung, aber auch um fachübergreifendes Problemlösen.
Die Aufgaben wurden auf der Grundlage der von den Kultusministern für alle Bundesländern verbindlich eingeführten Bildungsstandards für diese Fächer entwickelt – unter Mitwirkung von Schulpraktikern. Bildungsstandards beschreiben, was ein Schüler am Ende einer Jahrgangsstufe können soll. Sie gelten für Lehrer als pädagogische Zielvorgabe und haben damit die zuvor in allen Bundesländern unterschiedlichen Lehrpläne abgelöst.
Die Untersuchung fand vormittags in der Schule statt und dauerte jeweils etwa dreieinhalb Zeitstunden (inklusive Pausen). Hinzu kamen anschließend Interviews mit Schülern, Fachlehrern und Schulleiter über die Lernbedingungen.
Der „Klassiker“ ist die weltweite PISA-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Des weiteren gibt es noch die internationale IGLU-Grundschulstudie und die internationale TIMSS-Untersuchung mit den Schwerpunkten Mathematik und Naturwissenschaften – sowohl für die Grundschule als auch für die achten Klassen. Allerdings haben die Kultusminister bei PISA und IGLU die zuvor üblichen Bundesländervergleiche gestoppt. Deutschland macht zwar bei den internationalen Studien weiter mit, aber nur noch mit einer kleineren nationalen Stichprobe – etwa 5000. Dies ermöglicht kein Bundesländer-Ranking.
Darüber lässt sich nur spekulieren: Die Kultusminister können die politisch brisanten Bundesländervergleiche auf der Basis ihrer eigenen vereinbarten Bildungsstandards sicherlich besser steuern. Auch das IQB arbeitet im Auftrag der Kultusministerkonferenz. Zuvor war es vor allem mit den internationalen PISA-Forschern der OECD wegen der ungünstigen deutschen Chancengleichheitswerte und der Schulstrukturfrage immer wieder zu Konflikten bei der Interpretation von Daten gekommen.
Überraschend ist, dass neben allen ostdeutschen Ländern diesmal aus dem Westen nur Bayern und Rheinland-Pfalz durchgängig gut abschneiden. Mathematik und Naturwissenschaften waren eine Domäne der DDR-Schulen. Auf die Fachlehrerausbildung legte man hier besonderen Wert. Auch spielen die Naturwissenschaften auf den Stundentafeln der ostdeutschen Schulen heute noch eine größere Rolle als im Westen.
Die Studie belegt erneut die erschreckend hohe Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft in Deutschland. Neuntklässler aus der Oberschicht haben gegenüber Gleichaltrigen aus bildungsfernen Schichten einen Lernvorsprung in Mathematik von fast drei Schuljahren.
Bildungsexperten raten seit Jahren, nicht ganze Bundesländer miteinander zu vergleichen, sondern besser Regionen mit ähnlichen Wirtschaftsstrukturen und Problemlagen. Also etwa Berlin mit dem Ruhrgebiet, wegen der hohen Ausländerquoten unter den Schülern, oder ländliche Gebiete im Osten Deutschlands mit denen im Westen, wegen Abwanderung und Bevölkerungsrückgang.
Aber was erzähl ich. Ich war bei Homer stehen geblieben, der von Sisyphos ohne Angabe von Gründen dazu verdammt wurde, einen Felsblock einen steilen Hang hinauf zu wälzen. Andere Autoren waren übrigens der Auffassung, eine Strafe könne dem Menschen nicht grundlos auferlegt werden. Sie berichten, dass Zeus, der Göttervater, sie Sisyphos auferlegt hätte.
Wieder andere erzählen, dass Thanatos, der Gott des Todes, sich an Sisyphos gerächt, ihn zum ewigen Leben verdammt habe.
Mit dem Tod ist es ja so eine Sache. Es gibt Philosophen, die ihn als Lebenselixier beschreiben. Klingt kühn, klingt verrückt, nicht wahr?
Aber überlegen Sie mal: Ohne den Tod wüssten wir vom Leben nichts. Tiere verenden, der Mensch aber stirbt, hat so ein Philosoph mal geschrieben: Nur weil der Mensch um sein Ende weiß, kann er mit dem Nachdenken beginnen und seinem Leben einen Sinn geben.