
Julian Lürken hasst Zeitverschwendung. Der 30-Jährige startete seine Karriere als Berater bei Kienbaum, er lebte und arbeitete in Tokio, Seoul und London. Seit Mai 2015 ist er Personalchef bei Hello Fresh. Das Start-up gehört zu Rocket Internet, der börsennotierten Beteiligungsgesellschaft von Oliver Samwer.
Zeit ist kostbar bei einem jungen Unternehmen, das mit wenigen Angestellten schnell wachsen will, womöglich noch kostbarer als in einem Großkonzern. Als Lürken seinen Job antrat, hatte der Versender von Kochboxen mit vorbereiteten Zutaten in Berlin 100 Mitarbeiter, inzwischen sind es dort knapp 500. Weltweit arbeiten für das Start-up sogar 2500 Personen.
Arbeitsproben statt Vorstellungsgespräch
Getreu seinem Effizienz-Postulat will Lürken auch bei Neueinstellungen die Zeit sinnvoll nutzen: „Ich verlasse mich bei einem Bewerber lieber auf seine Arbeitsproben anstatt auf ein persönliches Gespräch“, sagt der studierte Psychologe, „so erfahre ich, was er wirklich kann.“
Der Nachwuchsmanager spricht aus, was Personalexperten schon lange denken: Das klassische Bewerbungsgespräch ist zwar die am weitesten verbreitete Form, einen potenziellen neuen Mitarbeiter zu beurteilen – aber gleichzeitig auch die schlechteste.
„Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Warum wollen Sie hier arbeiten? Was sind Ihre Stärken – und wie sieht es mit Ihren Schwächen aus?“
20 fiese Fragen, 20 clevere Antworten im Vorstellungsgespräch
Ich bin sehr ungeduldig. Deshalb erwarte ich, dass ich mich schon bei der ersten Aufgabe beweise - und mute mir manchmal zu viel zu. Aber ich arbeite an mir: Ich versuche, gewisse Aufgaben abzulehnen oder zu delegieren.
Vielleicht in 20 Jahren - aber dann werden Sie wahrscheinlich auf einer anderen Position sein. Falls Sie dann einen guten, treuen Angestellten brauchen, kann ich Ihnen vielleicht helfen.
Ich habe durch die häufigen Wechsel viele Erfahrungen gesammelt - und davon habe ich profitiert. Denn dadurch kann ich Probleme kreativ lösen.
Ich schätze mich selbst als ehrgeizig ein, aber auch als realistisch. Solange ich in meiner Position lernen und mich verbessern kann, bin ich zufrieden.
Ich habe hart daran gearbeitet, meinen Job zu behalten, während viele Kollegen gekündigt wurden. Daher hatte ich keine Gelegenheit, mich nach einem anderen Job umzusehen.
Ich würde neue Absatzmärkte suchen und gleichzeitig unsere Ingenieure dazu anregen, das Produkt so zu verändern, dass es wieder mehr Marktwert bekommt.
Nachdem ich mich von dem Schock erholt habe, haben mich die Kündigungen stärker gemacht. Ich habe immer geschafft, wieder aufzustehen und mir einen neuen Job zu suchen, der mir mehr Verantwortung gibt, mehr Gehalt einbringt und mich langfristig zufriedener macht. Ich habe die Kündigungen einfach als Chance auf einen Neustart gesehen.
Manchmal muss man einen Schritt zurückmachen, um die Karriere voranzubringen. Außerdem könnte ich das Unternehmen dann von Grund auf kennenlernen.
Philosophie hat mich nicht für dieses Berufsfeld speziell qualifiziert. Aber es hat mich dazu gebracht, meine Zukunftsaussichten zu überdenken. Und nun weiß ich: Es ist sinnlos, nach einem Beruf zu streben, nur weil er Prestige und Geld bringt.
Ich denke, dass ich am besten geeignet bin - und nur das sollte zählen. Ich habe bereits im Ausland gearbeitet. Daher bin ich flexibel und würde kaum Einarbeitungszeit benötigen.
Dieser Job ist mein Traumberuf, sonst säße ich jetzt nicht hier. Ich würde mich freuen, Ihrem Unternehmen beim Aufstieg zu helfen und meine Qualitäten sinnvoll einzubringen.
In den USA leben rund 320 Millionen Menschen. Angenommen von ihnen fahren 25 Millionen gerne Ski. Davon haben sicherlich gut 20 Millionen ein eigenes Paar Ski. Bleiben also fünf Millionen Menschen übrig, die sich Ski leihen müssen. Rechnet man die Touristen dazu, kommt man vielleicht auf etwa 7,5 Millionen Paar im Jahr.
Ich würde vorschlagen, beide Kandidaten für eine Testphase einzuladen. Sie könnten zwei Wochen lang im Unternehmen arbeiten und wir würden beobachten, wie sie sich schlagen. Qualität hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.
Ich versuche, jede Aufgaben so sorgfältig wie möglich zu erledigen und gucke nicht pausenlos auf die Uhr. Daher kann ich die genaue Stundenzahl nicht sagen. Aber mir ist Qualität eh wichtiger als Quantität.
Zunächst würde ich immer zuerst meinen Chef fragen, wie er oder sie mit einem Projekt umgehen würde. Wenn sich dann herausstellt, dass mein Chef sich einen Angestellten wünscht, der ein "Macher" ist, zeige ich gerne Eigeninitiative. Die eigentliche Herausforderung ist doch, sich an sein Arbeitsumfeld anzupassen - und da bin ich flexibel.
Ich kann glücklicherweise sagen, dass mir noch nie ein wirklich teurer Fehler unterlaufen ist. Aber generell finde ich Fehler - solange sie keine fatalen Folgen habe - nicht schlimm. Solange man sie nicht zwei Mal macht.
Ich persönlich denke, es ist wichtiger glücklich zu sein, auch wenn es nie schaden kann, kompetent und erfahren zu sein. Das hilft dabei, sich neue Möglichkeiten zu schaffen. Oft geht aber auch beides zusammen, das ist dann die ideale Kombination.
Ich bin weder schüchtern noch eine graue Maus. Also kann es gut sein, dass ein oder zwei frühere Arbeitskollegen dachten, ich sei unflexibel. Aber in Mitarbeitergesprächen und in meinen Referenzen fiel und fällt dieses Adjektiv nie, ebenso wenig wie „verbissen“. Ich kann gleichzeitig hartnäckig und flexibel sein.
Zuerst würde ich versuchen, diese Person für ihre eigenen Erfolge stärker zu loben. Manchmal hilft das schon. Wenn das nichts hilft, würde ich eine Verabredung mit dem Kollegen treffen, dass wir jeweils unsere eigenen Ideen dem Chef vorstellen - damit dieser sieht, wer welchen Erfolg erzielt. Funktioniert auch das nicht, würde ich das Problem offen ansprechen und ausdiskutieren.
Es könnte ein mögliches Risiko sein, dass man kaum in Kontakt mit den wichtigen Personen kommt - zumindest nicht in idealem Maße. Auf der anderen Seite können Telefonkonferenzen und Email ja auch weiterhelfen.
Alles berechtigte Fragen, die theoretisch etwas über den Bewerber verraten. Doch praktisch sind Wissenschaftler inzwischen überzeugt: Sich auf die Antworten zu verlassen bei der Entscheidung, welcher Kandidat eingestellt und welcher abgelehnt wird, ist nicht nur riskant. Schlimmstenfalls führt das hochgelobte persönliche Gespräch zu Fehlurteilen und damit zu Fehlbesetzungen.
Bewerbungsmethoden sind seit Jahren dieselben
Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal gewandelt, die Bewerbungsmethoden blieben derweil gleich. Als das Berliner Trendence Institut im Herbst 2015 knapp 300 deutsche Unternehmen nach ihren bevorzugten Auswahlverfahren fragte, nannten 82 Prozent das Bewerbergespräch mit der Fach- und Personalabteilung. Mit 56 Prozent landete das Telefoninterview abgeschlagen auf Platz zwei.
Im vergangenen Jahr wollte das Personaldienstleistungsunternehmen Robert Half von 100 Schweizer Managern wissen, welche Kriterien bei einer Einstellung die größte Rolle spielen, auf einer Skala von eins (wichtig) bis sechs (egal). Der Eindruck des Bewerbers im Vorstellungsgespräch landete mit einer Note von 2,38 auf dem ersten Platz, dicht gefolgt vom Lebenslauf mit 2,4 Punkten.
Ein großer Fehler.