Bewerbung "Ein Vorstellungsgespräch ist kein Krieg"

Zahllose Ratgeber wollen Bewerbern auf dem Weg zum perfekten Vorstellungsgespräch beistehen. Talanx-Personalchef Thomas Belker erklärt, warum Sie die oft nicht brauchen und wie Sie mit kniffligen Fragen umgehen sollten.

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Wettrüsten der Psychospielchen: Krieg zwischen Personalern und Bewerbern. Quelle: imago images

WirtschaftsWoche: Wenn man sich die zahlreichen Veröffentlichungen und Ratgeber rund um Vorstellungsgespräche anschaut, entsteht beinahe der Eindruck, es herrsche Krieg zwischen Personalern und Bewerbern: Die einen wollen unbedingt den Job, die anderen wollen sie unbedingt daran hindern. Zur Not mit unlösbaren Aufgaben...

Thomas Belker: Mich erstaunt, dass bei Bewerbern der Eindruck entsteht, es herrsche ein Krieg. Krieg würde ja bedeuten, dass es hinterher Gewinner und Verlierer gibt. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, den geeigneten Bewerber zu finden und je nach Position ist das auch nicht immer einfach.

Heißt: die Bewerber können ganz entspannt sein.

Jedes Bewerbungsgespräch ist subjektiv mit Stress verbunden, das geht auch Erfahrenen so. Wenn ich mich jetzt bewerben würde, wäre ich auch nervös. Man würde es mir vielleicht nicht anmerken, aber ich wäre nervös. Das ist wie mit Schauspielern, die auch vor der 50. Aufführung eines Stückes noch Lampenfieber haben. Aber das Lampenfieber hilft, sich zu konzentrieren. Stress sollte also sein, aber eben positiver Stress. Angst hat in einem Vorstellungsgespräch nichts zu suchen.

Thomas Belker Quelle: Presse

Wenn sich der Bewerber oder die Bewerberin aber so verrückt gemacht hat...

Dazu lernen Interviewer entsprechende Techniken, um Ängste abzubauen, wie zum Beispiel eine Warmup-Phase, in der man sich kennen lernt und ein paar lockere Fragen stellt. Wenn man da miteinander lachen kann, ist das Eis schon gebrochen.

Stichwort Aufwärmphase: In vielen Ratgebern heißt es "Bloß das angebotene Getränk nicht annehmen" - sonst wirke man gierig. Auch die Wahl zwischen Kaffee oder Tee verrate angeblich einiges. Steckt hinter diesem Willkommensgruß die erste Falle?
Wenn wir Kaffee anbieten, ist das reine Freundlichkeit. Das ist kein Test oder etwas ähnliches. Auch das angebotene Wasser ist ernst gemeint. Man unterhält sich ja vielleicht auch eine Stunde lang, da braucht man zwischendrin einfach einen Schluck Wasser.

Dieses Verhalten nervt die Personaler

Es gibt eine ganze Reiher von Ratgebern, die sich nur mit dem Thema Vorstellungsgespräch, der richtigen Kleidung, dem richtigen Verhalten und den richtigen Antworten befassen. Taugen die was?

Ratgeber rund um Vorstellungsgespräche sind ein richtiger Markt geworden. Natürlich muss man sich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereiten. Aber muss man dafür einen Ratgeber gelesen haben? In der Regel nein. Es gibt Ausnahmen, in der Regel ist es aber nicht notwendig.

Welche Berufsgruppen brauchen denn einen Bewerbungsratgeber?

Die großen Strategieberatungen haben diese sogenannten Brainteaser-Fragen – wie viele Smarties passen in einen Bus – entwickelt, um unter den Bewerbern der internationalen Elite-Unis die besten Kandidaten für höhere Positionen in der Beratung zu identifizieren. Dabei geht es darum, mathematische Kompetenzen abzufragen, herauszufinden, ob die Kandidaten „out of the box“ denken können, wie es so schön heißt, und wie sie reagieren, wenn sie nicht sofort eine Antwort auf eine Frage haben. Bei der Beantwortung dieser Art von Fragen sollen sich die angehenden Unternehmensberater sich mathematisch an eine Lösung herantasten und dann eine kreative Schlussantwort finden.

"Der Ähnlichkeitseffekt ist nicht zu unterschätzen"

Aber es stellen doch dich nicht nur EY oder PwC solche Smartiesfragen...

Wenn ein Kandidat für eine sogenannte normale Position eine solche Brainteaser-Frage gestellt bekommt, kann darf er ruhig sagen, dass er den Mehrwert dahinter nicht erkennen kann. Dann sollte er natürlich versuchen, sich der Lösung so weit zu nähern, wie er kommt. Hauptsache, er bleibt gelassen.

Wenn man Studien glauben darf, nützt einem aber auch die kreativste Antwort nicht, wenn der Personaler den Bewerber nicht sympathisch findet: Stichwort Ähnlichkeitseffekt: Die 30-jährige BWLerin stellt 30-jährige BWLer ein und keine 50-jährigen Ingenieure...

Der Ähnlichkeitseffekt ist natürlich nicht zu unterschätzen. Deshalb muss man sich als Interviewer immer wieder hinterfragen und in jedem Vorstellungsgespräch prüfen, wie man die Aussage eines Bewerbers interpretiert und bewertet, damit man diesen unbewussten Effekten nicht nachgibt. Es geht ja nicht darum, wen ich sympathisch finde, sondern wer am besten in ein bestimmtes Team passt. Wir suchen ja kaum Einzelkämpfer, sondern in der Regel Teamplayer, deshalb muss es vor allem menschlich passen.

Das machen Sie wie?

Es geht darum, einen authentischen Eindruck von dem Bewerber oder der Bewerberin zu kommen. Mit den Standardfragen nach Stärken und Schwächen, auf die die meisten antworten „Ich bin zu ungeduldig“, lernt man sich nicht kennen. Wenn Sie wissen wollen, wer da vor Ihnen sitzt, müssen Sie weg von Standardfragen, die Leute von sich erzählen lassen und einfach zuhören.

Und wenn Sie jemanden falsch einschätzen und er gar nicht ins Team passt?

Vor Vertragsabschluss kommt es in der Regel nochmal zu einem Treffen mit dem Bewerber und ein, zwei Mitgliedern seines zukünftigen Teams, damit die Beteiligten nochmal überprüfen können, ob es wirklich passt.

20 fiese Fragen, 20 clevere Antworten im Vorstellungsgespräch

Was macht für Sie ein gutes Gespräch aus, das - unabhängig von der späteren Entscheidung - für beide Seiten befriedigend ist?
Es gibt natürlich in jedem Vorstellungsgespräch spezielle Strukturen, die nötig sind, damit ich Kandidat eins, zwei und drei miteinander vergleichen kann: Ich frage also nach der Motivation und nach beruflichen Stationen oder Erfahrungen aus Praktika. Aber viel wichtiger ist, dass die Atmosphäre so angenehm ist, dass man vergessen kann, dass es sich um ein Vorstellungsgespräch handelt. An ein richtig gutes Interview erinnert man sich auch noch nach Jahren. Vielleicht nicht mehr in allen Details – ich weiß zum Beispiel nicht mehr alle Namen von Bewerbern, mit denen ich gesprochen habe – aber an das positive Gefühl erinnert man sich.

Auch an das schlechte?

Auch das Negative bleibt. Ich erinnere mich an ein Gespräch, wo ich der Bewerber war und mich richtig schlecht behandelt gefühlt habe. Wenn ich den Namen des Unternehmens lese, spüre ich heute noch einen kurzen Moment Abneigung, obwohl es nur ein kurzes Gespräch mit einem Menschen war, der dort wahrscheinlich längst nicht mehr arbeitet.

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