Universität Lieber Stricken als Marktwirtschaft

Jedes Semester zahlen die Studierenden ein paar Euro an den Asta ihrer Universität. Quelle: dpa

Beim Protest gegen Bernd Lucke trat der Asta der Uni Hamburg öffentlichkeitswirksam auf. Doch die Finanzen der Studierendenverwaltung bleiben oft verborgen. Geht das auch anders? Ein Gespräch mit einem Asta-Referenten.

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Drei Versuche hat AfD-Gründer Bernd Lucke gebraucht, um seine Antrittsvorlesung an der Universität Hamburg halten zu können. Dank Polizeischutz ist es ihm in dieser Woche schließlich gelungen. Die beiden ersten Versuche hatten Studierende blockiert, lautstark und gut organisiert. Verantwortlich dafür waren auch Vertreter des Allgemeinen Studierendenausschusses der Uni, kurz Asta, also wenn man so will: Mitglieder der Regierung der Studierendenschaft.

Für Außenstehende – aber auch für viele Studierende – ist ein solcher Asta einer großen Universität ein kleines Mysterium. Man weiß, dass es ihn gibt – mehr aber auch nicht.

Dabei ist ein Asta eine finanzstarke Organisation. Jedes Semester zahlen die Studierenden ein paar Euro an ihre Vertretung, eine verpflichtende Gebühr, die mit dem Semesterbeitrag (ÖPNV-Ticket etc.) überwiesen wird. Bei großen Unis kommen da pro Jahr Einnahmen von einigen Hunderttausend Euro zusammen.

Was passiert mit diesem Geld?

Theodorus Weiße, 22, studiert Wirtschaft, Recht und Personal an der Uni Greifswald. Elf Euro zahlt er jedes Semester an den Asta. Bei etwa zehntausend Studierenden ergibt das ein Jahresbudget von 220.000 Euro. Weiße ist seit eineinhalb Jahren Asta-Referent für Finanzen, er verwaltet diese Summe. Er überprüft die Ausgaben, wacht über die Einnahmen – und muss dafür sorgen, dass alles rechtmäßig und transparent bleibt.

Weiße ist auch Vorsitzender der Liberalen Hochschulgruppe in Greifswald. Und damit einer von wenigen Liberalen mit Einfluss in der meist von linken Gruppen dominierten Hochschulpolitik.

WirtschaftsWoche: Herr Weiße, wie wird man Asta-Referent für Finanzen?
Theodorus Weiße: Indem man sich dem StuPa, also dem Studierendenparlament, zur Wahl stellt.

So einfach?
Naja, ich habe mich vorher schon im Asta engagiert und die Finanzen der Fachschaften kontrolliert, also der studentischen Selbstverwaltung der einzelnen Fachbereiche. Die haben bei uns ein eigenes Budget und bekommen insgesamt 23 Prozent der Beiträge. Als ich anfing, lief da vieles drunter und drüber. Bei den Fachschaften fehlt leider oft das Wissen über den richtigen Umgang mit der Buchhaltung.

Und im StuPa und beim Asta ist das anders?
Leider nicht. Es ist ein allgemeines Problem, dass sich in der Studierendenschaft nur sehr wenige für Finanzen interessieren. Als ich mich zur Wahl gestellt habe, hat auch niemand überprüft, ob ich davon wirklich etwas verstehe. Ich habe einfach gesagt, dass mich Finanzen interessieren. Und dass ich die Regeln der Buchhaltung im Seminar an der Uni gelernt habe. Ich bin dann einstimmig gewählt worden.

Klingt so, als seien alle anderen einfach froh gewesen, einen gefunden zu haben, der es machen will.
Das kann schon sein. Aber mir macht es Spaß. Wo sonst hätte ich noch vor meinem Studienabschluss die Chance für einen so großen Haushalt verantwortlich zu sein?

 

Unwissen oder Ideologie?

 

Naivität im Umgang mit Finanzen ist so etwas wie der Klassiker der Asta-Kritik. Denn in der Vergangenheit gab es an vielen Unis immer wieder Streit um das viele Geld, das eigentlich der Studierendenschaft zugutekommen soll: etwa für Beratungsangebote oder zur Förderung von Veranstaltungen. So mussten zwei ehemalige Asta-Funktionäre der Uni Bochum Schadensersatz in Höhe von 175.000 Euro zahlen, weil eine von ihnen organisierte Veranstaltung ein Minusgeschäft wurde.

Manchmal aber erschließt sich der Zweck der Asta-Ausgaben auch mit viel Wohlwollen nicht. Das Magazin „Zeit Campus“ hat vor einigen Jahren fragwürdige Fälle zusammengetragen, bei denen „Asta-Vertreter mit Studentengeldern umgingen wie mit Papierscheinen aus einem Monopoly-Spiel“. Eine Auswahl:

 

  • Der Asta der TU Berlin schickte zwei Studentinnen zum „5. Treffen lateinamerikanischer und karibischer Lesben“ nach Rio de Janeiro. Für 1400 Euro.

  • Der Asta der Berliner Humboldt-Universität bezahlte Bürgerkriegskämpferinnen aus Guatemala eine Rundreise durch Deutschland. Kosten: unbekannt.

  • Der Bonner Asta vergab Kredite an Kommilitonen. Aber mehr als 60 Prozent des Geldes verschwanden, weil die Studierenden ihren Wohnort wechselten. Viele kamen aus dem Ausland, waren in ihre Heimat zurückgekehrt. Man hatte schlicht vergessen, sich die Adressen geben zu lassen. Verlust: 260.810 Euro.

 Konservative Gruppen nutzen diese und andere Fälle für den immer wiederkehrenden Vorwurf an Asten, sie ließen sich von linker Ideologie treiben. So warnt der Ring Christlich-Demokratischer Studenten die Studierenden an der Uni Bonn, vor dem Asta und der StuPa-Koalition, die mit den Semesterbeiträgen Werbung machten „für ihre politische und ideologische Weltanschauung“ und ihre Freunde mit Aufwandsentschädigungen „auskömmlich“ bezahlten: für „linksextreme Vorträge“ zum Beispiel.

Auch in Greifswald kämpft der örtliche RCDS für eine „ideologiebefreite“ Hochschulpolitik. Und der liberale Asta-Referent?

 

Herr Weiße, bewilligen Sie nur Geld für linke Träumereien?
Also erst einmal entscheide ja nicht ich allein, was wir mit dem Geld machen. Alle Ausgaben des Asta über 300 Euro muss das StuPa genehmigen. Bei Förderanträgen von Hochschulgruppen liegt die Grenze sogar bei 150 Euro. Wir fördern vor allem unpolitische Veranstaltungen: Hochschulsport, Theaterprojekte, Musik und Kunst. Deshalb laufen die Diskussionen im StuPa meist sehr sachlich ab. Aber es gibt auch sehr ideologisch geführte Debatten.

Zum Beispiel?
Gerade hatten wir einen Antrag vom Börsenverein. Das sind Studierende, die sich in ihrer Freizeit mit dem Kapitalmarkt beschäftigen. Die haben gefragt, ob der Asta einen Workshop für 30 Studierende finanziell unterstützen kann. Da gab es im StuPa sofort Einwände, dass Börsenhandel ja schon sehr fragwürdig sei. Und ob damit nicht Studierende unkritisch angeregt werden, mit Aktien zu handeln. Oder ob dahinter Firmeninteressen stehe. Der Förderantrag wurde dann abgelehnt. Vielleicht aber auch, weil die geforderte Summe für die geringe Teilnehmerzahl sehr hoch war.

Und Sie als Liberaler stört das nicht?
Ich habe in solchen Fragen nur beratende Funktion. Aber mir fällt schon auf, dass es diese Diskussionen nicht gibt, wenn es darum geht Vorträge zu Gesellschafts- und Konsumkritik oder feministisches Stricken zu fördern. Es wird hingegen wohl niemals eine Veranstaltung zur Sozialen Marktwirtschaft geben, obwohl ich mich natürlich bemühe, eine andere Perspektive einzubringen. Aber das Interesse der meisten Studierenden für Hochschulpolitik ist generell sehr gering. 

Worin zeigt sich das konkret?
Selbst zu den Veranstaltungen mit linken Themen kommen nicht wirklich viele. Wir sind mit unserer Asta-Arbeit auch leider noch lange nicht so transparent, wie ich es gerne wäre. Weil es eben so wenige interessiert. Unser Haushalt ist beispielsweise bisher nicht online einsehbar. Dabei würde ich jedem gerne erzählen, was drinsteht und wofür wir die Beiträge der Studierenden ausgeben. Es hat mich bisher nur wirklich noch nie jemand danach gefragt.

 

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