Für Theresa Weis, 26, ist die automobile Zukunft nur einen Schritt weit von ihrer Bürotür entfernt. Hier, in der Stuttgarter Zentrale, planen sie die Fertigung des Porsche Taycan, genauer: den elektrischen Antrieb für das erste E-Modell des Sportwagenherstellers. Die Wirtschaftsingenieurin hilft seit Herbst 2017 als Trainee mit, die neue Technologie aus den Entwicklungslaboren auf die Straße zu bringen – etwas Besseres kann sie sich beruflich nicht vorstellen.
Sie sei seit Kindertagen begeistert von Autos, sagt Theresa Weis. Und für den Einstieg bei Porsche habe sie den perfekten Zeitpunkt erwischt: „Die ganze Industrie ist gerade im Wandel, und ich kann einen Teil dazu beitragen.“ Eine sichere Stelle, ein prestigeträchtiges Produkt, gute Weiterbildungsmöglichkeiten – auch das habe sie zu Porsche gezogen. Dagegen spielten die Abgasmanipulationen, mit denen deutsche Autohersteller nun schon seit Jahren ihre Reputation aufs Spiel setzen, keine Rolle für Weis: „Die negativen Schlagzeilen haben mich nicht gestört.“ Obwohl auch Porsche mehrere Tausend Modelle aufgrund von illegalen Abschalteinrichtungen zurückrufen musste.
Viele Hochschulabsolventen treffen ihre Berufsentscheidung wie Theresa Weis: Die schlechten Nachrichten über gefälschte Abgastests, Rückrufaktionen, Klagen und Strafzahlungen reißen nicht ab – aber dem Ruf der Autohersteller als attraktivste Arbeitgeber in Deutschland schadet es nicht.





Das zeigt das aktuelle Arbeitgeberranking, dass die Employer-Branding-Beratung Universum erstellt hat und das der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. Es wertet eine Befragung von fast 35.000 deutschen Studierenden aus, ihre Karriereziele und Wunscharbeitgeber. Das Ergebnis: Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure würden am liebsten bei Porsche, Daimler, BMW und Audi anheuern. Unter Informatikern sind nur Techkonzerne wie Google, Microsoft, Apple oder SAP etwas beliebter. Allein Naturwissenschaftler bevorzugen öffentliche Forschungsinstitute wie die Max-Planck-Gesellschaft oder laborstarke Unternehmen wie Bayer und BASF.
Deutschland, einig Autoland? Tina Smetana, Deutschlandchefin von Universum, hat dafür eine einfache Erklärung: „Wir müssen uns in die Lage der Bewerber versetzen. Aus deren Sicht sind ein hohes Grundgehalt, spannende Produkte und gute Aufstiegsmöglichkeiten besonders wichtig.“ Im Gegensatz zu den persönlichen – man kann auch sagen: rein egoistischen – Motiven sind vielen Studenten soziale oder ethische Unternehmenstandards offenbar weniger wichtig. „Es ist schön für die Absolventen, wenn auch das stimmt“, sagt Smetana. Aber für die meisten Studierenden überwögen die „harten Fakten“ das, was sie die „weichen Faktoren“ nennt.
Benjamin von Walter überrascht das nicht. Der Professor für Marketing am Institut für Unternehmensführung der FHS St. Gallen beschäftigt sich mit der Frage, welche Folgen Skandale für den Ruf eines Unternehmens und für seine Mitarbeiter haben. „Die Autoindustrie profitiert von ihrer über Jahrzehnte hinweg aufgebauten Reputation“, sagt von Walter – sie wirke „bei solchen Skandalen wie eine Art Puffer“. Hinzu kommt: Viele Menschen in Deutschland fühlten sich den Automarken verbunden, häufig schon von Kindesbeinen an. „Deshalb ordnet man negative Informationen über sie anders ein und versucht, sie nicht so stark zu gewichten oder sogar zu entwerten.“
Und diese Markentreue wird noch stärker, wenn man ihr nicht nur als Käufer, sondern auch als Mitarbeiter verbunden ist – wenn das eigene Wohlergehen von ihrem Glanz abhängt. Wird die eigene Firma dauerhaft von Politik, Gesellschaft und Medien kritisiert, treffe das die Belegschaft sozusagen persönlich: Sie reagiert auf Attacken mit Verteidigung, Rechtfertigung – mit der Ausbildung einer solidarischen Bunkermentalität: Die Folge sind etwa Facebook-Gruppen mit dem Titel „Ich halte zu Volkswagen, egal was passiert“, in der sich Mitarbeiter und Markenfans Mut zusprechen.