Urlaub ist das Heiligtum des Arbeitnehmers. Mindestens 20 Tage Urlaubsanspruch hat er bei einer Vollzeitstelle. Doch was soll eigentlich aus den freien Tagen werden, wenn der Rest der Arbeit immer flexibler wird? Eine wachsende Zahl von Unternehmen trägt dem Wunsch vieler Menschen nach großer Flexibilität bei den Arbeitszeiten Rechnung und schafft den Urlaubsanspruch in der bekannten Form ab – es gilt der unbegrenzte Urlaubsanspruch.
Die Plattform Joblift hat 14 Millionen Stellenanzeigen der vergangenen zwei Jahre analysiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in Deutschland bereits 132 Arbeitgeber mit dem wohlklingenden Angebot Bewerber locken wollen. Auffällig ist demnach vor allem die Steigerungsrate: In den zweiten zwölf Monaten des Untersuchungszeitraums wurden fast zweieinhalb mal mehr Stellen mit unbegrenztem Urlaub ausgeschrieben – eine Steigerung um 139 Prozent. In den beiden Jahren waren es insgesamt 335 Stellen.
Was famos klingt, bedeutet natürlich nicht, dass Angestellte solcher Unternehmen überhaupt nicht mehr arbeiten müssen. Die etwas maßlos klingende Formel meint in der Praxis, dass kein Urlaubstagekonto mehr geführt wird und es auf einige Tage mehr nicht ankommt. Vorreiter der Praxis war Netflix in den USA. Die Legende geht, dass dort vor knapp 15 Jahren ein Angestellter den Vorstandschef Reed Hastings ansprach: Warum er seine Tage eigentlich frei einteilen könne, die Menge des Urlaubs aber vorgegeben sei. Weil der Chef keine Antwort wusste, schaffte er die Urlaubsregelung als „Relikt des Industriezeitalters“ ab.
In den USA ist seit einigen Jahren der Trend zum freiwählbaren Urlaub zu beobachten und längst sind auch die Fallstricke der Regelung analysiert worden: Wie auch bei frei einteilbaren Arbeitstagen neigen Arbeitnehmer dazu, eher zu wenig als zu viel Freizeit in Anspruch zu nehmen. Müssen Ziele erreicht und Projekte abgeschlossen werden, kann ein festverbriefter Urlaubsanspruch hilfreich sein, um Angestellte zu ihrem Glück zu zwingen. Wohlgemerkt: Wir sprechen nicht von anonymen Behörden, sondern zumeist von agilen Startups und Technologiefirmen, deren Mitarbeiter in der Regel eine hohe Identifikation mit ihrer Stelle haben.
Joblift hat in der Auswertung die interessante Entdeckung gemacht, dass nur 43 Prozent der deutschen Firmen, die Urlaubstage nicht zählen, Startups sind. Die meisten Inserate stammten vom Matratzen-Start-up Casper, gefolgt von der Berliner Kreativagentur eShot und dem Carsharing-Anbieter SnappCar.
Das sagt das Arbeitsrecht zum Thema Urlaubsanspruch
Wer sechs Tage pro Woche arbeitet, hat einen Mindestanspruch von 24 Urlaubstagen pro Jahr, bei einer Fünftagewoche stehen Arbeitnehmern 20 Tage zu und bei einer Viertagewoche 16 Urlaubstage.
Tarif- oder Arbeitsverträge können deutlich längeren Urlaub vorsehen - 30 Tage Jahresurlaub sind in vielen Berufen und Branchen üblich. Die Zahl der Urlaubstage hängt allerdings noch von weiteren Faktoren ab. Verschiedene Personengruppen bekommen mehr bzw. weniger, als andere.
Auch wenn ein Mitarbeiter krankheitsbedingt das gesamte Jahr ausgefallen ist, hat er Anspruch auf seinen Jahresurlaub. Diesen kann der Mitarbeiter in den ersten drei Monaten des Folgejahres nehmen.
Bei Jugendlichen ist der Urlaubsanspruch nach Alter gestaffelt: Wer unter 16 ist, bekommt bei einer Fünftagewoche 25 Urlaubstage. Azubis unter 17 Jahren erhalten 23 Urlaubstage, bei unter 18-Jährigen sind es 21 Urlaubstage.
In der Probezeit hat man pro vollem Monat Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Wer also einen Anspruch auf 20 Tage Jahresurlaub hat und nach drei Monaten Probezeit Urlaub nehmen möchte, bekommt fünf Tage frei.
Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung, die fünf Tage pro Woche arbeiten, haben einen Anspruch auf fünf Extraurlaubstage.
Neue Mitarbeiter erwerben ihren vollen Urlaubsanspruch nach sechs Monaten. Wer im Januar anfängt, kann also im Februar noch keine drei Wochen Urlaub nehmen.
Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich aufs jeweilige Kalenderjahr beschränkt. Mitarbeiter müssen daher alle ihre Urlaubstage bis zum 31. Dezember nehmen, sonst verfällt der Anspruch. Wer seinen Urlaub wegen Krankheit, einer Urlaubssperre oder anderen betrieblichen Gründen nicht komplett verbrauchen konnte, kann den Resturlaub jedoch auf das Folgejahr übertragen. Der Resturlaub muss dann in der Regel aber bis zum 31. März genommen werden – es sei denn, Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich auf eine Übertragung über den März hinaus.
Grundsätzlich regelt das Bundesurlaubsgesetz den Urlaubsanspruch. Ein Recht auf bezahlten Urlaub haben alle, die arbeiten gehen: Vollzeitkräfte genauso wie Teilzeitkräfte, befristete oder geringfügig Beschäftigte genauso wie Lehrlinge, Referendare und Volontäre.
Insgesamt, so die Beobachtung, scheint sich ein Trend zu einem großzügigeren Urlaubsangebot in Unternehmen zu etablieren. In Durchschnitt bekommen deutsche Arbeitnehmer 28 Tage Erholungsurlaub pro Jahr. In den vergangenen 24 Monaten lagen fast 375.000 Stellenanzeigen mit ihrem Urlaubsversprechen über diesem Wert. Die Stellen ganz ohne Urlaubslimits sind dabei offenbar schneller besetzt, nämlich nach durchschnittlich 22 Tagen. Positionen mit durchschnittlichem Urlaubsanspruch waren der Analyse zufolge erst nach 44 Tagen neu besetzt.
Ob sich die beschriebenen Stellen insgesamt als attraktiv herausstellen und wie lang die Verweildauer der Neuzugänge ist, wurde nicht gemessen. Ableiten lässt sich indes, dass der Urlaubsanspruch im Kampf um die besten Köpfe eine wichtige Stellschraube wird, um freie Stellen zu besetzen und dabei die qualifiziertesten Kandidaten zu überzeugen.
