Fitnesstracker und Stress-Coaching Mit diesen Tipps bleiben Sie auch im Homeoffice gesund

Homeoffice: Eine Yogaübung kann die Verspannungen, die sich manch einer vorm Laptop am Küchentisch holt, lösen. Quelle: dpa

Resilienz-Training statt Fitnessstudio: Online-Kurse sollen Beschäftigten im Homeoffice helfen, mit Stress und neuen Herausforderungen fertig zu werden. Worauf es dabei ankommt.

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Das Homeoffice hat Anne Müller-Leist erst mal aus der Bahn geworfen. Ihr fiel es schwer, Beruf- und Privatleben voneinander zu trennen – und Pausen wirklich zu nutzen. Auch die neue Art, mit den Kollegen zusammenzuarbeiten, warf bei der Studienkoordinatorin der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes zunächst viele Fragen auf: Wie halte ich Kontakt? Wie können wir auch innerhalb der neuen Kanäle respektvoll miteinander umgehen? Antworten fand Müller-Leist in Online-Kursen beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) ihres Arbeitgebers.

Vor der Pandemie haben Unternehmen unter anderem mit ergonomischen Stühlen und Zuschüssen für das Fitnessstudio oder den Yogakurs die Gesundheit der Beschäftigten gefördert. Seitdem ein Lockdown auf den nächsten folgte, hat sich aber auch dieser Bereich ins Internet verlagert. „Die Nachfrage nach digitalen Leistungen ist in Folge der Coronapandemie regelrecht explodiert“, sagt Sophie Lampé, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Betriebliches Gesundheitsmanagement (BBGM). „Viele Unternehmen sind in der aktuellen Situation deutlich offener für digitale Angebote.“

Die Bandbreite bei Online-Gesundheitsangeboten ist riesig. Sie reicht vom knappen Erklärvideo über ausführliche Tutorials und virtuelle Coaching-Programme bis zu mehrwöchigen, interaktiven Webinaren, in denen eine Expertin per Video-Chat auf die individuellen Probleme der Teilnehmer eingehen kann. Anbieter sind entweder Fachleute aus dem eigenen Haus oder externe Projektpartner, zum Beispiel von den Krankenkassen und andere Dienstleister des BGM.

Ärger mit der Schreibtischlampe

In den Webinaren, die die Universität des Saarlandes für ihre Mitarbeiter anbot, ging es unter anderem darum, wie man sich im Homeoffice selbst besser organisiert, die Prioritäten richtig setzt und auch wirklich Feierabend macht. In einem eigenen Programm unterstützte die Hochschule Eltern bei ihren ganz eigenen Problemen. Besonders groß ist derzeit die Nachfrage nach Ratschlägen zu Resilienz, also zur Stärkung der psychischen Widerstandskraft. Dieser Online-Workshop war an der Universität des Saarlands ausgebucht. Lampé rät Unternehmen, sich gerade bei diesem Thema auf einen erhöhten Bedarf nach Hilfsangeboten einzurichten. „Derzeit ist die steigende Anzahl psychischer Erkrankungen aufgrund der Pandemie in aller Munde“, sagt die Expertin vom BBGM. Je länger diese anhalte, desto gefragter werden Angebote zur Stressbewältigung und zum Resilienztraining sein.



Auch beim Führen auf Distanz bietet das BGM Hilfe: „Durch die Coronakrise hat sich für eine große Zahl von Arbeitnehmern ihre bisherige Tagesstruktur mit festen Zeiten und klar geregelten Abläufen verändert. Von heute auf morgen ist alles anders. Umso wichtiger sind gerade in diesen Zeiten eine gut funktionierende Führung, auch auf Distanz“, sagt Lampé. Vorgesetzte lernen in solchen Programmen, wie sie Kontakt zu den Mitarbeitern halten können, wie sie die Leistung ihrer Kollegen unter diesen erschwerten Bedingungen besser messen und steigern können.

Aber auch die klassischen Themen des BGM und der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sollten nach Ansicht der Experten bei Online-Angeboten nicht aus den Augen verloren werden. Für Utz Niklas Walter, Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG), gehören dazu Hilfestellungen für mehr Bewegung und für gesunden Schlaf. Ergonomie bekommt nach Ansicht von Lampé gerade eine neue Bedeutung. „In den meisten Wohnungen sind Mitarbeiter im Homeoffice weit von ergonomisch optimalen Arbeitsbedingungen entfernt“, kritisiert Lampé mit Blick auf Bürostuhl, Schreibtisch oder Beleuchtung.

Und auch auf die Ernährung sollten die meisten ihrer Einschätzung nach mehr Acht geben: „Gerade in Zeiten, in denen die Grenzen zwischen Arbeit, Familien- und Freizeit verschwimmen, spielt gesunde Ernährung eine wichtige Rolle.“ In einer Umfrage von des Karrierenetzwerks Xing gaben 35 Prozent der Mitglieder an, im Homeoffice zugenommen zu haben. Firmen haben bislang etwa durch gratis Obst und Mineralwasser im Büro etwas für die gesunde Ernährung ihrer Angestellten getan. Das funktioniert auch im Homeoffice, erklärt Lampé. Zum Beispiel mit Foodboxen, in denen die Zutaten für ausgewogene Mahlzeiten nach Hause geliefert werden, und Apps, die über den Kaloriengehalt von Lebensmitteln aufklären oder Anregung für gesunde Snacks bieten.

Online-Coaches sparen Kosten

Die Unternehmen setzen bei digitalen Angeboten in erster Linie auf ein eigenes Gesundheitsportal. Das geht aus der im September 2020 vorgestellten Studie „Whatsnext 2020“ hervor, bei der das IFBG, die Techniker Krankenkasse und die Haufe Group das Betriebliche Gesundheitsmanagement in Deutschland untersucht haben. Befragt wurden rund 1200 Führungskräfte . Solch ein Portal erleichtert den Zugriff auf Videos, Texte oder Podcasts. Außerdem können darüber Webinare angeboten werden. Auch Apps spielten für die befragten Firmen beim digitalen BGF eine große Rolle – von Bewegungstrackern bis Meditationsprogrammen. Und: „Apps machen es möglich, dass Gesundheitsförderung auch im privaten Umfeld fortgeführt wird“, sagt IFBG-Leiter Walter.

Gesundheitsangebote sollten vor allem während der Arbeitszeit genutzt werden können. So wird es an der Universität des Saarlandes gehandhabt. Das solle die Akzeptanz in der Belegschaft erhöhen und zum Mitmachen ermutigen, erläutert Michel-Dittgen. Sie gibt aber zu bedenken, dass BGM immer auch eine Geldfrage ist. Laut „Whatsnext 2020“ hatten im Frühjahr 2020 nur rund 13,5 Prozent der befragten Organisationen digitale Gesundheitsangebote im Programm – in erster Linie waren dies Firmen mit hohem BGM-Budget. „Man muss auch Verständnis dafür haben, wenn der Arbeitgeber einen Eigenanteil von den Beschäftigten erwartet. Daher haben sich 50/50-Lösungen bewährt, bei der die Beschäftigten auch private Zeit einbringen“, sagt Walter.

Billiger kann BGM für Firmen dank Online-Coachings werden. Hier werden Module aus Erklärfilmen, Factsheets oder Kurztests kombiniert. „Online-Coachings sind in der Regel günstiger, allerdings sind die Absprungraten bei vielen sehr hoch“, hat Walter in der Praxis festgestellt. Eine ergänzende Beratung per Telefon hat sich laut dem Experten bei diesen digitalen Trainingsprogrammen bewährt.

Auch die eigene Krankenkasse ist ein guter Ansprechpartner, wenn der Arbeitgeber (noch) keine Kurse zu Stressabbau oder Ernährung anbietet. Auch Nicht-Versicherte finden online bei den Krankenkassen viele Inhalte, die im Homeoffice helfen können – vom Webinar zu Zeit- und Selbstmanagement bis zum Yoga-Kurs.

Nicht gerade das Thema der Stunde

Laut der Studie „Whatsnext“ haben 22 Prozent der befragten Unternehmen ein BGM aufgebaut, 26 Prozent planen dies. Christian Timmerhoff, Referent Betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Techniker Krankenkasse, erwartet durch die Coronapandemie keinen unmittelbaren Boom. „Viele Unternehmen stehen vor wirklich gravierenden wirtschaftlichen Problemen. BGM ist für einen Teil der Entscheider gerade nicht das Thema der Stunde“, sagt er. Andererseits erkennen viele Chefs womöglich gerade in der Krise, wie wichtig Angebote für die Gesundheitsförderung sind, wissen aber nicht, wo sie anfangen sollen. IFBG-Leiter Walter empfiehlt, zunächst den Bedarf durch Mitarbeiterbefragungen oder Analysen von Fehlzeiten zu ermitteln: „Durch die Ergebnisse wird oft sichtbar, an welchen Stellen es fehlt.“ 

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Für Müller-Leist hat sich die Fortbildung zur eigenen Gesundheit gelohnt. „Ich habe einiges über das Kommunikationsverhalten und die Bedürfnisse meiner Kolleginnen und mir selbst gelernt und weiß nun, worauf ich im Besonderen achten muss, wenn wir Konflikte oder Missverständnisse haben“, berichtet sie.

Die Online-Kurse haben für sie sogar Vorteile gegenüber früheren Veranstaltungen. Neben dem geringen zeitlichen Aufwand ist dies ausgerechnet die größere emotionale Nähe. Bei Präsenzseminaren hätten fremde Teilnehmer meist Distanz zueinander gehalten. „Diesen Abstand habe ich in den Online-Seminaren so nicht empfunden“, berichtet Müller-Leist.

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