Rund 9,62 Millionen Deutsche haben im engeren Sinne einen Migrationshintergrund. Und damit ein Problem: wenn sie einen türkisch, polnisch oder anderweitig ausländisch klingenden Namen haben, haben sie nämlich deutlich schlechtere Chancen als die anderen 72,81 Millionen Einwohner der Bundesrepublik. Sie haben schlechtere Chancen auf dem Wohnungsmarkt, tun sich bei der Jobsuche schwerer und bekommen schwieriger einen Ausbildungsplatz als die Konkurrenten Meier, Müller oder Schulz.
Das zeigt unter anderem eine Studie des Forschungsbereichs des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR).
Für die Studie wurden 3600 Bewerbungen untersucht. Dabei haben sich je zwei gleich gut qualifizierte Bewerber auf einen Ausbildungsberuf als Kfz-Mechatroniker und Bürokaufmann beworben. Einer hatte einen deutschen, der andere einen türkischen Namen. Die Rückmeldungen zeigten: Um zu einem Gespräch eingeladen zu werden, musste der Bewerber mit deutschem Nachnamen durchschnittlich fünf Bewerbungen schreiben, ein Bewerber mit türkischem Nachnamen hingegen sieben. Bei den Bewerbungen auf eine Stelle als Kfz-Mechatroniker war die Benachteiligung stärker spürbar.
"Einen wichtigen Einfluss auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung hat die Unternehmensgröße: Die Diskriminierungsrate ist bei kleinen Firmen mit weniger als sechs Mitarbeitern deutlich höher als bei mittleren und großen Unternehmen, sagte Studienautor Jan Schneider.
Jobcenter diskriminieren Menschen mit ausländisch klingenden Namen
Auch in den Jobcentern Deutschlands scheint zu gelten: Es ist besser, Schulz oder Schmidt zu heißen als Çakmak oder Kusnezow. Das haben Anselm Rink vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Johannes Hemker von der Columbia University in einem Experiment herausgefunden. Dafür verschickten Sie E-Mails von deutsch, türkisch und rumänisch klingenden Absendern an alle 408 deutschen Jobcenter und stellten Fragen zum Thema Hartz IV.
Die vermeintlichen Absender variierten außerdem in ihrer Berufsbezeichnung, Geschlecht und dem Sprachstil.
Die Deutschen Arbeitsagenturen und Jobcenter: Anzahl, Auslastung und Bewertung
Das Vergleichsportal Netzsieger hat mehr als 1.500 Google-Rezensionen für die Arbeitsagenturen - inklusive Zweigstellen und Jobcenter - der 30 größten deutschen Städte analysiert. Dafür hat das Portal die Gesamtzahl der Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie Erwerbspersonen je Bundesland ermittelt. Bayern führt hier mit 198 Arbeitsagenturen und Jobcentern die Spitze an, dicht gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 182 auf dem zweiten Platz und Baden-Württemberg mit etwas Abstand und 133 Arbeitsagenturen und Jobcentern auf dem dritten Platz.
Insgesamt erhalten die Arbeitsagenturen Deutschlands eine durchschnittliche Bewertung von 2,6 Sternen, was immerhin etwas mehr als die Hälfte der zu erreichenden Sterne darstellt. Die Anzahl der Rezensionen hängt oft mit der Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt zusammen, weshalb die Agenturen größerer Städte in den meisten Fällen auch mehr Beurteilungen vorzuweisen haben. So werden beispielsweise die Agenturen für Arbeit in Berlin mit 383 Google-Rezensionen bewertet, während Chemnitz diesbezüglich nur sieben Rezensionen aufweist. Der Durchschnittswert liegt bei 50 Rezensionen.
Schlusslichter der Tabelle sind das Saarland (18), Hamburg (8) und Bremen (7).
In Nordrhein-Westfalen leben mit 8,82 Millionen die meisten Erwerbspersonen, in Bremen mit 322.000 die wenigsten. Setzt man nun die Anzahl der Agenturen für Arbeit sowie der Jobcenter mit der Zahl der Erwerbspersonen in Relation zueinander, lässt sich daraus ableiten, wie viele Personen im Durchschnitt auf eine Agentur kommen. Den letzten Platz in diesem Ranking belegt Hamburg mit durchschnittlich 119.000 Erwerbspersonen, die auf alle Agenturen und Jobcenter des Bundeslandes kommen, dahinter folgt Berlin mit etwa 76.000 Personen. Bremen weist zwar mit durchschnittlich 46.000 Erwerbspersonen pro Agentur eine vergleichsweise niedrige Zahl auf, belegt damit aber trotzdem den drittletzten Platz.
Für deutlich weniger Erwerbspersonen sind die Agenturen und Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen zuständig: Hier kommen etwa 20.000 beziehungsweise 21.000 Personen auf alle Agenturen und Jobcenter pro Bundesland.
Braunschweig führt die Tabelle der bestbewerteten Arbeitsagenturen Deutschlands mit einer Bewertung von 4,5 der 5,0 möglichen Sterne an, die aus elf Rezensionen hervorgegangen sind. Damit liegt Braunschweig 0,8 Sterne vor dem zweitplatzierten Nürnberg und ganze 1,2 Sterne vor dem drittplatzierten Hannover, welches allerdings mit 107 Rezensionen deutlich mehr Feedback erhalten hat.
Die am schlechtesten bewerteten Agenturen finden sich in Karlsruhe (2,0), Dresden (1,8) und Chemnitz (1,4).
In den Mails fragten die potenziellen Antragsteller, welche Unterlagen für eine Antragstellung beim Arbeitslosengeld II benötigt würden und ob auch Unterlagen von Familienangehörigen für den Antrag wichtig seien.
Das Ergebnis: Die Jobcenter beantworteten alle E-Mails, aber die Fragesteller mit ausländischen Namen erhielten häufiger unzureichende und weniger detaillierte Informationen. Jobcenter unter kommunaler Verwaltung schnitten dabei deutlich schlechter ab als Jobcenter, die direkt der Bundesagentur für Arbeit unterstellt sind. Gleichermaßen schnitten westdeutsche Behörden schlechter ab als ostdeutsche Behörden. Wären die Fragesteller echt gewesen, hätten sie anhand der Informationen, die man ihnen gab, keinen korrekten Antrag auf Hartz IV stellen können.
Man könnte beide Studien so zusammenfassen: rund zehn Millionen Deutsche haben nicht nur schlechtere Jobchancen, ihnen wird auch noch der Antrag auf Grundsicherung verwehrt, wenn sie deshalb länger arbeitslos sind.