Bewerbung Assessment-Center – Nein danke!

Lebenslauf, Anschreiben, Bewerbungsgespräch – alles kein Problem. Doch beim Assessment-Center schrecken viele Bewerber zurück. Wer sich mit dem Auswahlverfahren schwer tut und welche Konsequenzen Unternehmen daraus ziehen müssen.

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Tipps fürs Assessment Center
VorstellungsrundeTypisch: „Stellen Sie sich bitte der Gruppe vor und nennen Sie die wichtigsten Stationen Ihres Lebens.“Richtig:  Jeder Experte rät Bewerbern, möglichst authentisch aufzutreten – leichter gesagt als getan. Daher sollten Sie Ihren Text vorbereiten und vorher Freunden vortragen. Im AC stehen Sie langsam auf, halten Blickkontakt zu den Anwesenden und nennen maximal drei relevante Stationen Ihres Lebenslaufs.Falsch:  Die Aufregung überspielen. Nervosität ist verständlich, vertuschen sinnlos. Außerdem brauchen Sie alle Energie für die Aufgabe. Quelle: Fotolia
PräsentationTypisch: „Sie sind Assistent eines Technikvorstands und sollen den Vorstandsvorsitzenden von der Einführung eines Intranets überzeugen.“Richtig: Bevor Sie Ihren Vortrag halten, sammeln Sie sich – aber bitte nur kurz. Eine kleine rhetorische Pause erhöht die Wirkung Ihres Vortrags. Kündigen Sie an, was Sie erzählen werden. Das macht es den Beobachtern leichter und gibt Ihnen einen roten Faden. Am Schluss fassen Sie die wichtigsten Punkte noch einmal zusammen.Falsch: Sie leiden bei Vorträgen am „Ähm“-Syndrom? Trainieren Sie sich das besser vorher ab. Wenn Sie merken, dass Sie den Faden verlieren, kurz innehalten und bisherige Highlights zusammenfassen. Quelle: Fotolia
FallstudieTypisch: „Sie sind Chef eines Unternehmens, das ein neues Produkt erfunden hat. Entwickeln Sie eine Strategie für dessen Einführung.“Richtig: Wichtig: Es gibt hier keine richtige Lösung. Achten Sie darauf, dass Sie nicht nur zum Ergebnis kommen, sondern zeigen Sie, wie Sie dorthin gelangt sind. Lieber eine falsche Lösung mit richtigem Vorgehen als umgekehrt.Falsch: Oft sind Fallstudien als Gruppenübung angelegt. Dann steht der gemeinsame Lösungsprozess im Fokus. Falls Sie einen Fehler machen, stehen Sie dazu! Ebenso falsch wäre es, sein eigenes Süppchen zu kochen und nicht alle in die Entscheidung einzubeziehen. Quelle: Fotolia
RollenspieleTypisch: „Sie sind Abteilungsleiter und sollen einen Mitarbeiter zur Rede stellen, der stets unpünktlich zur Arbeit kommt.“Richtig: Hier sind Kommunikations- und Konfliktstärke gefragt. Teilen Sie dem Mitarbeiter, der meist von einem der Beobachter gespielt wird mit, worum es geht, und bitten Sie ihn um eine Stellungnahme. Wenn er einlenkt – fein. Wenn nicht, drohen Sie Konsequenzen an.Falsch: Zu autoritäres Auftreten („Ich könnte schon morgen jemand anderen einstellen“) oder zu gutmütiges („Bedrückt Sie etwas?“). Es gilt, den goldenen Mittelweg zu finden. Ebenso falsch: lange Monologe halten – die Übung heißt intern nicht umsonst „Mitarbeitergespräch“. Quelle: Fotolia
InterviewTypisch: „Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?“, „Wo liegen Ihre Schwächen?“, „Was bedeutet für Sie Erfolg?“Richtig: Ihren Lebenslauf müssen Sie im Kopf haben – vor allem dessen Lücken. Wer ins Stottern gerät, hinterlässt einen ziellosen Eindruck. Zeigen Sie sich als aufgeschlossene Person, die Herausforderungen sucht, um daran zu wachsen.Falsch: Viele Beobachter versuchen, die Kandidaten aus der Ruhe zu bringen, etwa: „Was spricht gegen Sie als Kandidat?“ Fatal wäre jetzt entwaffnende Ehrlichkeit. Kontern Sie stattdessen die Frage: „Ich will Ihnen lieber erzählen, was für mich spricht!“ Quelle: Fotolia
PostkorbübungTypisch: „Sie kommen zwischen zwei Auslandsterminen ins Büro. Ordnen Sie innerhalb von 20 Minuten Ihren Posteingang.“Richtig: Hier geht es um Organisationstalent. Was müssen Sie selbst erledigen, was delegieren? Verschaffen Sie sich einen Überblick, trennen Sie Unwichtiges von Wichtigem. Bleiben Sie aber gelassen – hektisches Herumwühlen fällt negativ auf.Falsch: Überlegtes Vorgehen ist gut, zögern schlecht. Nach der Übung werden Sie meist zu Ihren Entscheidungen befragt. Versuchen Sie dabei nie, Fehler zu beschönigen oder zu rechtfertigen. Quelle: Fotolia
GruppendiskussionTypisch: „Diskutieren Sie gemeinsam, welche Eigenschaften eine gute Führungskraft auszeichnet.“Richtig: Auch hier gilt: Die Art des Diskussionsstils ist wichtiger als das Resultat. Vertreten Sie Ihre Meinung, ohne die Aussagen der Mitdiskutanten zu ignorieren oder zu degradieren. Loben Sie stattdessen deren Beiträge („Ein berechtigter Einwand!“) und stellen Sie Ihre eigenen zur Diskussion („Wie denken Sie darüber?“).Falsch: Sie sind eher introvertiert? Nicht schlimm! Zum Problem wird das im AC erst, wenn Sie den Mund überhaupt nicht aufmachen. Übertreiben sollen Sie es aber auch nicht: Dampfplauderer fallen immer negativ auf. Quelle: Fotolia

Vorstellungsrunde, Gruppenarbeit und die obligatorische Postkorbübung sind die zentralen Inhalte eines jeden Assessment-Centers. Die Auswahlverfahren dauern zwischen ein und drei Tagen, und sind gerade bei großen Unternehmen nicht mehr weg zu denken.

Doch so gerne Personaler die Teilnehmer in voller Aktion begutachten, so Nerven aufreibend ist der Bewerbungsmarathon für die potentiellen Mitarbeiter. Das geht sogar so weit, dass viele sich gar nicht erst bewerben, wenn ein Assessment-Center auf dem Programm steht. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Crosspro-Research, einer Marktforschungsplattform zu den Themen Job und Karriere. 

12 Karriere-Mythen

Zwar sieht über die Hälfte der 19.500 Befragten in einem Assessment-Center kein Hindernis für Ihre Bewerbung. Immerhin ein Viertel der Stellensuchenden lehnt ein Assessment-Center für sich persönlich aber ab. Eine Einstellung, die Personalexperte Wolfgang Brickwedde vom Institute for Competitive Recruiting nicht nachvollziehen kann. Die Bewerber müssten Assessment-Center eigentlich begrüßen, da sie ihnen einen besseren Einblick in die Unternehmenskultur vermittelten. Die Kandidaten könnten zum Beispiel miterleben "wie die teilnehmenden Führungskräfte miteinander umgehen“, sagt Brickwedde. 

Die fiesesten Fragen im Vorstellungsgespräch
„Wie viele Briefkästen der Deutschen Post stehen auf den Straßen Deutschlands?“ Quelle: dpa
„Wie viele Smarties passen in einen VW-Bus?“ Quelle: dpa
„Sie steigen in den Aufzug ein und im Aufzug befindet sich der CEO. Was würden Sie ihm sagen, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen?“ Quelle: REUTERS
Wenn Sie alle Wohnungen in NRW mit Parkett ausstatten wollen würden, wie viel Holz müsste im Schwarzwald abgeholzt werden?“ Quelle: dpa
„Wie viele Cappuccinos werden täglich in Manhattan verkauft?“ Quelle: dpa
„Wenn der Schokoriegel „Mars” eine Person wäre, wie wäre sie?” Quelle: dpa
Der Leiter der Lufthansa Cargo Animal Lounge, Axel Heitmann, hält am Flughafen in Frankfurt am Main einen Regenwurm aus China in seiner Hand Quelle: dpa

Lieber individueller

Jan Müller leitet das Europageschäft bei Futurestep, einem Spezialisten für Personalbeschaffung. Er sieht verschiedene Gründe für die ablehnende Haltung gegenüber Assessment-Centern. Die Generation Y, also alle nach 1980 Geborenen, legen mehr Wert auf eine individuelle Gestaltung ihres Arbeitsalltags als noch die Generation X oder die Babyboomer. Sie bevorzugen eine gute Work-Life-Balance und intensive Betreuung durch ihre Vorgesetzten.

Ihre Vorstellungen von der Arbeitswelt wirken sich auch auf ihre bevorzugten Bewerbungsverfahren aus.  "Viele wollen sich nicht einem standardisierten Assessment-Center unterwerfen, sich in eine solche Stresssituation begeben, um dann auch noch ausgesiebt zu werden. Sie mögen es individueller, ziehen Bewerbungsgespräche vor", sagt Müller.

Workshops oder Online-Tests sind eine Alternative

Auch Manager wollen persönlicher begutachtet werden. Auf dieser Karrierestufe ist die Ablehnung gegenüber Assessment-Centern besonders hoch. Fast 34 Prozent lehnen ein solches Auswahlverfahren ab. Ähnlich hohe Werte gibt es nur bei den Geschäftsführern. "Manager sehen es oft nicht ein, sich mit ihrer Erfahrung einem Assessment-Center zu unterziehen. Interessiert sich ein Unternehmen für sie, erwarten sie eine individuellere Behandlung“, sagt Müller.

Bewerbungsstrategien für den Traumjob

Der Personalexperte empfiehlt bei der Besetzung von Managementpositionen zum Beispiel gezielte Online-Tests im Vorfeld eines persönlichen Gesprächs.

Assessment-Center sollten auch laut Marktforschungsplattform Crosspro-Research vor allem bei Bewerbergruppen abgehalten werden, die solche Methoden akzeptieren. Berufseinsteiger sind die Zielgruppe, die am ehesten ein Assessment-Center über sich ergehen lassen. Dennoch lehnen auch hier 21 Prozent die Auswahltage ab - potentielle Mitarbeiter, auf die die Unternehmen von Anfang an verzichten müssen.

Aufklärungsarbeit

Eine Möglichkeit, die Skeptiker zukünftig dennoch zu erreichen, sei, Vorurteile gegenüber Assessment-Centern abzubauen. Die Personalabteilungen müssten  "potentiellen Bewerbern darlegen, welche Vorteile ein Assessment-Center  mit sich bringt“, heißt es bei Crosspro-Research.

Auch Jan Müller von Futurestep empfiehlt eine gezielte Kommunikation. "Spreche ich von einem Assessment-Center, lassen sich die Bewerber eher abschrecken, als wenn ich von einem Infotag mit Auswahlworkshops spreche“.

Und genau solche Mischveranstaltungen seien für die Bewerber nützlich, denn so müssten sich die Kandidaten auf der einen Seite zwar präsentieren, könnten aber gelichzeitig viel mehr über das Unternehmen erfahren. Ein Zugeständnis auch an die Generation Y, die bei der Auswahl ihrer potentiellen Arbeitgeber als besonders kritisch gilt.

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