Unis im internationalen Vergleich "Deutsche Hochschulen kämpfen mit stumpfen Spießen"

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"Es ist nicht schlimm, wenn ein Akademiker mit 30 weniger verdient, als ein Nichtakademiker"

Also geht es nicht darum, zwingend mehr Geld zu bekommen, sondern mit dem, was man hat, das Bestmögliche zu tun?
Mehr Geld ist immer gut! Und ich würde sagen, die deutschen Universitäten haben zum Teil für das was sie leisten zu wenig Geld. Ich habe das mitverfolgt, bei ein paar meiner ehemaligen Doktoranden, die in Deutschland Professoren sind. Wenn ich sehe, wie sie ausgestattet sind und unter welchen Bedingungen sie arbeiten müssen, welcher Lehrbelastung sie ausgesetzt sind, kann ich verstehen, dass es für einige nicht mehr attraktiv ist, an der Uni zu bleiben.  

Müsste das deutsche System nicht versuchen, solche Menschen zu halten?
Das würde ich auch sagen, aber das fällt bei diesen Rahmenbedingungen einfach schwer. Der Goodwill bei Menschen, die akademische Karriere machen wollen, ist so groß, dass viele im wahrsten Sinne Ausbeutung auf sich nehmen. Ein bisschen leiden, wenn man jung ist, schadet nicht, aber es muss sich schlussendlich lohnen. Es ist nicht schlimm, wenn ein Akademiker mit 30 weniger verdient, als ein Nichtakademiker. Aber wenn das mit 50 immer noch so ist oder der ältere Akademiker gar auf der Straße steht, dann läuft etwas schief.

Die Abkehr von der klassischen Hochschulkarriere bedeutet auch eine Hinwendung zum Einstieg in die Privatwirtschaft. Liegt in der Ausbildung für Unternehmen der eigentliche Auftrag der Hochschulen?
Mehr als die Hälfte einer Alterskohorte tritt heute den Weg von der Schule in den Beruf über eine Hochschule an. Nimmt man diesen Fakt ernst, dann hat diese Institution eine andere Funktion als zu einem Zeitpunkt, als noch gerade einmal fünf Prozent eines Jahrgangs diesen Weg gingen. Ich sage jetzt nicht, ob das schlecht oder gut ist - aber es kann nicht mehr die gleiche Uni sein. Als Hochschule sind sie verantwortlich für diese Leute. 

Sollten sich Universitäten also als Zulieferer für Unternehmen verstehen? Muss man die Ausbildung an der Uni immer nach ihrer Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt messen?
Zulieferer tönt negativ, aber es ist richtig: Die meisten Absolventen werden später außerhalb der Hochschulen tätig sein, also können die Hochschulen den Arbeitsmarkt nicht ignorieren. Um das zu schaffen, müssen sich die Hochschulen stärker diversifizieren. 

Was meinen Sie damit?
Es darf keine Schande sein, zu sagen: Unser Sektor ist nicht die Spitzenforschung, sondern wir bilden für die Praxis aus. Oder man spezialisiert sich auf die Weiterbildung oder eben auf ein paar wenige Gebiete, in denen man wirklich spitze sein will - aber ja nicht auf alle! Es muss soweit kommen, dass man es in Deutschland nicht mehr als tabu sieht, dass unter den knapp hundert Universitäten solche sind, die ein eher elitäres Forschungsprofil im alten Stil pflegen und solche, die eben mehr auf Massenausbildung setzen. Das mag schlecht klingen, aber bitte verstehen sie das Wort nicht falsch. Die Aus- und Weiterbildung von Akademikern für das Berufsleben steht dort im Vordergrund und ist nicht weniger wichtig als Forschung. 

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