Julian Lürken hasst Zeitverschwendung. Der 30-Jährige startete seine Karriere als Berater bei Kienbaum, er lebte und arbeitete in Tokio, Seoul und London. Seit Mai 2015 ist er Personalchef bei Hello Fresh. Das Start-up gehört zu Rocket Internet, der börsennotierten Beteiligungsgesellschaft von Oliver Samwer.
Zeit ist kostbar bei einem jungen Unternehmen, das mit wenigen Angestellten schnell wachsen will, womöglich noch kostbarer als in einem Großkonzern. Als Lürken seinen Job antrat, hatte der Versender von Kochboxen mit vorbereiteten Zutaten in Berlin 100 Mitarbeiter, inzwischen sind es dort knapp 500. Weltweit arbeiten für das Start-up sogar 2500 Personen.
Arbeitsproben statt Vorstellungsgespräch
Getreu seinem Effizienz-Postulat will Lürken auch bei Neueinstellungen die Zeit sinnvoll nutzen: „Ich verlasse mich bei einem Bewerber lieber auf seine Arbeitsproben anstatt auf ein persönliches Gespräch“, sagt der studierte Psychologe, „so erfahre ich, was er wirklich kann.“
Der Nachwuchsmanager spricht aus, was Personalexperten schon lange denken: Das klassische Bewerbungsgespräch ist zwar die am weitesten verbreitete Form, einen potenziellen neuen Mitarbeiter zu beurteilen – aber gleichzeitig auch die schlechteste.
„Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Warum wollen Sie hier arbeiten? Was sind Ihre Stärken – und wie sieht es mit Ihren Schwächen aus?“
20 fiese Fragen, 20 clevere Antworten im Vorstellungsgespräch
Ich bin sehr ungeduldig. Deshalb erwarte ich, dass ich mich schon bei der ersten Aufgabe beweise - und mute mir manchmal zu viel zu. Aber ich arbeite an mir: Ich versuche, gewisse Aufgaben abzulehnen oder zu delegieren.
Vielleicht in 20 Jahren - aber dann werden Sie wahrscheinlich auf einer anderen Position sein. Falls Sie dann einen guten, treuen Angestellten brauchen, kann ich Ihnen vielleicht helfen.
Ich habe durch die häufigen Wechsel viele Erfahrungen gesammelt - und davon habe ich profitiert. Denn dadurch kann ich Probleme kreativ lösen.
Ich schätze mich selbst als ehrgeizig ein, aber auch als realistisch. Solange ich in meiner Position lernen und mich verbessern kann, bin ich zufrieden.
Ich habe hart daran gearbeitet, meinen Job zu behalten, während viele Kollegen gekündigt wurden. Daher hatte ich keine Gelegenheit, mich nach einem anderen Job umzusehen.
Ich würde neue Absatzmärkte suchen und gleichzeitig unsere Ingenieure dazu anregen, das Produkt so zu verändern, dass es wieder mehr Marktwert bekommt.
Nachdem ich mich von dem Schock erholt habe, haben mich die Kündigungen stärker gemacht. Ich habe immer geschafft, wieder aufzustehen und mir einen neuen Job zu suchen, der mir mehr Verantwortung gibt, mehr Gehalt einbringt und mich langfristig zufriedener macht. Ich habe die Kündigungen einfach als Chance auf einen Neustart gesehen.
Manchmal muss man einen Schritt zurückmachen, um die Karriere voranzubringen. Außerdem könnte ich das Unternehmen dann von Grund auf kennenlernen.
Philosophie hat mich nicht für dieses Berufsfeld speziell qualifiziert. Aber es hat mich dazu gebracht, meine Zukunftsaussichten zu überdenken. Und nun weiß ich: Es ist sinnlos, nach einem Beruf zu streben, nur weil er Prestige und Geld bringt.
Ich denke, dass ich am besten geeignet bin - und nur das sollte zählen. Ich habe bereits im Ausland gearbeitet. Daher bin ich flexibel und würde kaum Einarbeitungszeit benötigen.
Dieser Job ist mein Traumberuf, sonst säße ich jetzt nicht hier. Ich würde mich freuen, Ihrem Unternehmen beim Aufstieg zu helfen und meine Qualitäten sinnvoll einzubringen.
In den USA leben rund 320 Millionen Menschen. Angenommen von ihnen fahren 25 Millionen gerne Ski. Davon haben sicherlich gut 20 Millionen ein eigenes Paar Ski. Bleiben also fünf Millionen Menschen übrig, die sich Ski leihen müssen. Rechnet man die Touristen dazu, kommt man vielleicht auf etwa 7,5 Millionen Paar im Jahr.
Ich würde vorschlagen, beide Kandidaten für eine Testphase einzuladen. Sie könnten zwei Wochen lang im Unternehmen arbeiten und wir würden beobachten, wie sie sich schlagen. Qualität hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.
Ich versuche, jede Aufgaben so sorgfältig wie möglich zu erledigen und gucke nicht pausenlos auf die Uhr. Daher kann ich die genaue Stundenzahl nicht sagen. Aber mir ist Qualität eh wichtiger als Quantität.
Zunächst würde ich immer zuerst meinen Chef fragen, wie er oder sie mit einem Projekt umgehen würde. Wenn sich dann herausstellt, dass mein Chef sich einen Angestellten wünscht, der ein "Macher" ist, zeige ich gerne Eigeninitiative. Die eigentliche Herausforderung ist doch, sich an sein Arbeitsumfeld anzupassen - und da bin ich flexibel.
Ich kann glücklicherweise sagen, dass mir noch nie ein wirklich teurer Fehler unterlaufen ist. Aber generell finde ich Fehler - solange sie keine fatalen Folgen habe - nicht schlimm. Solange man sie nicht zwei Mal macht.
Ich persönlich denke, es ist wichtiger glücklich zu sein, auch wenn es nie schaden kann, kompetent und erfahren zu sein. Das hilft dabei, sich neue Möglichkeiten zu schaffen. Oft geht aber auch beides zusammen, das ist dann die ideale Kombination.
Ich bin weder schüchtern noch eine graue Maus. Also kann es gut sein, dass ein oder zwei frühere Arbeitskollegen dachten, ich sei unflexibel. Aber in Mitarbeitergesprächen und in meinen Referenzen fiel und fällt dieses Adjektiv nie, ebenso wenig wie „verbissen“. Ich kann gleichzeitig hartnäckig und flexibel sein.
Zuerst würde ich versuchen, diese Person für ihre eigenen Erfolge stärker zu loben. Manchmal hilft das schon. Wenn das nichts hilft, würde ich eine Verabredung mit dem Kollegen treffen, dass wir jeweils unsere eigenen Ideen dem Chef vorstellen - damit dieser sieht, wer welchen Erfolg erzielt. Funktioniert auch das nicht, würde ich das Problem offen ansprechen und ausdiskutieren.
Es könnte ein mögliches Risiko sein, dass man kaum in Kontakt mit den wichtigen Personen kommt - zumindest nicht in idealem Maße. Auf der anderen Seite können Telefonkonferenzen und Email ja auch weiterhelfen.
Alles berechtigte Fragen, die theoretisch etwas über den Bewerber verraten. Doch praktisch sind Wissenschaftler inzwischen überzeugt: Sich auf die Antworten zu verlassen bei der Entscheidung, welcher Kandidat eingestellt und welcher abgelehnt wird, ist nicht nur riskant. Schlimmstenfalls führt das hochgelobte persönliche Gespräch zu Fehlurteilen und damit zu Fehlbesetzungen.
Bewerbungsmethoden sind seit Jahren dieselben
Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal gewandelt, die Bewerbungsmethoden blieben derweil gleich. Als das Berliner Trendence Institut im Herbst 2015 knapp 300 deutsche Unternehmen nach ihren bevorzugten Auswahlverfahren fragte, nannten 82 Prozent das Bewerbergespräch mit der Fach- und Personalabteilung. Mit 56 Prozent landete das Telefoninterview abgeschlagen auf Platz zwei.
Im vergangenen Jahr wollte das Personaldienstleistungsunternehmen Robert Half von 100 Schweizer Managern wissen, welche Kriterien bei einer Einstellung die größte Rolle spielen, auf einer Skala von eins (wichtig) bis sechs (egal). Der Eindruck des Bewerbers im Vorstellungsgespräch landete mit einer Note von 2,38 auf dem ersten Platz, dicht gefolgt vom Lebenslauf mit 2,4 Punkten.
Ein großer Fehler.
"Personaler überschätzen sich"
Diese Meinung vertritt zum Beispiel Jason Dana. Der Assistenzprofessor der US-Eliteuniversität Yale äußerte sich erst kürzlich in einem Gastbeitrag für die „New York Times“ über die „vollkommene Nutzlosigkeit“ von Jobinterviews: „Die Personaler formen meist starke, aber ungerechtfertigte Eindrücke von Bewerbern“, schrieb Dana, „damit verraten sie mehr über sich selbst als über die Bewerber.“
Spricht man persönlich mit Dana, wirkt er fast ein wenig überrascht über die weltweite Wirkung seines Textes, der sich im Internet rasend schnell verbreitete. Tagelang gehörte er zu den meistgelesenen und -diskutierten Artikeln der „New York Times“-Website. Dabei seien sich Wissenschaftler doch seit Langem einig, sagt Dana: „Personaler überschätzen ihre Fähigkeit, Bewerber richtig einzuschätzen.“
Immer diese Vorurteile
Wer eine Stelle besetzt, muss gewissermaßen in die Zukunft schauen und vorausahnen, wer dafür am besten geeignet ist. Dafür steht eine Reihe von Entscheidungshelfern zur Verfügung: Leistungsnachweise aus der Vergangenheit einerseits, Eindrücke aus der Gegenwart andererseits. Bei Ersteren fallen Manipulationen schnell auf, bei Zweiteren weniger.
Innerhalb von wenigen Minuten soll der Personaler aus Mimik, Gestik und gesprochenen Sätzen entscheiden, ob das Gegenüber auf die Stelle passt. „Menschen tun es nicht mit Absicht“, sagt Dana, „aber sie wählen einfach die Person aus, die ihnen sympathischer ist.“ Psychologen zufolge liegt das unter anderem am Halo-Effekt, vom englischen Wort für Heiligenschein. Dahinter verbirgt sich ein Wahrnehmungsfehler, bei dem einzelne Eigenschaften einer Person so dominieren, dass sie einen überstrahlenden Gesamteindruck erzeugen.
Wer zum Beispiel besonders dick ist, den nehmen seine Mitmenschen vor allem über seinen Körperumfang wahr – und hegen damit sofort den Verdacht, dass er maßlos, faul oder willensschwach ist. Schüler mit Brille wirken auf viele Lehrer belesener, Personaler stellen ungern Mitarbeiter mit lückenhaftem Lebenslauf ein – obwohl gerade diese mitunter menschlich interessanter und intellektuell flexibler sind als jene mit gradlinigem Lebenslauf.
Diese Informationen haben im Lebenslauf nichts verloren
Ihr Familienstand geht den Arbeitgeber nichts an, die Information, ob sie verheiratet, ledig oder geschieden sind und wie viele Kinder Sie haben, hat im Lebenslauf genauso wenig etwas zu suchen, wie der Beruf Ihrer Eltern oder Namen und Anzahl Ihrer Geschwister. Fragt man Personaler, stehen solche Angaben jedoch noch recht häufig in den Bewerbungsunterlagen. Dies nimmt nur Platz weg für die wirklich wichtigen Informationen.
Genauso wenig hat Ihre Konfession etwas im Lebenslauf verloren. Es sei denn, Sie bewerben sich bei einer Kirche oder einer kirchlichen Organisation.
Grundsätzlich sind nur die vergangenen zehn Jahre des Berufslebens interessant. Sie müssen im Lebenslauf weder ihren Kindergarten, noch alle besuchten Schulen aufführen.
Außerdem gehören weder die Abiturnote noch die Abschlussnote vom Studium in den Lebenslauf.
Auch Berufseinsteiger müssen nicht jedes Schulpraktikum und jeden Nebenjob angeben. Es sei denn, er hat etwas mit der Stelle zu tun, auf die Sie sich bewerben. Dass man mit 14 Zeitung ausgetragen hat, bringt einen in der Regel jedoch nicht weiter.
Referenzen von ehemaligen Arbeitgebern oder Kunden gehören in die persönliche Lob-Mappe oder das Profil bei einem Karriereportal. Im Lebenslauf hat das Lob allerdings nicht zu suchen.
Sie können einen Text in Word schreiben oder etwas in Excel berechnen? Toll. Schreiben Sie das aber bitte nicht in den Lebenslauf, Computergrundkenntnisse werden ebenso vorausgesetzt wie sich selbstständig anziehen zu können. Eine wichtige Information wäre dagegen, welche Programmiersprachen Sie beherrschen und in welcher Sie am sichersten sind.
Sie können Hobbys in ihrem Lebenslauf erwähnen, wenn sie etwas mit der angestrebten Position zu tun haben: Wenn Sie sich also um eine Stelle als Tierpfleger bewerben, sollten Sie unbedingt in den Lebenslauf schreiben, dass Reiten und Schlittenhunderennen zu Ihren Hobbys gehören. Wenn Sie dagegen am liebsten lesen oder telefonieren, vielleicht noch Spazieren gehen, behalten Sie es für sich. Das sagt leider nichts über Ihre Talente oder sozialen Fähigkeiten aus. Gerade passive Hobbies wie Fernsehen oder Kino werfen kein gutes Licht auf den Kandidaten.
Nun könnte man einwenden, dass das persönliche Gespräch dabei hilft, Vorurteile abzubauen. Motto: Man muss nur die richtigen Fragen stellen, schon entzaubert sich der Bewerber. Tatsächlich jedoch trübt der persönliche Eindruck den Blick erst recht. Dass Einstellungsgespräche zur Bewerberauswahl wenig taugen, musste vor einigen Jahren etwa der US-Bundesstaat Texas feststellen. Um den Ärztemangel zu bekämpfen, sollten die medizinischen Fakultäten noch mehr Bewerber aufnehmen – und zwar mitten im Semester, als sich die Hochschulen bereits für einige Studenten entschieden und andere abgelehnt hatten.
Die medizinische Fakultät der Universität von Texas in Houston nahm daraufhin noch mal 50 Bewerber auf, die sie zuvor abgelehnt hatte – auch aufgrund des negativen Eindrucks in Interviews. Doch die erwiesen sich als kolossale Zeitverschwendung: Die 50 Nachzügler schnitten während des Studiums nicht schlechter ab als die ursprünglich akzeptierten 150 Studenten.
Bewerbungsgespräche wird es in zehn Jahren nicht mehr geben
Auch Iris Bohnet zweifelt daran, dass das klassische Vorstellungsgespräch eine kluge Mitarbeiterauswahl garantiert. Die gebürtige Schweizerin ist Verhaltensökonomin und Professorin für Public Policy an der Harvard Kennedy School. Dort beschäftigt sie sich unter anderem mit der Wirkung von Vorurteilen und erforscht, wie Unternehmen trotzdem die besten Mitarbeiter finden können. Inzwischen vertritt Bohnet eine recht radikale Position: „Bewerbungsgespräche wird es in zehn Jahren nicht mehr geben“, sagte Bohnet kürzlich im Interview mit dem „Stern“.
Ein Personaler bilde sich dort höchstens subjektive Eindrücke. Daraus seien jedoch keine seriösen Rückschlüsse auf den Leistungswillen oder die fachliche Expertise des Bewerbers möglich. Auch die Chancengleichheit werde durch Vorstellungsgespräche vermindert, sagt Bohnet.
Ein Beispiel dafür: Noch in den Siebzigerjahren wurden weltweit fast alle Sinfonieorchester von weißen Männern dominiert. Nach öffentlichen Beschwerden veränderten zahlreiche Opernhäuser ihre Aufnahmeprüfungen. Diese fanden nun hinter einem Vorhang statt, damit die Juroren das Aussehen der Musiker nicht in ihre Bewertung einbezogen. Auf dem Boden lag zudem dicker Teppichboden. So verstummten die klackernden Geräusche hoher Absätze, das Geschlecht der Musiker blieb danach ebenfalls unentdeckt.
Die US-Ökonominnen Claudia Goldin und Cecilia Rouse analysierten vor einigen Jahren die Wirkung dieser Veränderung: Die Blind Auditions erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass eine Musikerin eingestellt wurde, um bis zu 46 Prozent. Und weil sie nun davon ausgehen konnten, dass es bei der Aufnahmeprüfung gerecht zuging und das Geschlecht keine Rolle mehr spielte, bewarben sich bei Orchestern generell mehr Frauen.
Vorteil für Selbstdarsteller
Hinzu kommt: Ein klassisches Vorstellungsgespräch bevorzugt gewisse Charaktere – und benachteiligt andere. „Angenommen, Sie finden heraus, dass Ihr Arbeitgeber etwas Verbotenes tut – wie gehen Sie damit um?“ Diese und andere überraschenden Fragen machen vor allem introvertierte Personen nervös. In einem Bewerbungsgespräch ist subtile Eigenwerbung notwendig, genau die ist ihnen zuwider. Hier sind extrovertierte Menschen klar im Vorteil.
Damit verspielen Personaler aber eine große Chance. Denn zum einen sind gerade ruhige Menschen oft diszipliniert und kreativ, und doch rutschen sie bei der Einstellung und bei Beförderungen häufig durchs Raster. Das kann fatale Folgen für das Unternehmen haben, sagt Corinne Bendersky, Professorin der UCLA Anderson School of Management. Im Rahmen einer Studie warnte sie davor, zu viele extrovertierte Mitarbeiter einzustellen. Viele seien Selbstdarsteller und brächten vor allem sich selbst voran, weniger ihre Teams.
Wolfgang Nickles möchte bei Bewerbungen neue Wege gehen. Wenn der Finanzvorstand des Getränkeherstellers Eckes-Granini Führungspositionen besetzen will, setzt er inzwischen nicht mehr bloß auf Gespräche, sondern nutzt auch den Persönlichkeitstest Insights. Dessen Ergebnis soll zeigen, ob jemand wirklich das charakterliche Zeug zum Häuptling hat oder eher zum Indianer taugt. Fehleinschätzungen aufgrund von persönlicher Sympathie oder Antipathie sollen so verhindert werden.
Google tüftelt am fairen Bewerbungsprozess
Um einen gerechteren Prozess bemüht sich auch eines der innovativsten Unternehmen der Welt. Zwei Millionen Bewerbungen erhält Google pro Jahr. Kandidaten führen bis zu sechs Gespräche mit verschiedenen Mitarbeitern. Wer interviewt, entscheidet der Manager, für dessen Team die Stelle ausgeschrieben ist.
Die Bedingung: Es müssen verschiedene Nationalitäten vertreten sein und genauso viele Männer wie Frauen. Jedem Interviewer wird eine Rolle zugewiesen, auf die er sich im Gespräch konzentrieren soll. Einer prüft den Kandidaten durch rollenbasierte Tests: „Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine Onlinekampagne für einen Autokonzern konzipieren, Zielgruppe sind schwedische Männer zwischen 19 und 29 Jahren. Wie viele von ihnen können Sie an einem Samstagabend auf YouTube erreichen?“
Mit solchen Fragen will das Unternehmen testen, wie der Kandidat denkt: „Er soll nicht einfach schätzen, sondern logisch vorgehen“, sagt Frank Kohl-Boas, Google-Personalchef für den deutschsprachigen Raum.
Die härtesten Fragen im Vorstellungsgespräch
Diese Frage sollte ein Bewerber auf die Stelle des Senior Recruiting Managers bei Amazon beantworten. Hier soll die Kreativität abgeklopft werden. Die Personaler wollen wissen, ob man in der Lage ist, sich in eine andere Lage hinein zu versetzen. "Ich würde zum Beispiel erzählen, wie erstaunt ich als Mars-Mensch von den Problemen auf der Erde bin, da wir auf dem Mars schon viel weiter sind", schlägt Bewerbungsexperte Jürgen Hesse vom Berliner Büro für Berufsstrategie vor.
Auch solche mathematisch-logischen Fragen kommen immer wieder vor. Diese Aufgabe sollte ein Business Operations-Praktikant bei Facebook lösen. Hier muss man Aufmerksamkeit beweisen. Die Antwort ist "N Schlaufen" - es sind so viele Schlaufen, wie Seile. Denn wenn "keine losen Enden mehr übrig" sein dürfen, muss man einen Ring bilden. Hilfreich bei so einer Aufgabe ist es, sich eine kleine Skizze zu malen.
Das wurde ein Personaler bei Twitter gefragt. Hier gilt das gleiche wie bei Fragen nach den Stärken und Schwächen. "Fragt man im Bewerbungstraining nach Schwächen, sieht man auf der Stirn gleich, dass demjenigen sofort mindestens drei Schwächen einfallen", erzählt Hesse. Was wir nicht können, fällt uns meist leichter auf als unsere Stärken. Solche Antworten sollte man sich im Voraus überlegen. Hier kann es auch helfen, Freunde und Familie zu fragen, die vielleicht schneller und ganz andere Stärken sehen, als man bei sich selbst finden würde. Bei der Frage, warum man eben nicht eingestellt werden sollte, kann man sich charmant herauslavieren und etwa antworten: "Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen das jetzt nicht sagen kann - damit würde ich mich ja selbst schlecht dastehen lassen." Dann sollte man schnell wechseln und viele Gründe für eine Einstellung aufzählen.
Als Praktikant bei Microsoft muss man sich auf solche Fragen gefasst machen. "Hier haben wir wieder eine Kreativitätsfrage", erklärt Hesse. In die gleiche Kategorie fällt die Frage "Sie wollen ein Telefon für Taubstumme entwickeln. Wie gehen Sie vor?", die ein Produkt-Manager bei Google beantworten sollte. Die Personaler wollen sehen, dass man Fantasie besitzt, außerhalb der festgefahrenen Bahnen denken kann und auch auf ungewöhnliche Fragen nicht patzig oder unhöflich reagiert. "Man lernt den Bewerber so noch einmal von einer anderen Seite kennen".
Das wurde ein Sales Associate beim Unternehmen Pacific Sunwear gefragt. Jürgen Hesse erklärt: Hier handelt es sich um eine Psycho-Frage. Sie soll den Bewerber aus der Ruhe bringen. Doch auch die metaphorische Ebene sollte man bei solchen Fragen beachten: Wer hier "Stoppschild" antwortet, sammelt sicher Minuspunkte - wer braucht schon Bremser im Team. Charmanter wäre zum Beispiel ein Autobahn-Schild. Es weist die Richtung zu einem schnelleren Weg.
Diese Frage sollte einen Investment-Praktikanten bei AIG aus dem Konzept bringen. Eigentlich ist die Lösung total einfach, man vermutet in der Formulierung nur eine Gemeinheit. Wer hier nervös wird und einen Blackout bekommt, sollte sich ein Blatt Papier und einen Stift zu Hilfe nehmen. Man malt einfach einen Kreis und macht zwei Kreuze durch - da sind die acht Stücke.
Ein Operations-Analyst bei Goldman Sachs Operations-Analyst bei Goldman Sachs sollte diese Frage beantworten. Wer hier sagt "zehn Tonnen" oder "zehn Megatonnen", der liegt gehörig daneben. Solche Schätz-Fragen sollen die Allgemeinbildung abklopfen - niemand erwartet eine exakte Zahl. In die gleiche Kategorie fallen Fragen wie "Was glauben Sie, wie viele Menschen in Deutschland haben ein Handy?". Man kann sich helfen, indem man sich an die Lösung herantastet und das laut ausspricht. Etwa: "Es gibt rund 82 Millionen Deutsche, wenn man Babys, sehr alte und arme Menschen abzieht, sind es vielleicht rund 60 Millionen."
Diese Aufgabe bekam ein Technischer Ingenieur bei Tesla Motors gestellt. Der Fachmann wird wohl wissen, was ein Dynamometer ist - mit der Forderung, es kindgerecht zu erklären, soll der Job-Anwärter auch sein Gefühl für Worte beweisen und zeigen, dass er sich Mühe gibt, komplizierte Sachverhalte einem Laien geduldig zu erklären.
"Eine klare Psycho-Frage", urteilt Hesse. So eine Frage nach dem Glauben ist eigentlich nicht erlaubt - eine Ausnahme sind kirchliche Einrichtungen. Ein Merchandiser bei PepsiCo wurde die Frage trotzdem gestellt - man sollte in so einer Situation nun nicht auf stur stellen und gar nicht antworten oder mit erhobenem Zeigefinger "Das dürfen Sie nicht fragen" antworten. Besser: Mit einer Gegenfrage kommen, etwa "Gibt es aufgrund der Tätigkeit einen bestimmten Grund, warum Sie nach meiner Konfession fragen?".
Wer ein Praktikum bei Apple machen will, muss sich auf diese Frage gefasst machen. Hier geht es darum, die Fantasie spielen zu lassen. Spinnen Sie einfach herum - es gibt kein Richtig und Falsch. Wem partout nichts anderes einfällt, als "drauftreten", der sollte vielleicht besser die Gegenfrage stellen, warum die schöne Uhr denn zerstört werden muss.
... Jeder Zwerg sieht nur die kleineren Zwerge vor sich, kann sich aber nicht umdrehen. Der Riese verteilt zufällig schwarze und weiße Hüte auf die Köpfe der Zwerge, ohne dass die Zwerge ihre eigene Hutfarbe sehen. Der Riese sagt den Zwergen, dass er jeden einzelnen nach der Farbe seines Hutes fragen wird, den größten zuerst. Ist die Antwort falsch, frisst der Riese den Zwerg. Jeder Zwerg hört die Antwort seines Hintermanns, aber nicht, ob der Zwerg danach noch lebt. Bevor die Hüte verteilt werden, können die Zwerge sich heimlich beraten. Welche Strategie sollten die Zwerge wählen, um möglichst viele zu retten? Wie viele können mindestens gerettet werden?"
Puh - mit dieser Horror-Aufgabe sah sich ein QA Automation Engineer bei BitTorrent konfrontiert. Wer bei solchen Logik-Fragen nur noch Bahnhof versteht, kann manchmal nur noch die Notbremse ziehen und sagen, dass die Aufgabe in der aktuellen Stress-Situation nicht lösbar ist. Wer dann von den Personalern beharrlich gequält wird, ist vielleicht auch in dem Unternehmen nicht richtig.
Damit sah sich ein Verwaltungsassistent bei Google konfrontiert. "Schreiben" galt dabei nicht als Antwort. Solche Kreativitätsfragen kommen in abgewandelter Form immer wieder vor. Eine Version ist etwa "Was für Bücher gibt es?". Da sei bei vielen schon nach "Krimis" Schluss, erzählt Hesse. Andere können unzählige herunterbeten. Hier hilft das spielerische Üben solcher Brainstormings, zum Beispiel "Welche Automarken gibt es?" oder "Wie viele Farben fallen Ihnen ein?".
Seien Sie ehrlich: Wäre Ihnen mehr eingefallen, als "Windows"? Nicht nur, wer sich als Associate Consultant bei Microsoft vorstellt, sollte sich vorher gut über das Unternehmen, in dem man arbeiten möchte, informieren.
Das könnte zum Beispiel so aussehen: Schweden hat 9,5 Millionen Einwohner, davon sind etwa die Hälfte männlich, davon wiederum vermutlich ein Drittel im entsprechenden Alter. In dieser Zielgruppe kann man davon ausgehen, dass sich die Hälfte für Autos interessiert, alle ein Smartphone besitzen und 70 Prozent schon einmal auf YouTube waren.
Anschließend tragen die Mitarbeiter ihre Interviews in ein internes Feedback-System ein. Dabei geben sie auch eine persönliche Einschätzung: Passt der Kandidat oder nicht? Schon ein einziges Nein reicht aus, um den Bewerber abzulehnen. „Wir rekrutieren für das Unternehmen und nicht für einzelne Jobs“, sagt Kohl-Boas. „Deshalb ist es wichtig, dass alle involvierten Mitarbeiter ihr Okay geben.“
Gleiche Fragen für alle
Auch Elke Frank, bei der Deutschen Telekom zuständig für die Personalentwicklung, verlässt sich nicht allein auf das klassische Vorstellungsgespräch. Bei angehenden Führungskräften oder Trainees der Telekom besteht die Bewerbung aus vier Elementen: einer Selbstpräsentation, einem Interview, Fallstudien und einem Rollenspiel. Darin simuliert der Konzern beispielsweise Mitarbeitergespräche, um die Führungsfähigkeiten des Bewerbers zu testen.
Harvard-Professorin Iris Bohnet weiß, dass das Jobinterview immer noch viele Anhänger hat. Wer unbedingt daran festhalten will, solle für eine bestimmte Position zumindest in jeder Bewerbung dieselben Fragen in derselben Reihenfolge stellen – und diese unmittelbar nach der Antwort bewerten. Am Ende könne immer noch ein unstrukturierter Teil folgen. „Persönliche Gespräche sollen auch den Arbeitssuchenden eine Gelegenheit geben, den möglichen Arbeitgeber besser kennenzulernen“, sagt Bohnet, „nur sollte dieser Teil des Gespräches nicht zur Diagnostik dienen.“