Jobnomaden Rastlose Fach- und Führungskräfte

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Anschluss inklusive Quelle: Matthias Jung für WirtschaftsWoche

Im Extremfall gibt es keine Loyalität mehr zwischen Unternehmen und Beschäftigten — wer von beiden am längeren Hebel sitzt, entscheidet allein der Markt. Besonders gefragte und hoch qualifizierte Mitarbeiter können sich ihren Arbeitgeber deswegen aussuchen — den Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als sie mit guten Gehältern und Annehmlichkeiten zu ködern.

Gering qualifizierte Mitarbeiter sind für die Unternehmen dagegen leicht ersetzbar und ihnen ausgeliefert. Dazwischen gibt es die große Masse der Beschäftigten, die das Unternehmen zwar gut gebrauchen kann, aber auf die es nicht lebensnotwendig angewiesen ist — und die ihrerseits auch andere Optionen haben. In dieser Situation verhandeln die beiden Seiten hart, aber fair miteinander.

"In den Unternehmen entsteht eine Mehrklassengesellschaft", prophezeit Scholz, "wie im Flugzeug reisen einige wenige erster Klasse und genießen die Welt, während in der dritten Klasse die Sitze immer enger zusammengeschoben werden."

Wie gespalten der Arbeitsmarkt tatsächlich schon ist, hat die jüngste Wirtschaftskrise gezeigt: Während viele fest angestellte Mitarbeiter dank Kurzarbeit ihre Stellen behielten, verloren fast 300.000 Leiharbeiter ihren Job.

Der Graben könnte in Zukunft noch tiefer werden, erwartet IZA-Experte Eichhorst. "Die Arbeitgeber umwerben die hoch Qualifizierten und wälzen ihre wirtschaftlichen Risiken auf die gering Qualifizierten ab."

Kaffeehaus und Arbeitsumfeld

Da ziehen viele Menschen heute die Selbstständigkeit einer Anstellung vor. Ina Baum zum Beispiel. Die Mittvierzigerin hat eine Karriere im Management hinter sich, schon in den USA, Frankreich und einigen anderen Ländern gelebt und gearbeitet, bevor sie sich 1995 als Unternehmensberaterin und Trainerin selbstständig machte.

"Ich bin lieber unabhängig", sagt Baum. "Für viele Auftraggeber zu arbeiten ist nicht nur sicherer, sondern auch lohnender als für einen Arbeitgeber."

Nur auf die Kollegen um sich herum wollte die Freiberuflerin irgendwann nicht mehr verzichten. Seit Kurzem hat sie einen Schreibtisch im Kölner Betahaus gemietet – einem so genannten Coworking Space, in den sich Freiberufler, Selbstständige und kleine Unternehmen einmieten können.

Für ein paar Stunden, mehrere Tage oder monatsweise – so flexibel, wie es ihre Aufträge verlangen. Im Betahaus können sie Drucker und Scanner mitbenutzen, mit anderen Coworkern in Sofaecken entspannen, in Besprechungsräumen tagen und ihren Schreibtisch jeden Tag aufs Neue nach Belieben wählen. Ina Baum sitzt heute einer PR-Beraterin gegenüber und morgen vielleicht einem Architekten, Versicherungsvertreter oder Programmierer.

"Wir sind Teil einer neuen Arbeitswelt", sagt Anu Beck, die das Betahaus in Köln aufgebaut hat. Andere Betahäuser und ähnliche Coworking Spaces gibt es inzwischen in allen größeren Städten der Republik. In einer "Mischung aus Kaffeehaus-Atmosphäre und konzentriertem Arbeitsumfeld" verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatsphäre, Kollegen und Freunden, Auftraggebern und Auftragnehmern.

"Für mich", sagt Ina Baum, "gibt es keinen besseren Ort, um zu arbeiten."

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