Fachkräftemangel Es gibt genug Azubis

Vielerorts suchen Betriebe händeringend nach Lehrlingen. Auf der anderen Seite suchen zehntausende Jugendliche nach einer Ausbildung. Die Mehrheit davon sind Hauptschüler. Und auf die haben Unternehmen keine Lust.

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Der Auszubildende Eric Müller sägt in der Lehrwerkstatt der Firma Forth Elektrotechnik in Eberswalde mit der Kappsäge einen Kabelkanal zurecht. Quelle: dpa

Zehntausende Jugendliche bleiben Jahr für Jahr ohne Lehrstelle. Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gingen im Ausbildungsjahr 2016 insgesamt 283.281 junge Bewerber bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz leer aus. Das bedeutet, dass nur rund 65 Prozent aller Jugendlichen, die eine Ausbildung machen wollten, auch einen Platz bekommen haben. Rund 60.000 fanden eine Alternative und gingen zum Beispiel weiter zur Schule. Etwa 20.000 standen ohne alles da.

Der Rest werde nun in Ersatzmaßnahmen wie Praktika, Einstiegsqualifizierungen oder berufsvorbereitenden Maßnahmen "geparkt".

"Wenn nur 64,7 Prozent aller interessierten und als 'ausbildungsreif' eingestuften Bewerber einen Ausbildungsplatz finden, kann von einem Azubi-Mangel nicht gesprochen werden", heißt es in der DGB-Studie. Denn gleichzeitig bleiben in einigen Branchen immer mehr Ausbildungsplätze leer, etwa am Bau und im Hotelgewerbe.

Schlechte Bedingungen - keine Azubis

"Nach wie vor gilt: Wer schlechte Ausbildungsbedingungen bietet, darf sich über ausbleibende Bewerbungen nicht wundern", meinte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack mit Blick auf Betriebe, die über einen Mangel an geeigneten Azubis klagen. Zugleich verlangte Hannack, dass auch wieder junge Menschen mit Hauptschulabschluss eine Ausbildungschance bekommen müssten. Untersuchungen der IHK-Lehrstellenbörsen zeigten, dass fast zwei von drei der dort angebotenen Ausbildungsplätze den mittleren Schulabschluss als Mindestvoraussetzung hätten, kritisierte Hannack.

Wie Azubis über die Berufsausbildung denken

Vielmehr bevorzugen die Betriebe Gymnasiasten anstatt Real- und Hauptschüler. Entsprechend haben fast 48 Prozent der rund 270.000 Jugendlichen, die in Maßnahmen stecken, nur einen Hauptschulabschluss. Rund 27 Prozent verfügen über einen mittleren Abschluss.

Projekte "für alle, die sonst nichts kriegen"

Einer davon ist Eric Müller, 18 Jahre alt. Seit Ende September arbeitet er als Lehrling bei der Firma Forth Elektrotechnik auf einer Baustelle in Berlin-Hohenschönhausen. In roter Arbeitshose, braunen Arbeitsschuhen und schwarzem Fleecepulli unterscheidet ihn optisch nichts von den Kollegen. „Auf der Baustelle läuft es ganz gut“, sagt er. „Aber in der Berufsschule ist es nicht so leicht.“

Eric ist keiner, der viele Worte verliert. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt er. Im Vergleich zu anderen im Freundeskreis sieht Eric sich im Mittelfeld: Einige Kumpels machen zwar Abitur. Seine engen Freunde jedoch lernen Maler, Lackierer und Gerüstbauer, sein Bruder wird Koch. Dann gibt es einige, die gar keine Lehrstelle ergattert haben.

Die Firma Forth in Eberswalde in Brandenburg hat rund 50 Angestellte, viele gehen bald in Rente. „Ich finde nicht ausreichend qualifizierten Nachwuchs“, sagt Ausbilder Uwe Schadwinkel. Pro Jahr sucht das Unternehmen mindestens drei Jugendliche für die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Elektrotechniker. Lange bekam er Dutzende Bewerbungen. Letztes Jahr meldeten sich für seine drei Plätze nur fünf Anwärter. Der Geburtenrückgang in Ostdeutschland nach dem Ende der DDR 1989/90 macht sich klar bemerkbar. Ein einziger der Bewerber entsprach Schadwinkels Wunschprofil: Mittlere Reife und die Note Zwei in Mathematik und Physik.

Eric Müller kam als Schülerpraktikant zu Forth. „In der praktischen Arbeit passte Eric vom ersten Tag gut rein, er ist handwerklich sehr geschickt“, sagt Schadwinkel. Doch von den gewünschten Zeugnissen war der junge Mann weit entfernt: Er hat einen Hauptschulabschluss, die fünfte Klasse wiederholt und mäßige Noten in Mathe und Physik. Bei der „Assistierten Ausbildung“ bekommt Eric jeden zweiten Samstag Nachhilfeunterricht. Schadwinkel, der Nachhilfelehrer der „Assistierten Ausbildung“ und die Berufsschullehrerin tauschen E-Mails aus, was der Azubi nacharbeiten soll. So wollen sie ihn durch die Zwischenprüfung hieven. Es wäre ein nächster Schritt. Für Eric und die Firma Forth.

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