Arbeitsmarkt Wer jetzt einen Jobwechsel riskieren sollte

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Job mit Perspektive

Natürlich lässt sich nicht wegreden, dass Jobwechsel aktuell riskant sind. So ist für die meisten Umsteiger auch bei bester Marktrecherche nur schwer zu erkennen, wie gut das neue Unternehmen wirklich dasteht. Hinzu kommen das Risiko der Probezeit sowie der Zwang, sich erst wieder einarbeiten zu müssen. Als Neuer verfügt man eben weder über ein Netzwerk im Unternehmen noch über einen tragfähigen Leumund. Rolle und Status müssen erst wieder mühsam gefunden beziehungsweise aufgebaut werden. Das ist unbequem.

Doch darin läge immer auch eine Chance, findet zum Beispiel Axel Deuser. Im Januar gab der 43-Jährige seinen Job als Senior Sales Manager beim Finanzdienstleister HBOS auf, um als Leiter der Regionaldirektion Wiesbaden beim Mitbewerber Delta Lloyd anzuheuern. Klar, sei ihm damals bewusst gewesen, einen sicheren Arbeitsplatz aufzugeben. Aber das war für ihn Nebensache: „Der Karriereschritt hatte Vorrang.“

So warnen Personalberater, sicher nicht ganz uneigennützig, vor zu viel Argwohn: „Unternehmen, die jetzt einstellen, tun dies, weil sie wirklich Bedarf haben“, sagt Wolfgang Lichius, Partner der Kienbaum Executive Consultants. Entsprechend sicher sei der neue Arbeitsplatz und vielversprechend dessen Perspektiven.

Wechselwillige suchen Entwicklungschancen im neuen Job

Auch Alexander Kunkel war zunächst skeptisch. Eine umfassende Internet-Recherche und vier Gespräche gingen voraus, bevor der studierte Physiker und Chemie-Werksleiter als Geschäftsführer bei dem Lack-Spezialisten Kwasny einstieg. Im Zeitalter von Online-Netzwerken und Bewertungsplattformen, ist Kunkel überzeugt, könnten sich seriöse Firmen reine Lockvogelangebote nicht leisten. „Die müssen halten, was sie versprechen.“

Wenn überhaupt, dann sind es auch genau diese Punkte, die die umworbene Klientel zum Umsatteln bewegt. 76,5 Prozent der Wechselwilligen suchen in erster Linie Entwicklungschancen im neuen Job, ebenso viele wollen mehr Kompetenz und Verantwortung, gaben etwa die Fachkräfte des LAB-Panels an. Danach allerdings folgte schon mit rund der Hälfte aller Nennungen der Wunsch nach einem deutlichen Gehaltsplus.

Er ist nicht völlig vermessen. Tatsächlich sind viele Positionen, die jetzt besetzt werden, von vorneherein so angelegt, dass man sich dort profilieren kann. Beim Gros der Unternehmen stehen drastische Sparrunden an, nicht wenige benötigen staatliche Zuschüsse. Was für die Firmen dramatisch ist, eröffnet Controllern, Einkaufsoptimierern und Finanzexperten einige Optionen, zu zeigen, was sie können. Ebenso stehen zahlreiche Geschäftsabläufe auf dem Prüfstand, was wiederum IT-Spezialisten in die Karten spielt.

Wer das richtige Know-how mitbringt und beispielsweise weiß, wie über IT-Rationalisierung und Automatisierung Kosten zu senken sind, kann sich beruflich verbessern. Vor allem Anbieter, die sowohl die Beratung als auch die Umsetzung möglichst individueller Softwarelösungen im Portfolio haben, buhlen derzeit um Umsteiger.

Mittelständler nutzen die Krise

So fahndet etwa das Software- und Beratungshaus IDS Scheer nach 80 bis 100 solcher neuen Kollegen, 200 offene Positionen möchte der IT-Dienstleister Logica besetzen. Im Gegenzug bieten die Firmen häufig schnelle Projektverantwortung, flache Hierarchien und Weiterbildung.

Insbesondere Mittelständler nutzen gerade die Krise, um Top-Kräfte ins Haus zu holen, die unter anderen wirtschaftlichen Bedingungen eher in internationale Konzerne gegangen wären.

Hans-Jochen Beilke, Geschäftsführer des in Baden-Württemberg ansässigen Motorenherstellers EBM-Papst, sagt offiziell zwar nur, jeden zu übernehmen, der in seinem Haus eine gute Diplomarbeit schreibt. Inoffiziell aber – wissen Insider – sind längst Headhunter auf Abwerbemission unterwegs.

Die hausieren auch für andere Unternehmen. Pikanterweise zählt dazu ausgerechnet die Finanzbranche. Die Deutsche Bank oder die Credit Suisse zum Beispiel versuchen aktuell gezielt, die Schwäche der Konkurrenz auszunutzen, um sich deren Top-Kräfte einzuverleiben. Dabei locken sie vor allem mit Boni, auf die die Finanzexperten woanders gerade verzichten müssen.

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