Tierversuche, angeblich verschwiegene Nebenwirkungen und Prozesse wegen Betrugs: Der Pharmabranche haftete jahrelang ein mieses Image an. Diese Zeiten sind vorbei, meint zumindest Florian Goetz. Die Coronapandemie habe dafür gesorgt, dass sich das Ansehen in den vergangenen Jahren „enorm gewandelt hat“, berichtet Goetz, der bei Progressive Recruitment, einem Geschäftszweig der Personalberatung S-Three, arbeitet und dort für Pharma- und Biotechfirmen zuständig ist. „Die Arbeit in einem Konzern, der mit seiner Arznei Leben retten kann, gilt unter Absolventen heute als viel sinnstiftender als noch vor der Pandemie“, erläutert Goetz.
Verantwortlich für den Imagegewinn sind die Impfstoffhersteller allen voran Biontech aus Mainz. Denn es waren kleine Firmen, mitunter noch Start-ups ohne ein Produkt, die diese dringend benötigten Wirkstoffe entwickelten, die Menschen vor schweren oder gar tödlichen Verläufen einer Infektion mit dem Coronavirus schützen sollten. Biontech und auch Moderna hängten große Konzerne mit ihren mRNA-Impfstoffen bei der Wirksamkeit ab.
Ihre Erfolge in Forschung und Produktion sorgten für einen enormen Anstieg bei der Beliebtheit der Impfstoffhersteller unter jungen Talenten, zeigt das Arbeitgeberranking der Employer-Branding-Beratung Universum. Dafür befragte Universum Tausende Studentinnen und Studenten verschiedener Fachrichtungen, bei welchen Firmen sie am liebsten arbeiten würden. Die Ergebnisse des Rankings lagen der WirtschaftsWoche vorab exklusiv vor. Unter den Naturwissenschaftlern sind die Impfstoffhersteller die größten Gewinner in diesem Jahr. Die vollständigen Ergebnisse des Rankings finden Sie hier.
Biontech führt die Liste als beliebtester Arbeitgeber der Naturwissenschaftler an. Fast 30 Prozent der befragten Hochschulabsolventen würden hier anheuern. Universum erstellt die Liste der Unternehmen, aus der die Studenten ihre bevorzugten Arbeitgeber wählen können, stets Monate vor der Befragungswelle. 2021 war Biontech noch nicht Teil des Rankings und trat seinen Siegeszug in der diesjährigen Befragung also aus dem Nichts an.
Renommee als Luxusproblem
Für Johnson & Johnson, dessen Pharmasparte Janssen ebenfalls einen Impfstoff entwickelte, ging es in diesem Jahr 20 Plätze nach oben. Doch das Unternehmen spürte auch schon vorher – im ersten Jahr der Pandemie – einen Anstieg in der Beliebtheit: „Im Jahr 2020 erkennen wir in den Bewerberzahlen einen sehr deutlichen Peak. Wir standen damals schließlich stark in der Öffentlichkeit“, erzählt Jonas Rybach, der bei Johnson & Johnson das Recruiting in Deutschland und Österreich verantwortet. Aber: „Die Türen wurden uns nicht sprichwörtlich eingerannt“, betont Rybach.
Mehr Andrang von Bewerbern bedeutet auch: mehr Arbeit für die Personaler. „Schließlich muss Biontech der Bewerbungsflut Herr werden, Bewerbungen sichten und sich bemühen, den Kandidaten auch zu antworten“, sagt Tina Smetana, Deutschlandchefin von Universum. Doch dies sei für die Hersteller und vor allem für Biontech ein „Luxusproblem“, auf das viele Unternehmen anderer Branchen eher neidvoll blicken dürften.
„Vor allem die Spezialisten, die uns vor der Pandemie schon als Pharmaunternehmen kannten, kamen auch 2020 nicht von allein in großen Scharen“, berichtet hingegen Johnson & Johnson-Recruiter Rybach. „Bei den Geschäftsbereichen gab es in der Zeit auch Verschiebungen: Während der Pharmabereich 2020 und 2021 weiter stark gewachsen ist, verlief die Entwicklung in der Medizintechnik etwa vor allem aufgrund verschobener Operationen schleppender“, sagt er.
Die großen Pharmakonzerne belegen hinter Biontech zwar obere Plätze. Aber sie verlieren trotzdem leicht in der Gunst der Studenten. Bayer büßte im Vergleich zum Vorjahr 0,8 Prozentpunkte ein, Novartis Pharma etwa 0,6 Prozentpunkte.
Und auch Personalberater Florian Goetz meint: „Für Beschäftigte macht es einen Unterschied, ob sie neuartige Impfstoffe entwickeln oder nur die nächste beliebige Kopfschmerztablette herstellen.“ Die Bewerber achteten heute nicht mehr nur darauf, ob die Lage des Arbeitgebers und das Gehalt passen, sondern auch darauf, wie innovativ die Produkte sind. Im Ranking ermittelte Universum auch, auf welche Kriterien Studenten bei der Auswahl eines Arbeitgebers achten würden. Naturwissenschaftler legen unter allen Fachrichtungen demnach tatsächlich den größten Wert auf Innovation.
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