Beliebte Arbeitgeber Das überraschende Comeback der Beratungen

Beratungen werden als Arbeitgeber bei Studierenden wieder attraktiver. Quelle: Getty Images

Wirtschaftsskandale und Berichte über extreme Arbeitsbelastung prägten jahrelang das Image der Unternehmensberatungen. Doch plötzlich wollen Hochschulabsolventen wieder bei ihnen anheuern. Wie passt das zusammen?

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Als David Döbele 2015 in sein Wirtschaftsstudium an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main startete, waren KPMG und PWC für ihn nichtssagende Akronyme, wie er einräumt. Was eine Unternehmensberatung macht, wusste er ebenso wenig. Inzwischen ist das anders: Mit Mitte 20 umgibt sich Döbele tagtäglich mit Menschen, die entweder bereits bei großen Beratungen wie KPMG, PWC oder McKinsey arbeiten – oder berät sie, mit welchen Abschlüssen und Erfahrungen sie ihre Chance auf eine Anstellung maximieren. Döbele leitet die Karriereberatung Pumpkincareers, die sich explizit an Studenten und Studentinnen richtet, und lädt auf seinem Youtube-Kanal regelmäßig Videos mit Unternehmensberatern hoch. Die Filme werden zehntausendfach geklickt.

Und Döbele beobachtet etwas: Anders als er vor sieben Jahren würden heute immer mehr Leute bereits mit dem Ziel, Unternehmensberater zu werden, in ihr BWL-Studium starten. „Beratungen sind heute einfach viel bekannter“, sagt Döbele. Seine Beobachtungen decken sich mit den Ergebnissen des aktuellen Arbeitgeberrankings der Employer-Branding-Beratung Universum. Dafür befragte Universum Tausende Studentinnen und Studenten verschiedener Fachrichtungen, bei welchen Firmen sie am liebsten arbeiten würden. Die Ergebnisse des Rankings lagen der WirtschaftsWoche vorab exklusiv vor. Die vollständigen Ergebnisse finden Sie hier.

Und die Riege der Beratungen zählt zu den Gewinnern: In diesem Jahr konnten McKinsey, PwC, KPMG, die Boston Consulting Group, EY und Deloitte in der Gunst der Menschen aus wirtschaftlichen Studiengängen teils deutlich profitieren, zeigt das Ranking. Mehr Studenten als im Vorjahr würden gerne bei diesen Konzernen anheuern. „Die Beratungshäuser, die für Absolventen stets eine wichtige Anlaufstelle sind, hatten in den vergangenen Jahren stark zu kämpfen“, sagt Tina Smetana, Deutschlandchefin von Universum. „Wir sehen aber, dass sie jetzt wieder an Ansehen gewinnen, vor allem bei den Wirtschaftswissenschaftlern.“

Das ist vor allem deshalb beachtlich, weil Beratungen in den vergangenen Jahren allzu häufig aufgrund ihres zweifelhaften Images einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden: Als Abschlussprüfer testierte EY bis 2018 die Jahresabschlüsse des Skandalkonzerns Wirecard und schädigte damit auch dem Ruf der Beratungssparte. Und die Big Four – die größten Wirtschaftsprüfer der Welt – werden regelmäßig für ihre große Macht kritisiert. Alle vier Prüfungsgesellschaften sind nämlich auch als Beratungen tätig: EY, KPMG, Deloitte und PWC.

Außerdem berichten Mitarbeiter auf Plattformen wie Kununu oder Glassdoor, auf denen sie ihre Arbeitgeber bewerten, von enormer Arbeitsbelastung und Erfolgsdruck in den Beratungshäusern. Und auch eine aktuelle Befragung des Bundesverbands deutscher Unternehmensberater (BDU) offenbart, mit welcher Arbeitsbelastung die Nachwuchsberater rechnen: Dafür befragte der BDU Ende 2021 junge Menschen, die bereits Erfahrungen in Beratungshäusern sammeln konnten – als Werkstudenten oder Praktikanten etwa. Demnach gehen weniger als zehn Prozent der Befragten davon aus, in ihrem Einstiegsjahr in einem großen Beratungsunternehmen 40 bis 45 Stunden pro Woche zu arbeiten. Mehr als jeder Vierte rechnet mit 46 bis 50 Stunden, jeder Dritte mit 51 bis 59 Stunden – und fast 30 Prozent sogar mit mehr als 60 Stunden pro Woche.

David Döbele kennt solche Erfahrungen, und er will doch wissen, warum sich Studenten für einen Job bei diesen Konzernen entscheiden. Viele seiner Kunden seien bereit, die ersten fünf oder sechs Jahre ihrer Karriere besonders hart zu arbeiten, um sich mit den großen Namen der Beratungen im Lebenslauf neue berufliche Chancen zu erarbeiten. Seine Kunden, sagt Döbele, ziehe es auch häufig zu den Beratungen, weil sie unter „Gleichgesinnten“ arbeiten wollten. „In den meisten Beratungen arbeiten ausschließlich smarte Leute“, sagt Döbele. Das mache für viele Hochschulabsolventen einen enormen Reiz aus. Außerdem würden sie mächtigen Managern, die teils 20 oder 30 Jahre älter sind, auf Augenhöhe begegnen, meint Döbele.

Der BDU ermittelte in seiner Befragung ebenfalls, was die junge Beraterzunft vom Jobeinstieg in der harten Branche überzeugt. Und so zeigt sich, dass sich mit 82 Prozent die meisten Studenten wegen der Karriereperspektiven und Weiterbildungsangebote für die Beratung entscheiden würden. Erst auf dem zweiten Platz folgt das Gehalt, für 72 Prozent ist der gute Verdienst ein wichtiges Kriterium für den Jobeinstieg. Ob der Standort der Beratung gut zu erreichen ist, spielt hingegen nur für 54 Prozent wirklich eine Rolle.

Falsche Vorstellungen

Bei den Gehaltserwartungen gehe die Schere zwischen den Vorstellungen der Studenten und den tatsächlich in der Unternehmensberatung üblichen Einstiegsgehältern ohnehin teils erheblich auseinander, heißt es beim Verband. Präsident Ralf Strehlau meint: „Wir machen in unserer Branche die Erfahrung, dass junge Menschen vermehrt mit überzogenen Gehaltsvorstellungen in den Bewerbungsprozess hineingehen.“ Vor allem das Brutto-Grundgehalt werde „nicht selten“ zu hoch eingeschätzt. Eine zu starke Fokussierung auf nur einen Bestandteil der Gesamtvergütung, meint Strehlau, führe schnell zu Fehlannahmen. „Viel aussagekräftiger ist letztlich das Gesamtpaket aus Grundgehalt, Boni und Zusatzleistungen, wie beispielsweise Weiterbildungsangebote, Mobilitätsbudgets oder Gesundheitsförderung.“

Laut Daten des BDU könnten Absolventen mit Bachelorabschluss als Analysten in einer kleineren Beratung mit 43.000 Euro brutto im Jahr rechnen. „Bei mittleren Consultingunternehmen liegt der gewichtete Mittelwert bei 47.000 Euro, bei den großen Marktteilnehmern bei 49.000 Euro“, heißt es beim Verband. Als Consultant mit Masterabschluss seien zwischen 48.000 und 58.000 Euro drin. In der aktuellen Befragung hätte allerdings jeder dritte Student angegeben, als Brutto-Grundgehalt mehr als 60.000 Euro zu erwarten.

Tina Smetana geht davon aus, dass das gestiegene Ansehen der Beratungen ihre Probleme „nicht komplett“ lösen wird. „Denn sie suchen zurzeit verstärkt nach Informatikern und Ingenieuren und da haben sie es weiterhin schwer“, meint die Expertin von Universum. Und auch Ralf Strehlau sagt: Die Nachwuchsgewinnung stelle seit einigen Jahren „vielleicht die größte Herausforderung“ für die Beratungsunternehmen dar. „Die Rollen und Tätigkeiten der Unternehmensberatungen sind immer breiter und umfassender geworden, daher werden in Beratungsunternehmen junge Ingenieure und Informatiker, aber auch Sozial- und Geisteswissenschaftler wie etwa Psychologen verstärkt gesucht und eingestellt“, sagt Strehlau. „Wir hören immer wieder aus der Branche, dass qualifiziertes Personal der limitierende Faktor beim Wachstum der Unternehmensberatungen darstellt.“

Tatsächlich konnten die Beratungen zwar im Ranking der Wirtschaftswissenschaftler allesamt zulegen. Die größten Gewinner sind sie in diesem Jahr allerdings nicht. Porsche belegt den ersten Rang, gewann im Vergleich zu 2021 gut 2,2 Prozentpunkte – und löste den Vorjahressieger Mercedes-Benz an der Spitze der Rangliste ab.

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„Bei den Wirtschaftswissenschaftlern“, sagt Smetana, „sehen wir besonders stark die Bedeutung von Konsumentenmarken. Die Studenten scheinen vor allem bei den Konzernen arbeiten zu wollen, deren Marken sie aus dem Alltag kennen.“ Dabei gelte: Je prestigeträchtiger eine Marke, umso besser für das Renommee. „Das könnte die guten Werte von Porsche, aber auch den Aufstieg von LVMH erklären“, sagt Smetana. Der Luxuskonzern LVMH belegt im Arbeitgeberranking den 29. Platz – mehr als fünf Prozent der befragten Akademiker konnten sich gut vorstellen, hier zu arbeiten.

Der größte Aufsteiger unter den Wirtschaftswissenschaftlern ist die deutsche Niederlassung von Pfizer. Der Pharmakonzern entwickelte den Impfstoff gegen das Coronavirus mit der Mainzer Firma Biontech und legte im Ranking um 37 Plätze zu. Für Onlinehändler Amazon ging es hingegen um 14 Plätze nach unten.

Lesen Sie auch: Auf zum Autobauer, Pharmakonzern oder doch zur Softwareschmiede? Hochschulabsolventen haben die freie Wahl. Doch welche Firmen ziehen sie an? Und wer verliert an Renommee? Das Arbeitgeberranking liefert Antworten.

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